Selbstgespräche

„Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Partner voraus.“
Herbert George Wells.

Manchmal rede ich mit mir selbst: „Ich mach´ das jetzt so“, murmele ich vor mich hin – ganz neutral. „Das war nicht so schlau“ klingt schon etwas kritischer; noch schlimmer ist ein nachdrückliches: „Ich bin so blöd!“ Mit diesen Sätzen beurteile ich meine Unsicherheit sowie merkwürdige Verhaltensweisen – oft unbewusst und spontan. Solch verbalen Ohrfeigen kommen einfach so aus mir raus. Obwohl ich sie wahrscheinlich nicht vollkommen ernst meine, tut es mir gut, wenn mir jemand widerspricht, der zufällig in Hörweite steht. Denn das öffnet mir die Augen, wie ich mich eigentlich selbst wahrnehme – und das ist doch sehr interessant.

„Interessante Selbstgespräche setzen einen aufmerksamen Lauscher voraus.“
Dagmar Hecker

Mein Deal mit der Post (2)

Ich hatte meinen Söhnen jeweils ein Paket geschickt – eins nach Braunschweig, eins nach Sambia. Als beide nach über einer Woche nicht angekommen waren, schloss ich gedanklich einen Deal mit der Post: Wenn beide Pakete gleich lang brauchen würden (zum Beispiel zwei Wochen), wäre mir das Schneckentempo nach Braunschweig egal.

Eine weitere Woche später genießt der Sohn in Braunschweig bereits seit einigen Tagen meine Adventsgaben. Der Sohn in Sambia dagegen hat sein Paket noch nicht bekommen. Mit der Zustellnummer für das Päckchen schaue ich nach, wo es sich mittlerweile befindet – und lande buchstäblich auf dem Boden der Tatsachen: Es steht seit dem 3. Dezember in Frankfurt/Main und `wartet´ dort auf den Weitertransport. Das wird also noch eine Weile dauern.

Es nutzt nichts, sich zu grämen, also freue ich mich: dass man gedanklich keinen Deal mit der Post schließen kann – und die Pakete nicht gleich lang brauchen … 

Währenddessen und hinterher

Es ist tage- und nächtelang sehr kalt; die Luft ist klar, die Sonne scheint. Ich ziehe alles übereinander, friere doch und denke: Etwas wärmer wäre schön. Heute Morgen ist es etwas wärmer; die Luft hängt voll Feuchtigkeit, der Himmel ist bewölkt. Ich friere und denke: Kälter wars schöner.

Währenddessen ist´s selten perfekt – hinterher ist man immer schlauer.

Alles Mögliche

Jedes Ding hat eine Kehrseite, das Internet zum Beispiel: Es ist total praktisch, unter www… alles Mögliche in Sekundenschnelle nachschlagen zu können. Gleichzeitig beschäftigt uns alles Mögliche dann aber oft länger, als uns lieb ist. Die Informationen, die ich gut gebrauchen kann, sind eingebettet zwischen lauter unwichtigem Zeug. Es ist nicht so einfach, das eine vom anderen zu trennen – ohne sich dabei zu verklicken. Sozusagen.

Seit Bestehen hat sich das Internet wie ein Krake in der gesamten Welt ausgebreitet. Das liegt nicht daran, dass es keine Kehrseite hätte: im Gegenteil! Alles Mögliche blockiert unseren Geist sehr effizient – während wir unser wichtiges analoges Leben verpassen.

Jetzt nicht!

Zwei Wochen lang war ich für meine Verhältnisse ziemlich krank. Ich fuhr mit halber Kraft durch meine Tage, an Sport war nicht zu denken. Wie immer in solch einem Fall werde ich irgendwann ungeduldig und unausgeglichen: Mir fehlt die Bewegung. Sobald es also wieder geht, putze ich mich durch das Haus. Eine Freundin bescheinigt mir daraufhin, ich sei zu sehr davon getrieben, etwas ZU TUN. Vielleicht müsse ich lernen, einfach nur ZU SEIN.

Einerseits hat sie wahrscheinlich Recht: Es ist ungesund, mich darüber zu definieren, was ich leisten kann. Andererseits tut es meiner Seele gut, wenn ich etwas schaffe. Untätigkeit `schmeckt´ mir immer nur für eine sehr begrenzte Zeit. Die Frage ist, wann und wofür ich die Arbeit ruhen lasse. In der Bibel steht eine Geschichte dazu: Jesus besucht die Schwestern Marta und Maria. Marta verhält sich so gastfreundlich, wie es damals und dort üblich war; Maria setzt sich mit Jesus hin und hört ihm zu. Als Marta sich beklagt, Maria würde ihr nicht helfen, sagt Jesus: „Martha, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ (Lukas 10, 41+42)

Man kann immer arbeiten, aber nicht immer mit Jesus zusammensitzen. Maria nutzt die besondere Gelegenheit, die sich bietet; Marta will stattdessen der Pflicht genügen und kümmert sich um den Alltag. Dass es andererseits nicht per se schlecht ist, eine beflissene Hausfrau zu sein, steht jedoch auch in der Bibel: „Es sind wohl viele tüchtige Frauen, du aber übertriffst sie alle.“ (Sprüche 10, 29)

Ob ich eine pflichteifrige Marta bin oder aber eine tüchtige Frau – der Unterschied liegt darin, was ich damit bezwecke. Wer aber kennt schon sein Herz? Putze ich mein Haus, weil es mir Spaß macht, weil es nötig ist, weil ich mich freue, überhaupt etwas tun zu können … oder um damit zu glänzen? (Ich denke, ich weiß warum.)

Die anfangs erwähnte Freundin meint, Jesus sei als innerer Antreiber geeigneter als Marta. Dazu wäre es gut, mit Jesus über `meine Marta´ zu reden. Grundsätzlich stimme ich ihr zu; aber jetzt, wo ich gerade wieder krauchen kann – passt mir das nicht!

Anderer Fokus

Ein Freund meines Mannes hat spät Kinder bekommen; das älteste ist acht Jahre, das Jüngste drei Monate alt. Als er noch Single (und kinderlos) war, fielen mir bei ihm unter anderem zwei Eigenschaften auf: Aufgrund einer chronischen Darmerkrankung aß er bewusst langsam und kaute sehr intensiv. Zum anderen erzählte er äußerst ausführlich – die Telefonate zwischen ihm und meinem Mann dauerten oft zwei Stunden. Seit acht Jahren ist beides vorbei. Er isst schneller und fasst sich am Telefon kürzer – oft unvermittelt, weil die Kinder seine Aufmerksamkeit brauchen.

Mich wundert das nicht; ich glaube, dass nichts unser Leben so eindrücklich verändert wie Kinder. Manches, was uns als Kinderlosen wichtig war, gehört für Eltern der Vergangenheit an: Nur die uns besonders wichtigen Dinge pflegen wir auch in einem von Kindern dominierten Alltag. Das fühlt sich manchmal wie ein Verlust an – einerseits.

Andererseits können wir das Leben auch so betrachten wie die junge Frau, mit der ich kürzlich telefonierte. Ihre vier kleinen Kinder sind seit Wochen abwechselnd krank: Magen-Darm, grippale Infekte. In unserem Gespräch war sie trotzdem vor allem dankbar: „Ich bin so froh, dass ich zu Hause sein kann. Früher habe ich die beiden Großen oft zu früh wieder in die Schule geschickt, um wieder arbeiten gehen zu können. Heute empfinde ich mein Zuhause-Sein als Privileg – und die Kinder können sich richtig auskurieren.“ Es ist nicht der Verlust der Arbeitsstelle und Selbstbestimmung, der ihr Denken dominiert. Stattdessen freut sie sich über den neuen Fokus, den ihr Leben durch die Kinder bekommen hat. Ich bin mir sicher, dass diese Anpassungsfähigkeit ihr auch an anderer Stelle helfen wird.

Vom Sport … 

Mich begeistern Leichtathleten: Ich schaue den Läufern gern zu, mag Weit- und Hochsprung; auch die Wurf- und Stoß-Disziplinen lassen mich staunen, was Menschen schaffen können. Am meisten bewundere ich die Sportler, die sich dem Mehrkampf verschrieben haben. Diese umfassende Sportlichkeit, diese Mischung aus Kraft und Ausdauer, aus Sprungtalent und Wurf-Technik … einfach wunderbar. Mehrkämpfer sind für mich die Athleten schlechthin – auch rein optisch. Ich bewundere ihre mentale Flexibilität: Zusätzlich zum sportlichen Vermögen brauchen sie die richtige Taktik und müssen sich ihre eigenen Reserven gut einteilen können.

Die Geschwindigkeit beim Tischtennis ist atemberaubend: Das Spiel mit dem kleinen Ball auf der Platte toppt sogar Badminton. Die Spieler müssen unfassbar schnell reagieren, umschalten und bei höchster körperlich Anstrengung fokussiert sein. Tischtennis sieht STRESSIG aus.

Beim Biathlon bin ich voller Bewunderung ob der Ruhe, die beim Schießen da sein muss – und da ist. Egal, ob die Skiläufer körperlich alles geben, um ihre Runde möglichst schnell zu beenden: Am Schießstand brauchen sie einen flachen Puls für eine ruhige Hand.

Radrennfahrer sind Kraftpakete und Mentalitätsmeister: Anders kann ich es mir nicht erklären, wie man so dicht und so schnell nebeneinander her fahren und nicht stürzen kann – ohne schreckliche Angst zu haben.

Die Liste ließe sich fortsetzen.

ALLE Leistungssportler leisten Erstaunliches. Manchen Sport mag ich lieber, manchen weniger. Egal ob solitär oder als ganze Mannschaft: JEDER trainiert planvoll, systematisch und ehrgeizig und ordnet dem Sport alles mögliche unter – Zeit, Kraft, berufliches Fortkommen, soziales Leben … Sie alle erfahren (und verdienen) Wertschätzung, Anteilnahme und Bewunderung. Leider ist der finanzielle Verdienst sehr unterschiedlich; irgendwie finde ich das ziemlich ungerecht.

Lasst sie in Ruhe (spielen)!

Die WM ist noch im Gange, für Deutschland aber schon vorbei. Wir sind verdient ausgeschieden – sportlich betrachtet. Das ist vielleicht schade, aber ein Ergebnis, das die Wirklichkeit gut widerspiegelt. Woran auch immer es lag: Die Spieler hatten ein anderes Ziel.

Einer meiner Söhne erkennt neidlos an, dass andere Mannschaften mit einem ergiebigeren Kader noch im Turnier sind. Dass aber derart über die deutschen Nationalspieler hergezogen wird, kann er weder nachvollziehen noch gutheißen. Ich habe deutlich weniger Ahnung vom Fußball; aber darin sind mein Sohn und ich uns einig: Hätten wir als Land, als Medien, als Fans, als DFB, als Staat … diese Fußballprofis nicht einfach machen lassen sollen, was sie am besten können? Sie sollten vor allem Fußball spielen – alles andere darf zweitrangig sein. Dem war aber leider nicht so:

Einige der Akteure trugen noch längst kein Nationaltrikot, als die Entscheidung für den Austragungsort getroffen wurde. Dennoch mussten diese jungen Menschen die Konsequenzen dieser unsäglichen Wahl tragen … und sich dabei politisch korrekt verhalten … und kluge Kommentare dazu parat haben … und mit einem teilweise überraschend zusammengewürfelten Kader klarkommen … und (bitteschön!) auf höchstem Niveau Fußball spielen … Als wäre das nicht schon viel zu viel verlangt, war allen Spielern eins klar: Ein frühes Ausscheiden würde im eigenen Land nicht Trost und Ermutigung nach sich ziehen, sondern Häme, und zwar nicht zu knapp und vor allem medial. Wer einem solchen Druck standhält, muss über schier grenzenlose Selbstbeherrschung verfügen – die meist auf Kosten der Spielfreude wächst. Nur den wenigsten deutschen Spielern konnte man dann auch während der WM ungetrübte Begeisterung abspüren für das SPIELEN.

Bei allen Veränderungen und Analysen, die jetzt gefordert sind, wäre ein Aspekt wohl am wichtigsten: Wie können wir den Spielern das Gefühl vermitteln, dass wir als Land, als Medien, als Fans, als DFB, als Staat … hinter ihnen stehen, wenn sie sich begeistert und engagiert dem Fußballspiel widmen – zunächst einmal unabhängig davon, was dabei herauskommt?

Ein Kompliment

Eine meiner Töchter hat durchs Fußballspielen einen großen Bekanntenkreis. Kürzlich verpasste ihr ein Spieler aus der Herren-Mannschaft einen verbalen Ritterschlag – rein theoretisch: „Dich würde ich mit zu einem Männerabend nehmen!“ Praktisch wird es nicht geschehen; aber Ritterschläge sind ja heutzutage ohnehin sehr unpraktisch.

Mein Deal mit der Post

Ich bringe eilig meine guten Gaben pünktlich auf den Weg – und übergebe die Adventspakete für meine Söhne vertrauensvoll an die Post. Das eine Päckchen reist mittlerweile schon seit fünf Tagen durch den Landkreis: Die zwischen meinem großen Sohn und mir liegenden 45 Kilometer hätte ich mittlerweile wahrscheinlich gut zu Fuß zurücklegen können. Das andere Päckchen ist erst seit fünf Tagen unterwegs und hat sicherlich noch einen langen Weg vor sich: Es muss bis nach Chingola in Sambia; die über 7.000 Kilometer sind für mich persönlich nicht einmal theoretisch zu bewältigen. Mental mache ich einen Deal mit der Post: Das Päckchen nach Braunschweig darf genauso lange brauchen wie das nach Chingola – sagen wir zwei Wochen. Dann bin ich dankbar für die blitzschnelle Lieferung nach Afrika und beschwere mich nicht über das Schneckentempo innerhalb Niedersachsens.