Nicht günstig genug?

Vor einiger Zeit las ich in der Zeitung einen Kommentar zu den momentan laufenden Bauernprotesten. In einem Leserbrief schrieb ein Mann: „Solange in unserem wohlhabenden, hoch technologisierten Land auch nur ein Mensch zu den Tafeln gehen muss, um sein natürliches und garantiertes Recht auf Nahrung zu decken, können Nahrungsmittel gar nicht günstig genug sein.“

Ich glaube, diese Kausalkette stimmt so nicht:

Man kann in unserem Land für vergleichsweise wenig Geld Nahrungsmittel kaufen – vor allem die, die wir hierzulande erzeugen. Zusätzlich gibt es teurere Lebensmittel. Das gesamte Sortiment – egal ob günstig oder nicht – ist im Überfluss vorhanden: Kurz bevor die Läden schließen, sind die Regale voll.

Die Menge ist der Grund dafür, dass wir viel „entsorgen“ müssen und nachlässig beziehungsweise wählerisch mit Lebensmitteln umgehen: Es gibt Menschen, die sich sklavisch an die Verfallsdaten halten, nur gleich große Äpfel ohne Druckstelle kaufen und erwarten, dass am Samstagabend die Auslagen so voll sind wie am Montagmorgen.

Die Menge – und nicht der Preis – ist auch der Grund dafür, dass bei den Tafeln verteilt wird, was nicht mehr verkauft werden kann oder darf – egal wie teuer es ursprünglich war. Es ist großartig, dass Menschen sich dort abholen können, was sie brauchen.

Noch günstigere Lebensmittel dagegen kann es nur geben, wenn wir noch stärker eingreifen in den Kreislauf von Agrargütern, heimischen Erzeugern und Konsumenten. Dieser ist ohnehin schon aus der Balance: Was bleibt sind Überschüsse. Diese können wir entweder entsorgen – oder über so eine großartige Einrichtung wie die Tafeln verteilen an Menschen, die sie brauchen.

Nur begrenzt sprachbegabt

Vor fast 30 Jahren belegte ich an der Uni ein halbes Jahr Französisch und Spanisch. Ein halbes Jahr ist zu kurz für eine Sprache, ich war damals nur halb bei der Sache – und folgerichtig habe ich inzwischen mehr oder weniger alles wieder vergessen. Gestern kam meine Tochter mit einer Französisch-Arbeit nach Hause, die mich staunen ließ, was sie nach einem halben Jahr schon kann. „Könntest du den Text etwa nicht verstehen?“, fragte sie mich. Ich versuchte es – und siehe da: Es war gar nicht so schwer: Ich konnte wirklich fast alles übersetzen. Wir staunten beide.

Ich schob es auf meine ganz passablen Englischkenntnisse und auf die schier nicht mehr zählbaren Stunden, in denen ich Latein-Vokabeln abgefragt habe: Insgeheim war ich ganz begeistert, wie viel Französisch „ich konnte“. Diese Begeisterung verleitete mich zu der anmaßenden Äußerung, die alles Können relativierte: „I am good at France … äh French.“ Staunen vorbei, großes Gelächter.

Richtig doof? Nicht so schlimm!

Noch immer ist meine Waschmaschine kaputt und ich kann keine Wäsche waschen. Ich vermisse die Beschäftigung mit zu reinigenden Kleidungsstücken nicht, sondern gestalte meine Zeit anders. Heute Nachmittag kommt ein Monteur und wird die Maschine ziemlich sicher wieder reparieren. Dann kann und muss ich wieder waschen. Noch ein paar Stunden genieße ich die freie Zeit, die durch eine – vorübergehend! – nicht funktionierende Waschmaschine entsteht.

Die Vorstellung eines Lebens ganz ohne Waschmaschine ist „richtig doof“; kurzzeitiges Nicht-Waschen-Können dagegen ist „nicht so schlimm“ – vielleicht sogar „ganz schön“.

Nicht so schlimm? Richtig doof!

In der Zeitung stand, es solle ein Notfall-Kochbuch herausgebracht werden – mit Rezepten für den Ernstfall, wenn zum Beispiel der Strom ausfällt. Was für die Generation meiner Omas lange Standard war – kein Kühlschrank, Vorräte im Keller, Herd zum Anfeuern -, löst heutzutage offenbar bei manchem Schnappatmung aus. Ich fände das nicht so schlimm: Den ersten Tag würden wir (kalorienreich) mit den ohnehin auftauenden Eis-Vorräten aus dem Tiefkühlschrank überbrücken. Danach gäbe es (modern und kalorienarm) nur Rohkost. Dann wäre der Strom hoffentlich wieder da – oder ich besorge mir besagtes Notfall-Kochbuch.

Kein Geschirrspüler wäre für mich ebenfalls nicht so schlimm: Den Fall hatte ich auch ohne Stromausfall schon einmal. Es war lästig, aber nicht dramatisch.

Eine nicht funktionierende Waschmaschine dagegen ist eine andere Geschichte. Heute ist Tag zwei: Wir haben genug zum Anziehen, das ist nicht das Problem. Aber die Wäscheberge wachsen unaufhaltsam. Ich mag nicht einmal darüber nachdenken, alles mit der Hand zu waschen! Diese greifbare Erinnerung an den Alltag meiner Omas ersetzt mein Grundgefühl von „nicht so schlimm“ durch „richtig doof“.

Prinzip ausgehebelt

In manchem arbeite ich nach dem Belohnungsprinzip:

Ich ziehe von mir besonders geschätzte Klamotten nicht sehr häufig, sondern eher selten an – und spare sie mir auf für besondere Gelegenheiten. Eine Tochter schnappt sich mit schlafwandlerischer Sicherheit genau diese Kleidungsstücke, wenn sie sich (zwischendurch) an meinem Schrank bedient. Sie sieht gut darin aus …

Ich schäle von den Kartoffeln erst die ganzen kleinen – und freue mich dann auf die Gelegenheit, wenn nur noch große Kartoffeln da sind und das Schälen nicht 15, sondern fünf Minuten dauert. Die andere Tochter nahm letztens das Messer, als ich ans Telefon musste. Sie wählte die wenigen großen Kartoffeln aus, die da waren – und war schnell fertig …

Laufen und Wind

Wenn es nicht junge Hunde regnet oder eisglatt ist, die Luft vor Hitze steht oder wir krank sind, gehen wir dienstags laufen – und donnerstags und einmal am Wochenende. Wir sind nicht dogmatisch, aber für regelmäßigen Sport ist eine gewisse zeitliche Struktur hilfreich. Vorgestern war Dienstag; es regnete nicht, nur die Ausläufer vom Sturmtief Sabine wehten noch über den Landkreis. Als wir uns also – vom böigen Gegenwind fast zum Stillstand ausgebremst – über unsere gewohnte Laufstrecke kämpften, gaben wir sicherlich ein komisches Bild ab. Mein Mann sprach`s aus: „Bei diesem Wetter jagen andere nicht einmal ihren Hund vor die Tür.“

Ich musste schmunzeln, konnte aber nicht antworten – dazu reichte meine Atemluft nicht. In Gedanken stimmte ich ihm zu: Wer uns sieht, denkt auch, wir hätten nicht alle Latten am Zaun, nicht alle Tassen im Schrank – oder nicht alle Flügel am Windrad. Mir fiel Frederick Buechners leicht spöttischer Kommentar zu Läufern ein: „Wenn du nicht von ihnen selbst wüsstest, dass sie beim Laufen Glücksgefühle verspüren – in ihren vom Schmerz verzerrten, leicht gequälten Gesichtern würdest du es nicht sehen.“ (Frederick Buechner, Whistling in the Dark, frei übersetzt) Es mag anders aussehen, aber wir laufen freiwillig und wirklich gern.

Nur ein Auto

Ein Freund meines Sohnes hat zu seinem 18. Geburtstag ein nagelneues Auto geschenkt bekommen. Damit kann er jetzt zur Schule fahren, wenn es zu kalt ist oder nieselt und auch, wenn er einfach nur keine Lust zum Radfahren hat. Mein Sohn findet das großartig, in mir löst dieses Geschenk eine gewisse Resignation aus und ich sage: „Da können wir nicht mithalten.“ „Stimmt nicht“, sagt mein Sohn, „da wollt ihr nicht mithalten, ihr könntet schon.“

Wahrscheinlich hat er recht: Wir könnten ihm ein Auto kaufen; aber stattdessen legen wir Geld zurück für seine Ausbildung und die seiner vier Geschwister. Auch wenn wir das Geld dafür nicht bräuchten, würden wir es nicht in ein Sohn-Auto stecken. Wir finden, dass ein 18-Jähriger, der zu Hause wohnt und in die Schule geht, kein Auto braucht und dass ein derartiges Geschenk eher „gut gemeint“ ist als „gut“.

So wird das schwierig mit Klima und Nachhaltigkeit, mit einem bewussten Umgang mit Ressourcen oder einem geringeren CO2-Ausstoß. Abgesehen davon zählt ein Auto in meinen Augen nicht zur klügsten Investition anlässlich der Volljährigkeit: Ist nicht auch Verzicht wichtig und die Erfahrung, dass ich mich für Träume anstrengen muss? Worauf freue ich mich noch, wenn das Besondere immer selbstverständlicher wird? Wenn ich mit diesen Argumenten komme, schüttelt mein Sohn jedoch den Kopf. Er will nicht verantwortlich sein für die gesamte Klima-Misere und auch nicht an den Werten seiner Eltern gemessen werden. Es handelt sich „nur um ein neues Auto“ – und wir nutzen das Teil gleich wieder zum Belehren, Erziehen und zur Charakterbildung.

Luft und Wind

Es stürmt in ganz Deutschland, auch bei uns. Heute auf dem Weg zum Bäcker und zur Post kam der Wind sowohl hin als auch zurück von vorn – und noch dazu in Böen. Ich war nicht lange unterwegs, der Gegenwind störte mich nicht wirklich. Aber: Je nachdem, wie mein Gesicht im Wind „stand“, blieb mir zeitweise fast die Luft weg.

Ich gehe davon aus, dass sich die vorhandene Luftmenge nicht vermehrt oder verringert. Wind beschleunigt nur das, was da ist. Wenn kein Wind weht, steht die Luft still – atmen ist einfach und selbstverständlich. Rückenwind ist angenehm und willkommen; Gegenwind strengt an und stört uns – wir geraten außer Puste. Wie sehr wir die (stille) Luft brauchen, merken wir erst, wenn der Wind heftig und von überall kommt – und uns den Atem nimmt.

Genug Mut?

Grundsätzlich hätte ich gern mehr Mut.
In manchen Situationen fehlt mir eher Lang-Mut.
Gut gebrauchen könnte ich Sanft-Mut – anderen und mir selbst gegenüber.
Es mangelt mir an De-Mut, aber ich bin stolz auf das, was da ist.
Nur Hoch-Mut habe ich mehr als ausreichend.
Oh je!

PS: Den Über-Mut meines Sohnes bewundere und fürchte ich zugleich.

Alles relativ

Beim Einkaufen begegne ich einer älteren Dame aus der Nachbarschaft, die meinen abgenutzten Anhänger betrachtet und sagt: „Der ist ja praktisch fürs Einkaufen.“ Ich nicke und antworte, dass ich so nur selten das Auto zum Einkaufen bemühen müsse. Sie zeigt auf ihre Satteltaschen und erklärt: „Ich nehme nie das Auto. Wenn ich meine Einkäufe ordentlich verstaue, passt ein Großeinkauf hinein.“

Ich muss schmunzeln. Es stimmt, eine Satteltasche ist erstaunlich groß. Ich bin selbst manchmal überrascht, wie viel ich darin verstauen kann. Aber ein Großeinkauf? Niemals.

Ihr Großeinkauf und mein Großeinkauf sind sicherlich grundverschieden – vor allem hinsichtlich der Größe. Der Begriff Großeinkauf allein ist nicht aussagekräftig genug; auch sehr wichtig sind die variablen Faktoren „für wie viele“ und „für wie lange“. Es ist eben alles relativ.