Nichts klappt – macht nichts!

Ich komme mit einer Bestellung nicht zurecht; das Wasser im Keller lässt sich von mir nicht hindern, sich auszubreiten, und hier zu Haus scheint niemand mich zu brauchen. Dass andere Menschen buchstäblich nicht in Frieden leben können, tröstet mich nur auf der sachlichen Ebene. Also gehe ich spazieren und komme doch nicht zur Ruhe: nichts klappt – in diesem Tag steckt irgendwie ein Wurm. 

Aber dann ruft eine Freundin an, die gerade mit dem Selbstmord eines Angehörigen konfrontiert ist. Bei mir ist alles noch genauso wie vorher – und doch bin ich ganz anders drauf: Die wichtigen Dinge in meinem Leben sind wunderbar und machen mich dankbar; wenn manches Unwichtige nicht klappt, macht das gar nichts!

Müheloses Spicken

„Die kann man nur mit Spicken bestehen.“ Der Kommilitone meines Sohnes redet von einer Religionsklausur an der Uni. Der Satz stimmt nicht, natürlich – sich eifrig zu bemühen (studere) wäre auch eine Option. Aber viele der Studenten versuchen es offenbar gar nicht erst auf die ehrliche Tour: Wer all seine Lernzettel auf dem (unerlaubt eingeschalteten) Smartphone zu Rate ziehen kann, muss das nötige Wissen nicht im Kopf haben.

Darüber kann so mancher vielleicht schmunzeln und diese Art von Betrug als normal und gewieft bezeichnen. Ich bin eher erschrocken als amüsiert: Schließlich handelt es sich bei den Studenten um angehende Lehrer. Deren Beruf(ung) wird es später sein, jungen Menschen Wissen zu vermitteln – selbst wenn man im Internet alles nachschlagen kann. Zweitens war besagte Klausur eine aus dem Fach Religion, Bibelkunde Altes Testament. Zum Stoff gehört unter anderem, wo genau die zehn Gebote stehen – und welches von ihnen `Du sollst nicht lügen´ lautet. Die Heuchelei fällt aber vielleicht nur mir auf. Spicken sollte verhindert oder bestraft werden, finde ich; es ist ähnlich unethisch wie Doping im Sport: in sich unehrlich und außerdem unfair denen gegenüber, die wirklich studiert und sich bemüht haben. 

Fehlersuche

Fehler stören, bringen durcheinander, verhindern einen reibungslosen Ablauf und sollten behoben werden. Manchmal ist das nicht so einfach, weil man nicht weiß, wo der Fehler liegt. Die Fehlersuche kann nervig sein.

Mir dagegen gefällt es, Fehler zu suchen: Rechtschreibfehler. Ich finde sie gut – fast alle.

Alles Mögliche – mehr oder weniger spontan

Auch ohne Beruf waren meine Tage bisher abwechslungsreich gefüllt: Ich habe alles Mögliche geschafft – manches davon sehr spontan.

Neuerdings sind meine Vormittage belegt durch Arbeit außer Haus; die frei verfügbare Zeit fängt erst nach dem Mittag an. Mein bisheriger, bewährter Rhythmus ist dadurch aus dem gewohnten Gleichgewicht: Weil ich aber ein grundsätzlich disziplinierter Mensch bin, passt noch immer alles Mögliche in meine Tage. Ich muss es nur vorab besser planen – spontan ist schwieriger geworden.

Das wird mindestens sechs Wochen so bleiben: So lange dauert es, um sich an etwas Neues zu gewöhnen. Ich hoffe, dass einiges von allem Möglichen sich dann wieder spontan ergibt.

Privatsache

Ich begegne immer wieder Menschen, die in der Stadt herumstehen – scheinbar ohne Zweck und Ziel. Und dann, plötzlich, vollkommen unvermittelt, fangen sie an zu reden, als wären sie mitten im Gespräch. Sie sind es auch, denn sie telefonieren (mit Knopf im Ohr). Was um sie herum passiert und wer ihnen zuhört: vollkommen egal.

Ich bin nicht interessiert an den Telefongesprächen wildfremder Personen – besonders wenn ich nur die Hälfte mitbekomme! `Hallo?´, denke ich, `Geht´s noch? Kannst du deine privaten Telefongespräche bitte etwas diskreter führen?´ Das wiederum interessiert diese Leute nicht. Also werde ich Zeuge, bin höflich und still und versuche, die Privatsachen anderer trotzdem nicht mitzubekommen. 

Wer den Schaden hat …

Gleich am Anfang meiner Laufrunde geht es durch ein kleines Wäldchen. Auch Spaziergänger mit Hund nutzen diesen kleinen Trampelpfad, um die Feldwege zu erreichen. Entsprechend halte ich hier besonders die Augen offen, um eventuellen Hunde-Hinterlassenschaften auszuweichen. Trotz meiner erhöhten Aufmerksamkeit stolperte ich gestern über eine Wurzel. Zwei weitere Schritte hielt ich mich noch aufrecht, danach war ein Sturz nicht mehr zu vermeiden. „Bloß nicht in die Hundesch…“, schoss es mir durch den Kopf, da lag ich schon – zum Glück in jeder Hinsicht unversehrt. Ich stand schnell wieder auf und schaute mich um: kein Zeuge weit und breit.

Heute erzählte ich meiner Tochter davon, die sofort in (vollkommen unangemessenes) schallendes Gelächter ausbrach – auch ohne Hundehaufen. Wer den Schaden hat …

Mal eben

Unsere Abschlussleiste in der Küche hat ihre besten Zeiten hinter sich; mein Mann kauft eine neue. Am Samstagnachmittag wollen wir sie anbauen – mal eben. Die nächsten zwei Stunden konfrontieren uns mit einem Sammelsurium an Unzulänglichkeit: eine mehr oder weniger stumpfe Säge, Schrauben, die nicht richtig greifen, die Akkuschrauber-Bits passen nicht 100-prozentig. Zudem liegt die Arbeitsplatte zum Teil nicht nah genug an der Wand (weil diese alt, krumm und schief ist). Glücklicherweise schneiden wir korrekt zurecht und planen auch die Eck- und Verbindungs-Blendstücke in unsere Berechnungen mit ein. Das Endergebnis sieht gut aus; die vielen stillen und lauten Seufzer vergessen wir bis zum nächsten Verschönerungsprojekt hoffentlich wieder. Im Moment ist ein Gedanke präsent: `Mal eben´ dauert meistens länger, als man vorher denkt und sich wünscht, und ein erfolgreicher Abschluss fällt einem nicht in den Schoß.

Tatsächlich ergebnisoffen

Das Ideal jeder Verhandlung, jedes Streits, ist, wenn wir tatsächlich bemüht sind, dass jeder der Beteiligten zu Wort kommt und jedermanns Sicht der Dinge gleichermaßen geschätzt wird. Tatsächlich erfordert es aber Größe und ist schwierig, vorher nicht zu wissen, wo wir enden – also ergebnisoffen zu diskutieren.

Das Normale bei jeder Verhandlung, jedem Streit, ist es, wenn wir sehr bemüht sind, unsere eigene Sicht der Dinge möglichst so überzeugend darzulegen, dass diese am meisten geschätzt wird. Tatsächlich fällt es uns nämlich leichter, vorher genau zu wissen, wo wir enden – also nicht ergebnisoffen zu diskutieren.

Sportlich?

Ich unterhalte mich mit einer schwangeren jungen Frau. Sie ist im vierten oder fünften Monat; schon jetzt hänge sie viel rum, sagt sie. Ich schlage ihr vor, doch Rad zu fahren – denn bei mir war das bis direkt zur Geburt das Fortbewegungsmittel meiner Wahl. „Oh, nein“, antwortet sie, „so sportlich bin ich nicht.“ Ich bin sprachlos: Sportlich? Rad fahren? Du musst nicht sportlich sein, um Rad fahren zu können, würde ich ihr am liebsten sagen, aber ich weiß nicht, ob das besonders verständnisvoll wäre.

Ich wüsste gar nicht, was ich täte ohne mein Rad. Es ist mir wichtiger und ich verbringe mehr Zeit damit als mit und in unserem Auto. Ich hoffe, das bleibt auch dann so, wenn ich für wirklichen Sport nicht mehr sportlich genug bin.

Noch immer und doch anders

Ich erinnere mich genau: Mit Anfang 20 war ich wahrscheinlich genauso `öko´ wie heute, definierte mich aber stärker über mein ökologisches Bewusstsein: Rad fahren, vegetarisch essen, auf Märkten und Höfen einkaufen, ein entsprechender Kleidungsstil, inklusive besonderer Sandalen – mit Korkfußbett und Leder-Riemen, teuer, aber ihr Geld wert. Sie passten zu mir: qualitativ hochwertig, langlebig, weniger schick als viel mehr ein Öko-Statement.

Im Laufe der letzten immerhin 30 Jahre ließ ich die Sohlen erneuern, ersetzte das ganze Paar (mehrmals), kaufte mir ein zweites (und später drittes). Ich blieb der Marke treu – nicht ohne Grund: Die Schuhe sind noch immer qualitativ hochwertig, langlebig und teuer, wahrscheinlich auch noch immer ihr Geld wert. Nur eins ist anders: Heutzutage gelten sie eher als schick, denn als Öko-Statement.