Die Reichweite eines Feiertages

3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, ein Feiertag. Ein Tag, der zwar vom Datum her noch immer unlogisch erscheint – weniger gewachsen als künstlich geschaffen -, aber trotzdem ein Tag, der Bedeutung für mich hat. Ich bin dankbar dafür, ich weiß nicht nur im Kopf wofür er steht, mein Herz weiß es auch. Ich habe erlebt, wie es vorher war und wie nach dem Fall der Mauer. Ich war Teil der Montagsdemos, habe 1989 gestaunt, geheult, Bananen gegessen und dieses Westberlin erkundet, das schon immer so nah dran war an Ostberlin und doch unerreichbar weit weg.

Für meine Kinder ist der Tag der Deutschen Einheit letztlich schwer vermittelbar. Für sie ist das ohnehin ein Land, dieses Deutschland; dass das mal anders war, wissen sie zwar, aber es ist ein emotionsloses Wissen. Kein Staunen dabei, kaum Dankbarkeit – höchstens für den freien Tag und dass wir abends „zur Feier des Tages“ etwas Besonderes essen.

Das ist schade, aber es ist kaum zu ändern. Ganz schwer nur können sie einen Bezug dazu herstellen. Genauso wie für mich die beiden Weltkriege zwar sachlich schlimm sind, ich aber letztlich nicht – wie meine Eltern und Großeltern – nachvollziehen kann, was Krieg bedeutet. Gefühle sind schwer vermittelbar. Trotzdem ist das Erinnern wichtig. Vielleicht färbt ja die tiefe Freude ihrer Mutter über das vereinigte Deutschland teilweise auf meine Kinder ab. Nur darf diese dann auch in mir nicht vollständig einer alltäglichen Selbstverständlichkeit weichen … oder der Lüge mancher Leute, die in der DDR das menschenfreundlichere Gesellschaftsmodell sehen … oder der Gleichgültigkeit anderer, für die der Osten Deutschlands weiter weg, unbekannter und unattraktiver ist als die Dominikanische Republik.

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