Zeitlos ignorant

Als junger Mensch war ich modisch nie auf dem neuesten Stand. Ich liebte es schlicht, möglichst einfarbig, ohne viel Schnickschnack. Mittlerweile bin ich etwas `älter´ und mag noch immer dasselbe. Temporäre Trends verführen mich daher nicht dazu, meine Kleidung alle zwei oder drei Jahre zu erneuern. Stattdessen kaufe ich Kleidung, die mir gefällt, wenn ich sie brauche: Das sind – je älter ich werde – fast ausnahmslos Stücke, die man als basal und robust bezeichnen könnte. Die meisten sind nicht modisch und aktuell, sondern eher zeitlos und von gestern – denn sie halten länger als jeder Trend.

Kürzlich trug ich (wie häufig) von Kopf bis Fuß lebensfröhliches Schwarz und Grau und bekam dafür ein Kompliment: Ein Bekannter begrüßte mich mit den Worten, ich wäre so schön farblich abgestimmt unterwegs. Und: „Also, wenn Frauen in unserem Alter eine rote Hose zu grünen Schuhen und eine mit Blümchen dekorierte bunte Jacke tragen – dann finde ich das unpassend.“ So absolut würde ich das wahrscheinlich nicht unterschreiben, aber ich musste schmunzeln. Meine Ignoranz in Mode-Fragen zahlt sich aus – ich bin (altersmäßig) in den Stil hineingewachsen, den ich schon immer mochte: Schlicht, möglichst einfarbig, ohne viel Schnickschnack – zeitlos halt.

Auf den Inhalt kommt es an? Nicht nur!

Ich `kenne´ eine britische Künstlerin, die sehr gut – und mit humorvollem Blick – zeichnen kann. Sie bemalt alles mögliche: Postkarten, Geschirr-Handtücher, Trinkbecher, Leinwände. Ich mag die meisten ihrer Motive und besitze ein paar Tassen von ihr; diese haben auch eine gute Haptik: schmaler Rand. Wenn ich eine von ihnen benutze, freue ich mich – das Auge isst (oder trinkt) halt mit. Egal ob Tee, Kaffee oder Wasser: Aus diesen Tassen schmeckt alles besser. Malen müsste man können!

Autorität

Kinder und Eltern stehen in einem besonderen Verhältnis: Sie sind einander sehr zugetan (im besten Fall) und doch keine besten Freunde. Normalerweise lieben Eltern ihre Kinder, wollen ihr Bestes und verhalten sich dementsprechend. Sie sagen, wo es langgeht, setzen klare Grenzen und agieren vorhersehbar und stimmungsunabhängig. Das Miteinander ist hierarchisch: Eltern und Kinder stehen in einem Autoritätsverhältnis.

Aber das ist nicht alles. Normalerweise lieben Kinder ihre Eltern, orientieren sich zuallererst an ihnen und verlassen sich auf sie als `letzte Instanz´. Kinder brauchen Eltern, die einfühlsam und nahbar sind und flexibel reagieren; Patentrezepte funktionieren selten. Das Miteinander ist komplex und gegenseitig: Eltern und Kinder stehen in einer Liebesbeziehung.

Im besten Fall bewirkt diese Mischung, dass Eltern den Hut aufhaben, mit gutem Beispiel vorangehen – und sich im Zweifelsfall eher auf die Beziehung besinnen als auf ihre Autorität.

Kann es sein, dass gute Autorität weniger mit Macht und mehr mit Dienst zu tun hat, als den meisten Autoritäten bewusst ist?

Ein Spiel?

Ein Ratespiel auf meinem Handy beschert mir Erlebnisse, die einer Sinuskurve ähneln: Manchmal lande ich nur Volltreffer, ein andermal liege ich immer daneben – bisweilen völlig unabhängig vom Themengebiet. Entsprechend fühle ich mich erst ziemlich schlau und dann wieder ziemlich blöd oder andersherum. Ich versuche es immer mal wieder und verstehe das erste Mal in meinem Leben das Prinzip `Spielsucht´: Das Quiz bedient einerseits meinen Wunsch nach Erfolg und zeigt mir andererseits, wie viel ich noch nicht weiß – es ist ein relativ unvorhersehbares Auf und Ab. Würde ich immer gewinnen oder keine Chance haben, verlöre ich schnell das Interesse. So aber mache ich weiter – allerdings nur so lange, wie ich noch ohne Entzugserscheinungen aufhören kann.

Ein Hund

Eine bekannte Familie hat zwei Hunde. Den älteren haben sie als Welpen bekommen; der andere hatte vor ihnen einige Monate als rumänischer Straßenhund `in den Knochen´. Hund 1 ist normal lebendig, gut erzogen und kinderlieb – ein unkomplizierter Gefährte, der sich gut in die Familien-Herde einfügt. Hund 2 ist noch in der Erziehung, auch kinderlieb und sehr ängstlich. Unkompliziert ist dieser Hund nicht – und wird es vielleicht auch nie sein. Man könnte ihn `verhaltensauffällig´ nennen.

Wenn ich spazieren gehe, treffe ich jede Menge Hundebesitzer mit ihren sehr unterschiedlichen Hunden: gut erzogene, desinteressierte, ungestüme und solche, die nicht hören. Die Hundebesitzer sind ebenso verschieden – manche haben ihre Hunde im Griff, andere widmen sich intensiver ihrem Handy. Eine Frau mit einem Rottweiler hat diesen immer nah bei Fuß und redet unablässig mit ihm. Ich weiß, dass dieser Hund als Welpe vom Vorbesitzer nicht gut behandelt wurde und daher manchmal unvorhersehbar agiert. Sein Frauchen muss ihn ständig davon abhalten, ungestüm davon oder auf andere Menschen oder Hunde loszustürmen. Sie macht das hingegeben und verantwortungsvoll. Ich möchte nicht mit ihr tauschen: Die Fortschritte, die dieser Hund in seinem Verhalten macht, sind für mich kaum zu erkennen. Er wird wahrscheinlich IMMER eine starke Hand, viel Liebe und Zuwendung brauchen, um sich in der Öffentlichkeit angemessen zu verhalten.

Wenn sich schon bei einem Hund die erste Prägung so stark auf sein Leben auswirkt: Wie viel entscheidender sind die ersten Jahre im Leben eines Kindes, das zu einem gemeinschaftstauglichen Menschen heranwachsen soll!

Waldboden

Die ehemalige Erzieherin meiner Kinder ist mittlerweile in Rente und geht gern spazieren, etwa zehn Kilometer am Tag. Sie ist zügig unterwegs und hat verschiedene Runden in der Stadt. Die Bewegung tue ihr gut, sagt sie. Ich gehe auch sehr gern spazieren und bin ebenfalls zügig unterwegs, fast immer dieselbe Strecke. Die Bewegung tut mir gut, aber nicht um jeden Preis. Zu Spaziergängen in der Stadt müsste ich mich zwingen – wie abwechslungsreich auch immer: Ich liebe Waldboden unter den Füßen.

Peinlich (2)

Es ist ein Unterschied, ob ich anderen peinlich bin oder ob mir selbst etwas peinlich ist. Beides ist nicht schön, aber auch kein Weltuntergang. Gegen das erste kann man nichts tun, gegen das zweite schon.

Warten oder erwarten?

„Aber die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Jesaja 40, 31

Ich warte täglich darauf, dass Gott in meinem Leben wirkt – und erlebe das als herausfordernd und entspannend zugleich. Auf etwas zu warten ist ein äußerst aktiver Vorgang – und sehr offen. Ich müsste nicht warten, wenn ich allein weiterkäme oder `schon Bescheid wüsste´. Was auch immer passiert, kann mich überraschen: ein Paket in der Post, eine Antwort auf eine Frage, ein Rat oder Hilfe, dass etwas gelingt oder wie ich mit Schwierigkeiten umgehe.

Etwas Bestimmtes zu erwarten ist ebenso aktiv – aber sehr festgelegt. Ich weiß eigentlich schon, was ich will, und möchte nicht überrascht werden: Werden meine Vorstellungen nicht erfüllt, bin ich enttäuscht. Im schlimmsten Fall erwarte ich dann (täglich?), dass mein Leben anders wird, als es ist. Mich würde das nicht beflügeln, sondern ermüden.

Nicht überstanden

„Frohe Weihnachten“, wünscht ein älterer Herr der Kassiererin im Supermarkt – am 8. Januar. Ihre Antwort ist prompt und eindeutig: „Na, Weihnachten haben wir Gott sei Dank erstmal wieder überstanden; ein schönes Wochenende reicht.“ Wie schade, wenn Weihnachten kein willkommenes Fest mehr ist, sondern ertragen werden muss! Immerhin hat Gott der Frau dabei geholfen – aber das klingt vielleicht nur für mich seltsam.

Auch ich bin Anfang Januar nicht traurig, dass Weihnachten vorbei ist: Ich habe die Deko weggeräumt, begrüße das baldige Ferienende und freue mich, dass die Tage wieder länger werden: Der normale Alltag mit Struktur und Aufgaben ist eine schöne Perspektive. Aber ich habe die Weihnachtszeit nicht nur `überstanden´, sondern genossen – und ich würde die Feiertage anders gestalten, wenn sie mir wie ein Verpflichtung vorkämen.

Das Wetter

„Heute ist es widerlich draußen“, sagt eine Frau beim Bäcker zu mir. Ich habe dem nicht viel zu entgegnen: Es sind zwei oder drei Grad, es nieselt leicht – gemütlich ist es nicht. Die Kälte kriecht unweigerlich unter die Jacke. Aber es ist windstill und am Nachmittag hört der Nieselregen auf: Ich gehe laufen, ohne dass die Luft zu eisig ist für meine Atemwege.

Gestern dagegen war es deutlich kälter – zwei oder drei Grad unter Null. Trotz der Sonne blieben die Straßen den ganzen Tag über gefroren und glatt. Ich war spazieren und genoss die klare Luft, allerdings mit kalten Fingern. 

Das Wetter ist eine komplexe Sache und nie per se schlecht: `Zu kalt´ ist ebenso relativ wie `zu warm´; und das mit der richtigen Kleidung stimmt (wenn auch nur bedingt). Wichtiger ist, was man draußen tut – weil das Wetter dann nicht mehr die Hauptrolle spielt.