Lesen

„Lesen – wozu braucht man das? Es soll ja klug machen, aber das braucht doch kein Mensch“, sagte mein jüngster Sohn gestern Abend, als er an seiner Ferienlektüre saß. Ich lächelte, er grinste. Er weiß, wie gern wir lesen und wie sehr wir uns wünschen, er täte es ebenso gern. Seinem eigenen Widerwillen gegen das Lesen kann das jedoch bisher nichts anhaben – und wird es vielleicht nie tun. Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden.

Ich bedauere die Horizonterweiterung, die ihm entgeht; es tut mir leid, dass er sich nicht für schöne Formulierungen begeistern kann; und ich ahne, dass ihm auch Bücher in anderen Sprachen verschlossen bleiben werden. Wie viel Schönes entgeht ihm, wie viel mehr muss er sich den Umgang mit Sprache selbst erarbeiten – nur weil er nicht liest.

Andererseits: Wieso ist mir sein Interesse fürs Lesen so viel wichtiger als beispielsweise die Fähigkeit, ein Instrument zu spielen? Vielleicht kann ich mir nicht vorstellen, dass er quietschfidel durchs Leben kommt, ohne Bücher zu lesen. Ich sollte mich mit dem Gedanken anfreunden, er ist elf und in dieser Frage sehr entschieden.

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