Ausreichend wunderbar

Wir kaufen Dinge, die wir brauchen: Kleidung, Möbel, Geschirr. Außerdem kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen: Kleidung, Möbel, Geschirr. Wir benutzen kaum noch etwas, bis es auseinander fällt. Stattdessen tauschen wir Dinge, die funktionieren, gegen andere Dinge, die ebenso funktionieren, aber vielleicht ein bisschen besser aussehen oder bequemer sind. Meine Freunde hier in Australien sind der Beweis, dass es auch anders geht, ohne dass einem irgendetwas fehlt. Der Tisch ist alt und abgewetzt – aber man kann wunderbar daran sitzen und gemeinsam essen. Die Küchenmaschine ist das Vorvorvorvor-Vorgänger-Modell der heute üblichen – aber mit ihr lässt sich wunderbar Kuchenteig anrühren (oder sonstiges). Töpfe, Tassen, Teller, Schüsseln und Besteck sind ein Sammelsurium aus den letzten 50 Jahren, manches passt zu einander, manches nicht. Das Essen schmeckt trotzdem wunderbar. Auf den alten Sesseln liegen Überwürfe, aber sie sind wunderbar bequem … Mich überzeugt die Ausstattung hier: ein offensichtliches Zeugnis davon, nicht mit dem Strom der (Konsum-)Zeit schwimmen zu müssen. Ich erinnere mich an den genügsamen Lebensstil meiner Omas, kenne aber kaum jemanden in Deutschland, der heute noch so lebt.

Natürlich setzen wir unterschiedliche Schwerpunkte, was völlig in Ordnung ist. Ein gewisser `shabby look´ ist nichts für jedermann. Es tut aber sicherlich gut, unser Konsumverhalten zu reflektieren – und uns zu fragen, was wir warum unbedingt besitzen wollen. Falls ich irgendwann einmal andere damit beeindrucken möchte, wie zeitgemäß ich ausgestattet bin, möchte ich daran denken, dass Altbewährtes auch wunderbar sein kann.

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