Fahrradtraining…

Es gibt gewisse Grundfertigkeiten im Leben. Das ist sicherlich familienbedingt ein etwas unterschiedlich gearteter Kanon. Für mich sind es Dinge wie sprechen, laufen, schwimmen, Rad fahren, selbständig essen, ehrlich sein, sich entschuldigen können.. Später kommen lesen, schreiben und rechnen dazu, vielleicht noch weitere Sprachen, Naturwissenschaften. Für manche ist die Schule zuständig, für manche die Eltern. (Und natürlich ist dieser Kanon nahezu unendlich erweiterbar – Essmanieren, eine Rolle vorwärts, Leistungsbereitschaft, gedankliche Beweglichkeit: Wir wollen unseren Kindern alles mögliche mit auf den Weg geben, was sie für das Leben ausstatten soll.)

Mittlerweile habe ich fast fünf Kinder durch die Grundschule begleitet und mich jahrelang mit am dort angebotenen Fahrradtraining beteiligt. Darauf verlassen haben wir uns nicht. Unsere Kinder fahren ohnehin viel Fahrrad, das fing im Kindergartenalter an und wurde lange von uns begleitet: Noch heute darf der Jüngste noch nicht überallhin allein hinfahren.

In zwei Wochen ist Fahrradprüfung, heute war das letzte Training. Löblich, dass die Schulen das machen und sich immer wieder Eltern finden, die kleine Schülergruppen begleiten, üben, erklären. Ich habe das immer gern gemacht – Radfahren liegt mir mehr als Basteln. Heute bin ich frustriert, denn: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Grundkompetenz Fahrradfahren kontinuierlich zurückentwickelt. Ich kann es nicht aufhalten, da können wir an der Schule noch so viele Fahrradtrainingstermine einrichten.

Es gibt kaum etwas, was man lernt, wenn man ein paar Mal darüber redet und ein paar Vormittage übt. Radfahren lernt man vor allem oder vielleicht sogar NUR durchs Radfahren. Punktuell hilft nicht, kontinuierlich muss es sein. Zwar wird man das Fahren an sich nicht so leicht wieder verlernen, wenn man es einmal kann; aber dem Straßenverkehr muss man sich regelmäßig aussetzen, sonst bleibt man unsicher, reaktionslahm und ein Verkehrshindernis. Ganz abgesehen davon, dass es gefährlich ist, wenn man als Radfahrer macht, was man will.

Ich gebe zu, dass ich nichts dafür kann, dass ich gern mit dem Rad unterwegs bin und unsere Kinder im Dabeisein lernen mussten, wie das geht. Aber auch wenn ich in unser Auto verliebt wäre oder die Bewegung scheute – ich würde mich um ihretwillen bemühen. So wie ich das Schwimmenlernen ausgelagert habe, weil ich selbst keine Wasserratte bin: Sie mussten alle solange zur DLRG, bis sie sicher schwimmen konnten – bis zum Silberabzeichen.

Wird der gemeinsame Kanon der Grundkompetenzen immer kleiner? Verschiebt er sich weg von manuellen Tätigkeiten hin zu digitalen? Statte ich unsere Kinder mit genau den Fertigkeiten aus, die heutzutage nicht mehr wichtig sind?

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