Diese Weisheit stimmt nicht immer. Wenn uns bestimmte Themen Mühe machen, ist es keine gute Lösung, dem Gespräch darüber ganz aus dem Weg zu gehen. Konflikte verschwinden nicht, wenn man sie meidet – und Wut, Enttäuschung und Verletzungen ebensowenig.
„Hört auf zu streiten“, ruft eine Tochter während einer Meinungsverschiedenheit zwischen meinem Mann und mir. „Doch, wir müssen uns streiten“, antworte ich, „ohne Streit funktioniert eine Beziehung nicht. Es wäre gut, du würdest das früh lernen.“ Sie schaut mich skeptisch an. Ich schiebe hinterher: „Wir sind vielleicht kein gutes Beispiel für „gutes Streiten“, aber wir bemühen uns wenigstens.“
Einige Tage später streite ich mich mit der anderen Tochter. Es geht um eine Nichtigkeit – aus meiner Sicht zumindest. Sie fragt, ich antworte abschlägig, sie reagiert pampig, ich werde wütend, sie geht und Schluss. Ein paar Stunden gehen wir uns aus dem Weg und schweigen über die Sache, aber zwischen uns schreit es nach Klärung. Beim Abendbrot sitzen wir uns gegenüber und vermeiden den Blickkontakt. Kurz bevor wir aufstehen, schaue ich sie an und entschuldige mich: „Es tut mir leid, dass ich wütend reagiert habe. Mein `Nein´ schmeckt dir nicht, aber ich bleibe dabei. Ich habe dich lieb, auch wenn sich das nicht so anfühlt für dich.“ Sie lächelt mich an und antwortet: „Mir tut`s auch leid, dass ich so pampig war. Mit deinem `Nein´ kann ich leben. Hab` dich auch lieb.“
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? Stimmt nicht immer!