Erfolgversprechend?

Aus meiner Sicht ist es heutzutage nicht erfolgversprechend, Profi-Fußballtrainer einer Männer-Fußballmannschaft zu werden. Ich weiß nicht, wie es früher war, aber heute redet man über erfolgreiche Trainer nur kurz im Zusammenhang mit ihrem Erfolg. Häufiger stehen Trainer in der Zeitung, wenn sie den Verein wechseln. Bei den erfolgreichen Bundesliga-Vereinen in Deutschland mag das Gehalt für den Trainer ganz beträchtlich sein und der Ruhm nicht unerheblich. Und es lässt sich sicher auch der eine oder andere Erfolg verbuchen. Aber ist der Job deshalb erfolgversprechend?

Der Druck auf einem „erfolgreichen“ Trainer ist immens. Wenn man diesem nicht standhält, die Mannschaft „die Leistung nicht abrufen kann“ und man nicht zufällig bei Freiburg angestellt ist, werden die Karten schnell neu gemischt: Und schwupps ist man nur noch der ehemalige Trainer von Bayern, Hertha oder sonst irgendeinem Verein. Dann ist es nicht automatisch vorbei mit der Karriere, aber man muss bei einem anderen Verein von vorn anfangen mit dem Projekt „Erfolg“.

Stärker als in vielen anderen Berufen wird ein professioneller Fußballtrainer fast ausschließlich am Erfolg der eigenen Mannschaft gemessen. Diesem muss alles andere untergeordnet werden – Familienleben, der Wohnsitz, ein soziales Netz. Die Halbwertszeit des Jobs ist kurz, der Weg zum Erfolg mit viel Scheitern und Neu-Probieren verbunden, und noch dazu wird all das (wöchentlich) von fußballinteressierten Zeitungslesern beobachtet und bewertet. Erfolgversprechend sieht anders aus, oder?

Nicht so einfach

Manche Aufgaben im Leben sind nicht so einfach: Kinder gut zu erziehen beispielsweise; uns mit sehr unangenehmen, aber unveränderlichen Umständen zu arrangieren; unseren Stolz aufzugeben und so weiter. Diese „zwischenmenschlichen“ Dinge entziehen sich oft unserer Machbarkeit.

„Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“
Sacharja 4, 6

Damit kann nicht gemeint sein, dass wir die Hände in den Schoß legen sollen und sich alles von allein regeln wird. Die Bibel ist voll von Ratschlägen, „die Zeit auszukaufen“, sich in Sachen Fleiß ein Beispiel an der Ameise zu nehmen, und dass „Glaube ohne Werke tot ist“.

Es geht nicht darum, fatalistisch alles dem Zufall oder Schicksal zu überlassen. Wir sollen uns bemühen, fleißig sein und unsere Gaben und Ressourcen verantwortlich einsetzen.

Es geht darum, wem letztlich mein Vertrauen gehört in allem. LETZTLICH ist es nicht unser Tun, was den Unterschied macht, sondern Gottes Geist.

Selber tun – ja. Und dann vertrauen, loslassen und den Ausgang Gott überlassen. Das ist nicht so einfach.

Alles möglich

Als mein Vater mir Skat beibrachte, ließ er mich Fehler machen, ohne mich darauf hinzuweisen: Ich wähnte mich beispielsweise ein ganzes Spiel lang in dem Glauben, ich würde haushoch gewinnen würde – nur um am Ende festzustellen, dass ich vergessen hatte, zwei Karten in den Skat zu drücken. Oder aber er überließ mir – nach starkem Reizen – das Spiel, und lehrte mich dadurch sehr eindrücklich, was ein „Billigmacher“ im Skat ist. Trotzdem war fast von Anfang an alles möglich: selbst ein blindes Huhn findet manchmal ein Korn und fährt einen Sieg ein.

Mein Vater spielt sehr gut Skat, zählt nebenbei mit und hat schon lange nicht mehr vergessen, zwei Karten zu drücken. Er scheint zudem einen Röntgenblick zu haben, welche Blätter seine Gegner auf der Hand haben, und rechnet schon mit meinem nächsten Zug, bevor ich selbst ihn kenne. Aber auch er ist vor „Billigmachern“ oder einfach nur schlechten Blättern nicht gefeit – nicht einmal vor der strategielosen Spielweise seiner Tochter. Das macht wohl den Reiz dieses Spiels aus: Du kannst dein Leben lang Skat spielen und immer besser werden – die Möglichkeiten der Kartenverteilung und der Spielzüge bleiben unzählbar. Es ist immer wieder alles möglich.

No go?

Ich habe einige Schuhpaare, fast alle sind schwarz, praktisch und bequem. Ausgesprochene Tanzschuhe sind nicht dabei – aber was sind schon richtige Tanzschuhe? Ich habe so selten Gelegenheit, mich dem Standardtanz zu widmen, dass ich keine extra Schuhe dafür benötige. Ein paar „richtig schicke Schuhe“ besitze ich, ziehe sie aber äußerst selten an – sie sind nicht sehr bequem.

In einem Gespräch mit ein paar Frauen wurde ich darauf hingewiesen, dass es buchstäblich ein „No go“ ist, mit anderen als richtigen Tanzschuhen zu einer Tanzveranstaltung zu gehen. Auf keinen Fall kann man Schnürschuhe anziehen – sie können noch so schön sein.

Am vergangenen Wochenende fand er statt, der Tanzstunden-Abschluss-Ball meiner Tochter. Was tun? Ich zog meine einzigen „richtig schicken“ Schuhe an, obwohl klar war, dass sie zu eng und unbequem sind, um gut und gern mit ihnen zu tanzen. Dafür passten sie zu meinem Kleid. Der Ball war sehr gut besucht; auf der Tanzfläche war selten und wenig Platz. Unsere Tochter amüsierte sich und tanzte viel – zweimal sogar mit ihrem Vater. Ich saß oder stand und schaute zu – und sah wahrscheinlich gut dabei aus. Wohl fühlte ich mich nicht. Nächstes Mal ist es für mich ein „No go“, etwas anderes als bequeme Schuhe anzuziehen. Nächstes Mal ist es mir egal, was man macht oder nicht.

Weite, Tiefe, Enge, Nähe …

Ich kenne jemanden, der beruflich viel fliegen muss. Mehrmals im Monat fliegt er innerhalb Europas hin und her, manchmal führt ihn eine „Geschäftsreise“ auch nach Übersee oder Saudi Arabien. Er kennt mit Sicherheit viele Flughäfen; Ein- und Auschecken ist für ihn Routine, Koffer packen und aus dem Koffer leben ebenso. Er hat ein Zuhause, aber er ist eben auch viel und weit unterwegs und genießt die Abwechslung.

Wie wenig das mit meiner Lebensnormalität zu tun hat, wurde mir klar, als ich kürzlich mit dem Fahrrad unterwegs war. Mein alltäglicher Radius beträgt ungefähr zwei bis sechs, maximal zehn Kilometer. In diesem engen Bereich spielt sich mein und unser Leben ab – Schule, Sportvereine, Laufrunden, Freunde und Bekannte, unsere Gemeinde. Hier sind wir zu Hause, kaufen ein, treffen Menschen; hier gehen wir zum Arzt oder ins Kino. Nicht alles ist wunderbar, aber bekannt und sehr vertraut. Von außen betrachtet könnte mein Leben gleichförmig wirken und langweilig, aber das ist es nicht: In diesem so abwechslungsarmen Sein begegne ich immer wieder denselben Menschen – ja. Aber unser Miteinander ist doch sehr komplex. Die Nähe zu anderen birgt Konfliktpotential und Möglichkeiten der Selbsterkenntnis – und hoffentlich der Selbstreflexion. Das gibt meinem Leben nicht unbedingt räumliche Weite, aber eine gewisse Denk-Tiefe.

Dagegen erlebte ich mein letztes Unterwegssein als oberflächlich: Das Flugzeug an sich ist bei Fernreisen praktisch; Flughäfen allerdings sind für mich sterile Orte – dieses anonyme Aufeinanderhocken von vielen Menschen im Sicherheitsbereich, berufsmäßig freundliches Bodenpersonal, gelangweilte Verkäufer in Duty-free-Shops. Die Flughäfen von Hannover und London wirkten – bis auf die Größe – ähnlich und austauschbar. Aber die Städte sind völlig verschieden und die Menschen ebenso. Von jetzt auf gleich war nichts mehr vertraut und bekannt. Auf den ersten Blick mag das spannend sein, sogar attraktiv und inspirierend. Das wurde es aber erst hinterher: Ich brauchte die Enge meines abwechslungsarmen Zuhauses, um meine Erfahrungen in der weiten Welt zu sortieren und einzuordnen.

Armutszeugnis

Letztens bei Pilates. Nach der Stunde fragt mich eine mir bis dahin unbekannte Mitstreiterin, wie lange ich schon Pilates mache. Als ich „zehn Jahre“ sage, freut sie sich: „Na, da kann ich ja hoffen, dass ich in neun Jahren auch so schöne Liegestütze machen kann.“ Ich bin verwirrt: Meine „schönen Liegestütze“ verdanke ich nicht meinen letzten zehn Jahren Pilates-Training. Wenn das alles ist, was ihr auffällt, ist es ein Armutszeugnis.

Zweckmäßig

Während wir ein Kleid für meine Tochter suchen, das sie zum Abschlussball der Tanzschule anziehen kann: In einem der vielen Spiegel erhasche ich einen Blick auf mich in meinem „Im-November-mit-dem-Rad-in-die-Stadt“-Aufzug und zucke innerlich zusammen. Es entspricht so gar nicht dem, was MAN heute trägt: Mein Outfit ist nur zweckmäßig: Als schön oder gar schick kann selbst ich es nicht bezeichnen. Nur zweckmäßig scheint sonst niemand angezogen zu sein. Geht das? Im Gespräch mit meinem Sohn einige Tage später sagt er dazu: „Das meiste, was ich anziehe, ist nicht zweckmäßig, Mama. Das geht auch.“

Sollte ich mal probieren.

Heute neu – morgen alt

Letztens war ich mit zwei Kindern einkaufen: Ein Kind brauchte eine Hose, das andere eine Jacke. Etwas zum Anziehen zu kaufen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Für meine Kindern mache ich es aber gern – in klaren zeitlichen Grenzen. Als wir erfolgreich den letzten Laden verließen, war ich versucht, für mich selbst die Kleiderständer „abzuscannen“: Ich habe mir schon lange nichts Neues mehr gekauft. Die Bedingungen waren sicherlich nicht die besten – ich war innerlich schon ein bisschen leer-gekauft und eher lustlos. Abgesehen davon beschlich mich ein mir vertrauter Gedanke: Ich bin ganz dankbar, dass ich im Grunde nichts brauche von dem ganzen Kram hier. Wäre schön – ja. Muss aber nicht sein.

Dazu kommt: Zu Hause entrümpeln wir ständig und trennen uns nach ein paar Jahren schon wieder von dem einen oder anderen Spielzeug. Die Schleich-Tiere, die vor wenigen Jahren noch hoch im Kurs standen, liegen in der Ecke; Lego-Sets werden von ihren Besitzern mittlerweile eher nach deren finanziellem Zeit-Wert beurteilt; manchen Büchern sind die jugendlichen Leser entwachsen. Nur wenig von allem werde ich für zukünftige Enkelkinder aufheben. Und so lerne ich am Beispiel Spielzeug, dass mein Besitz nicht zu umfangreich werden darf. Es lebt sich besser mit leichtem Gepäck. Diese Erkenntnis auf Kleidung auszuweiten, fällt mir nicht schwer…

Erntezeit

Früher – und für Bauern heute noch – bestand das Leben zum großen Teil aus harter Arbeit. Es war nicht nur bestimmt von Aussaat und Ernte: Dazwischen lagen Wochen oder Monate der Pflege. Erst am Ende dieser Zeit stand die Ernte dessen, was man gesät, gedüngt und gewässert und worum man sich gekümmert hatte. Erntezeiten waren deshalb Feierzeiten und sind es noch – wir erinnern uns daran mit dem Erntedankfest am ersten Sonntag im Oktober. Die Zeit des Wachsens und Gedeihens geht vorüber, der Winter naht. Zu ernten ist auch Arbeit, aber nicht nur: Sie ist auch der sichtbare Erfolg langer Mühen. Dem Ernten wohnt die Freude über das Ergebnis inne, das motiviert. Die Ernte zu verzehren macht dankbar.

Ähnliches gilt für das Leben. Lernen oder üben kommt immer vor Können – beim Laufen und Sprechen ebenso wie im Sport oder in der Schule. Jeder Erfolg, alles Selbstgemachte erfordert Kraft, Geduld, Zeit und Vorbereitung: Wenn man Kalender gestalten und verschenken will, muss man vorher Fotos sichten. Das Anschauen, Sortieren und Auswählen dauert Stunden und ist eine mühselige Arbeit. So schön viele Fotos sind, so viele weniger brauchbare sind dazwischen. Auf halber Strecke verlässt einen die Lust am Tun, aber man macht trotzdem weiter. Dann sind die Vorbereitungen abgeschlossen und sie ist da – die Zeit der Ernte: Mit einer guten Foto-Auswahl ist es keine mühselige Arbeit mehr, einen Kalender zu gestalten. Diesem Tun wohnt die Freude über das Ergebnis inne, das motiviert. Der fertige Kalender macht dankbar.

PS: Selber kaufen ist nicht dasselbe …

Ist die Mauer wirklich weg?

Das Jubiläum des Mauerfalls ist in aller Munde, aber wem bedeutet es was? Jeder hat seine ganz eigene Wahrnehmung von dieser unserer Deutschen Geschichte und bewertet sie eben auch ganz unterschiedlich: Ganz und gar gleichgültig, enttäuscht und frustriert oder immer noch dankbar und begeistert.

Ganz und gar gleichgültig: Es gibt viele Gründe dafür, mit dem Wunder des Mauerfalls nichts zu verbinden. Man kann zu jung sein, keine Verwandtschaft „drüben“ haben und, und, und. Trotzdem ist sie ein Fakt. Hervorgegangen ist sie aus einer großen Unzufriedenheit der Ostdeutschen mit ihrem Staat, ihrer Regierung – aber vor allem aus einer tiefen Sehnsucht nach Freiheit. Freiheit von Bevormundung, Freiheit der Gedanken, Meinungen und Überzeugungen bis hin zu freien Wahlen und freiem Reisen. All das wurde mit dem Mauerfall ziemlich bald Realität; aber für viele (vor allem West-)Deutsche hat sich dadurch erstmal gar nichts geändert: Die Mauer ist nicht mehr da – na und?

Enttäuscht und frustriert: Neben den Gleichgültigen gibt`s die Kritiker. Wir Ost- und Westbürger sind gleichermaßen nicht frei von Vorurteilen. Dass im Osten die AfD so stark ist, wundert die Westler; dass die Westler noch immer besser verdienen, ärgert die Ostler. Das errichtet gedankliche Mauern: Sicher gibt es Menschen, die noch immer in alten Grenzen denken – oder sie sich vielleicht sogar zurückwünschen. Auf beiden Seiten.

Dankbar und begeistert: Und dann sind da Leute wie ich. Natürlich ließ (und lässt) sich meine DDR-Vergangenheit nicht leicht abschütteln. Sie ist Teil von mir. Die äußere Mauer, die 1989 fiel, stürzte nicht von jetzt auf gleich auch in meinem Inneren ein: Es fiel mir schwer, mich beruflich frei und neu zu orientieren, mein Mann hat sich noch jahrelang über meine Angst vor Verkehrspolizisten amüsiert, ich kann bis heute mit Dominanz nicht gut umgehen etc. Und TROTZDEM – bin ich so dankbar! Was haben wir für einen Schatz mit dieser Vereinigung, was für eine Kostbarkeit ist uns anvertraut – und es ging ohne militärischen Einmarsch, ohne Blutvergießen. Ich weiß nicht, warum, aber ich vertraue darauf, dass es irgendwann gar keine Mauern mehr in unserem Land geben wird – äußerlich und innerlich.