Fragile Leichtigkeit

Ich starte mit allerlei guten Vorsätzen in die neue Arbeitswoche:
zuversichtliche Entschlossenheit, mein Bestes zu geben,
grundsätzliche Offenheit den Menschen gegenüber, mit denen ich es zu tun haben werde,
kreative Ideen für die Aufgaben, die vor mir liegen – ob ich sie schon kenne oder nicht.
Ich fühle mich so, als wäre in den nächsten Tagen buchstäblich alles möglich – und ich würde den Grundstein legen für eine großartige Zukunft.

Die ersten beiden Stunden geht alles gut: Ich bin fleißig, freundlich und einfallsreich. Dann ergibt sich ein unerquickliches Gespräch; ich bin teilweise Zeuge, teilweise selbst involviert. Viele meiner Vorschläge werden diskutiert, kritisiert und als eher ungeeignet bewertet – ohne konstruktive Alternative. 

Anschließend fällt es mir schwer, wieder in Gang zu kommen: Die schwungvolle Leichtigkeit des Morgens hat einen erheblichen Dämpfer erfahren; ich fühle mich ausgebremst. Ich hoffe, der Nachmittag reicht aus, mich für die nächsten Tage wieder neu zu motivieren – so, als wäre buchstäblich alles möglich. 

Auf jeden Fall gut trainiert

Zwei Kinder sind krank: Gliederschmerzen, festsitzender Husten, nächtliche Schwitzattacken, allgemeine Schlappheit. Ich empfehle das Übliche – viel trinken, ausreichend Schlaf, Vitamine. Trotz aller Bemühungen dauert es lange, bis es aufwärts geht; es scheint sich um einen hartnäckigen Infekt zu handeln. Ich halte mich nicht bewusst fern von ihnen und stecke mich trotzdem nicht an. Das hat wohl mit meinem gut trainierten Immunsystem zu tun, denke ich – und bin fast ein bisschen stolz darauf. Leider ist es erfahrungsgemäß so, dass ich einfach erst dann selbst krank werde, wenn alle anderen wieder gesund sind. Und das hat wohl eher mit meinem gut trainierten Muttersein zu tun. Mal sehen also, wie sich unser Krankenstand in den nächsten Tagen weiterentwickelt.

Arbeit als Chance – Gott zu erleben

Meine Arbeit im Büro ist neu, ungewohnt und nicht nur wunderbar: Ich bekomme als Berufstätige ebenso das ganze Paket wie als Nicht-Berufstätige –  die Pralinen ebenso wie die Kröten. In welcher Gestalt letztere daherkommen, ist dabei völlig nebensächlich; entscheidend ist, wie ich damit umgehe. Fühle ich mich in erster Linie überfordert, weil ich meine bisherige Komfortzone verlassen muss? Oder sehe ich in erster Linie die Chance, mich in jeder Hinsicht weiterzuentwickeln, weil sich meine Komfortzone erweitern wird? Es könnte eine Frage der Einstellung sein, die Gott mir schenken möchte: „Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ (Prediger 3, 13)

Ich bin dankbar, dass ich in dieser besonderen Phase meines Lebens sicher sein kann, dass Gott einen Plan hat für mein Leben – auch wenn ich diesen nicht im Detail kenne. Da ist nichts `aus Versehen´, alle meine Umstände kann Gott benutzen, um mir zu begegnen und mich in dieser Welt zu benutzen: Was daraus wird, liegt weder in meiner Hand noch ist es meine Verantwortung. Gott ist derjenige, der mein Leben im Griff hat, gestaltet und ihm Sinn gibt. Das ist tröstlich und ermutigend – und macht mich gewiss: dass die neue Situation sein Plan für mich ist und er mich mit genau dem ausstattet, was ich dafür brauchen werde: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehrt, was dir hilft, und dich leitet auf dem Wege, den du gehst.“ (Jesaja 48, 17)

Kein Märchen

Es war einmal ein Mensch, der lebte in meiner Stadt. Er war nicht besonders umgänglich – den weichen Kern verbarg eine harte, abweisende Schale. Er war auch sehr allein; in seinem Leben gab es keine Familie und nur wenige Bekannte. Bei unseren Begegnungen wurde mir bewusst, wie ungleich Menschen im Leben zurechtkommen – aufgrund sehr unterschiedlicher Startbedingungen. Ab und zu sahen wir uns, dann zog er einige hundert Kilometer weg, in den Südosten der Republik. Wir blieben in Kontakt: Auf jeden Brief von mir schrieb er ein paar dankbare Zeilen per Mail. Ein paar Jahre hatte er einen Hund; außerdem besuchter er eine ältere Dame in seiner Nachbarschaft, bis diese ins Heim umzog.

Im letzten Jahr erwähnte er ein paar Mal, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gehe und er kaum noch aus der Wohnung komme – dann kam plötzlich nichts mehr. Seither misslingt jeder Versuch, ihn zu kontaktieren; Briefe bleiben unbeantwortet, Mails kommen als `unzustellbar´ zurück. Wahrscheinlich ist er verstorben; ich hoffe, er war am Ende nicht so allein, wie sein Leben es vermuten ließ. Ich weiß, dass andere ihn als verletzend und herablassend wahrnahmen. Mir bleibt er ganz anders in Erinnerung: als jemand, der treu war, genügsam und sehr dankbar für freundliches Interesse.

Jedes Mal überraschend

Bei uns in der Nähe wohnt ein Hund, der meiner Meinung nach zu selten vor die Gartentür darf und deshalb jedes Mal neidisch ist, wenn ich vorbei spaziere. Hinter dem blickdichten Zaun ist er gut versteckt; nur an einer Stelle kann er sich aufrichten und ÜBER den Zaun schauen – und kläfft dann jedes Mal sofort laut los. Ich kenne das schon und gehe jedes Mal mit Abstand und entsprechend wachsam dort entlang. Und doch schafft der Hund es (fast) jedes Mal, mich doch zu erschrecken. Vorhersehbar reicht bei mir irgendwie nicht.

Nicht einfach, sondern hin und her

Wir versuchen, es zu vermeiden, aber manchmal tun wir es doch: etwas übers Internet kaufen. Meist behalten wir nicht alles, was wir bestellen, sondern machen eine Rücksendung fertig. Oft läuft das unkompliziert, manchmal nicht. Ich habe ich grundsätzlich nichts dagegen, wenn ich die Kosten für die Retoure selbst tragen muss: Die Hin- und Her-Schickerei ist weder nachhaltig noch optimal, sie darf extra kosten; extra kompliziert muss sie nicht sein.

Vor zweieinhalb Wochen startete ich einen solchen `Ich schicke etwas zurück und zahle selbst´-Prozess. Zunächst hörte ich nichts und wartete ab. Vor vier Tagen schilderte ich in einer Erinnerungsmail mein Problem und schloss mit der Frage, wie lange die Rückerstattung wohl noch dauern werde. Darauf erhielt ich sofort eine automatisch generierte Antwort: Mail erhalten, sie würden sich um mein Anliegen kümmern und demnächst melden. Heute, also vier Tage später, traf eine weitere Mail ein: Ob ich mit meinem Produkt zufrieden sei und vielleicht ein Foto (in Gebrauch) machen könne.

Ich bin einigermaßen verwirrt und denke: Nein, kann ich nicht, das Produkt ist nämlich schon seit zweieinhalb Wochen nicht mehr bei mir, sondern wahrscheinlich längst wieder bei Ihnen – weshalb ich gern mein Geld zurückbekäme. Leider nutzt es nichts, wenn ich das denke. Wahrscheinlich nutzt es auch nichts, wenn ich in einer zweiten Mail mein Anliegen und Problem noch einmal schildern werde. Ich tue es trotzdem. Sofort erhalte ich eine automatisch generierte Antwort: Mail erhalten, sie würden sich kümmern und demnächst …

Ich stecke fest in einer Hin- und Her-Mailschleife und weiß nicht, wie ich da wieder rauskomme!

Gegen den Strom

Wer sich eine Weile gegen den Strom der Masse stemmt, muss nicht so weit zurückrudern, wenn sich herausstellt, dass die Masse auf einem Irrweg war … 

Hier und Jetzt

Ich habe keine Ahnung, was morgen passiert. Ich kann nur heute so leben, wie Gott es von mir will – falls ich das denn weiß. Wenn ich seinen Ruf verspüre, möchte ich dem folgen. Gott muss und wird mir nicht offenbaren, was genau er mit meinem Leben vorhat: ob ich erfolgreich bin in meiner Arbeit oder meinen Kindern eine gute Gesprächspartnerin, es meiner Freundin nutzt, dass ich ihr zuhöre, mein Mann sich auf mich verlassen kann … Aber ich kann im Hier und Jetzt mein Bestes geben und versuchen, so zu leben, wie ich vermute, dass Jesus es auch tun würde.

Die Krux mit dem Vergleichen

Auf meiner Laufrunde komme ich bei einer Bekannten vorbei; sie werkelt gerade in ihrem Garten herum. Es ist warm genug, so dass ich einen kleinen Zwischenstopp mit Plausch einlegen kann. Wir reden über dies und das. Ich hätte sie vor einiger Zeit motiviert, wieder regelmäßig laufen zu gehen, sagt sie: Im vergangenen Jahr habe sie dann noch ihre 1.000 Kilometer geschafft. Ich bin beeindruckt. Als ich weiterlaufe, überlege ich, wie viele Kilometer ich im Jahr schaffe – und komme `nur´ auf ungefähr 750 Kilometer. Sofort suche ich nach Erklärungen dafür, dass es nicht mehr sind: Ich bin wahrscheinlich zehn Jahre älter. Außerdem lege ich es nicht darauf an, die 1.000er Grenze zu knacken – und bin stattdessen aber wahrscheinlich zügiger unterwegs. Während meine Gedanken noch in dieser Richtung kreisen, werde ich innerlich still und denke: Es sollte mir egal sein. Seit Jahrzehnten laufe ich fröhlich und regelmäßig vor mich hin, ohne dass ich die Jahreskilometer auf dem Schirm habe. Die Leistung anderer ist ihre Sache und nicht relevant für MEINE Laufrunden. Ich bin nicht besser oder schlechter als sie, weil ich weiter, genauso weit oder kürzer laufe als sie!

Ein, zwei, drei Wege

Es langweilt mich nicht, immer dieselbe Strecke zu joggen – im Gegenteil: Ich muss nicht denken und kenne jede Stolperfalle. Ganz selten variiere ich ein wenig und hänge hier oder dort noch ein Schleifchen dran; fast nie kürze ich ab.

Seit einigen Wochen arbeite ich in einem Büro in der Innenstadt. Um dorthin zu gelangen, wechsele ich zwischen drei leicht unterschiedlichen Wegen: mit oder ohne Berg, viel oder wenig Hauptstraße. Die Distanz bleibt fast gleich. Es würde mich langweilen, immer dieselbe Strecke zu radeln – wieso auch immer.