Sonn- und Feiertage

„Ich weiß, man soll den Feiertag heiligen, aber der Karfreitag eignete sich so gut, ein Kinderzimmer zu streichen“, erzählt mir ein Freund am Telefon. Das gemeinsame Projekt mit schönem Ergebnis habe ihnen allen gut getan. Das glaube ich sofort: Es ist schön, wenn man zusammen etwas schafft. Trotzdem ist es eine gute Einrichtung, manchmal frei zu machen und keine Arbeit zu verrichten.

Freie Tage eignen sich wie von selbst dazu, eigene Werke zu erschaffen und wertzuschätzen – und wenn es ein frisch gestrichenes Kinderzimmer ist. Schwerer fällt es uns, wahrzunehmen und zu feiern, was Gott schafft – wir müssen das bewusst einplanen. Sonn- und Feiertage helfen uns, regelmäßig Arbeit gegen Ruhe einzutauschen. Wie wir diese Pausen nutzen, bleibt dann noch immer uns überlassen. Niemand, auch nicht Gott, zwingt uns, diese freien Tage bewusst mit Gebet und Besinnung zu verbringen. Aber wichtig kann es sein: Wenn wir andauernd selbst schaffen, vergessen wir leicht, dass Gott hinter allem steht – auch hinter unserer Schaffenskraft. Von diesem Irrglauben kann uns ein projektfreier Feiertag wunderbar heilen.

Feiertag

Dieses Jahr spüren nicht viele, dass heute ein Feiertag ist – samstags haben die meisten ohnehin frei. Außerdem merkt man in unserer niedersächsischen Kleinstadt kaum, was und warum wir feiern: Hier scheint es egal zu sein, dass Deutschland seit 30 Jahren kein geteiltes Land mehr ist.

Für unsere Familie stimmt das nicht. Denn unsere Ehe wurde erst durch den Mauerfall möglich: Ich bin von „drüben“ und war dabei, als die Grenzen geöffnet wurden. Vor dem 9. November erlebte ich den Frust und die Demonstrationen, danach die Euphorie und den Beginn einer neuen gesamtdeutschen Realität.

All das kann ich unseren Kindern erzählen und dazu meine persönlichen Ost-Erfahrungen. Trotzdem bleibt der Mauerfall für sie ein geschichtliches Ereignis und die deutsche Einheit eine schlichte Tatsache: Sie staunen nicht darüber und bleiben emotional unberührt. Auch ihnen scheint es egal zu sein, dass Deutschland seit 30 Jahren kein geteiltes Land mehr ist.

Vielleicht ist das immer so mit der Vergangenheit, die wir nur vom Hörensagen kennen. Umso wichtiger ist die regelmäßige Erinnerung. Ein Feiertag ist eine gute Möglichkeit. Allerdings sollten wir ihn nicht gedankenlos verstreichen lassen, sondern daran denken, warum es ihn gibt: Deutschland ist seit 30 Jahren kein geteiltes Land mehr.

Die Reichweite eines Feiertages

3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, ein Feiertag. Ein Tag, der zwar vom Datum her noch immer unlogisch erscheint – weniger gewachsen als künstlich geschaffen -, aber trotzdem ein Tag, der Bedeutung für mich hat. Ich bin dankbar dafür, ich weiß nicht nur im Kopf wofür er steht, mein Herz weiß es auch. Ich habe erlebt, wie es vorher war und wie nach dem Fall der Mauer. Ich war Teil der Montagsdemos, habe 1989 gestaunt, geheult, Bananen gegessen und dieses Westberlin erkundet, das schon immer so nah dran war an Ostberlin und doch unerreichbar weit weg.

Für meine Kinder ist der Tag der Deutschen Einheit letztlich schwer vermittelbar. Für sie ist das ohnehin ein Land, dieses Deutschland; dass das mal anders war, wissen sie zwar, aber es ist ein emotionsloses Wissen. Kein Staunen dabei, kaum Dankbarkeit – höchstens für den freien Tag und dass wir abends „zur Feier des Tages“ etwas Besonderes essen.

Das ist schade, aber es ist kaum zu ändern. Ganz schwer nur können sie einen Bezug dazu herstellen. Genauso wie für mich die beiden Weltkriege zwar sachlich schlimm sind, ich aber letztlich nicht – wie meine Eltern und Großeltern – nachvollziehen kann, was Krieg bedeutet. Gefühle sind schwer vermittelbar. Trotzdem ist das Erinnern wichtig. Vielleicht färbt ja die tiefe Freude ihrer Mutter über das vereinigte Deutschland teilweise auf meine Kinder ab. Nur darf diese dann auch in mir nicht vollständig einer alltäglichen Selbstverständlichkeit weichen … oder der Lüge mancher Leute, die in der DDR das menschenfreundlichere Gesellschaftsmodell sehen … oder der Gleichgültigkeit anderer, für die der Osten Deutschlands weiter weg, unbekannter und unattraktiver ist als die Dominikanische Republik.