Ich bin nicht allein

Ein älterer Herr holt sich täglich beim Bäcker in unserer Siedlung sein „Frühstücks-Abo“: eine Zeitung und eine Tüte mit Brötchen. Es liegt immer schon bereit, so dass er blitzschnell fertig ist. Dann steigt er in sein Auto und fährt ab. Ich kenne ihn und begegne ihm manchmal, er wohnt bei uns um die Ecke und werkelt oft in seinem Garten. Es wundert mich, dass er als Rentner diese paar hundert Meter mit dem Auto zurücklegt. Angesichts der Klimadebatte ärgert es mich vielleicht sogar ein wenig: So wird das schwer mit den Klimazielen.

Die Situation erinnert mich an einen Bericht in der ZEIT: Ein Mann in meinem Alter steigt für den Arbeitsweg vom Auto um aufs Rad und schreibt von seinen Erfahrungen. Er ist kaum noch krank und ausgelasteter. Als Radfahrer erlebt er wunderbare Sonnenaufgänge, beobachtet Kraniche im Herbst und Gänse im Frühjahr und erlebt den Stadtalltag intensiver. Nach drei Jahren, verschiedenen Fahrrädern und einem Unfall mit Folgeschäden fährt er weiter (wieder) Rad. Sein Fazit fällt dennoch vernichtend aus: Die Straßen gehörten den Autos, Radfahrer seien lediglich Verkehrshindernisse, schreibt er. Der ADFC irre mit der Annahme, „es brauche bloß bessere Infrastruktur, dann würden auch aus traditionellen Autofahrern begeisterte Radfahrer.“ Denn, schreibt er: „Glaube ich nicht, angesichts der trägen Masse von Menschen …, die sogar samstags mit dem Auto 800 Meter zum Bäcker fahren, um da sechs Brötchen zu kaufen.“

Diese „träge Masse“ erlebe ich auch. Gleichzeitig freue ich mich über gleichgesinnte Radfahrer hier und anderswo: Ich bin nicht allein; andere empfinden ähnlich wie ich.

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