Weihnachts-Lockdown

Durch Corona war unser Weihnachtsfest sehr ruhig. Natürlich ist es bei sieben Leuten per se nicht ruhig, aber in den drei freien Tagen dieses Jahr „irgendwie“ doch: Keine Besuche bei den Großeltern – wir sprengen jede erweiterte Verordnung, keine Besuche bei uns. Drei Tage nur wir. Teenager können tagelang chillen und ausgiebig schlafen; Nicht-Teenager verabreden sich am liebsten außer Haus. Ich war viel spazieren, viel allein und sehr still. Normalerweise macht mir das nicht viel aus, dieses Jahr schon, denn – wir waren die Wochen davor auch schon immerzu „nur wir“.

Meine Nachbarn meinten hinterher, man müsse sich ein Programm einfallen lassen – einfach so in die Tage hinein leben, schlage nach einer Weile jedem aufs Gemüt. Hätte ich das doch nur vorher gewusst! Für nächstes Weihnachten plane ich dementsprechend: gemeinsame Spiele, Spaziergänge, zur Not Koch-Aktionen und dergleichen. Es bleibt zu hoffen, dass mir für derartige Initiative in der Weihnachtszeit nicht die Energie fehlen wird – oder dass wir im Dezember 2021 ohne Lockdown davonkommen. Ich weiß, was mir lieber wäre.

Verlust

In der Fußgängerzone unserer Stadt ist es weihnachtlich geschmückt, aber die Straßen sind leer. Klar – der Einzelhandel hat noch zwei Wochen geschlossen, Lebensmittelläden gibt es nicht viele. Anstelle des normalen Weihnachtsmarktes steht auf einem Platz ein riesiger beleuchteter Tannenbaum und daneben ein einsamer Verkaufswagen für Lebkuchenherzen mit Text. Besucher gibt es so gut wie keine. Anstelle von Weihnachtskonzerten hören wir zu Hause Musik; sogar Gottesdienste stehen zur Disposition oder finden tatsächlich nicht statt – laut einiger Journalisten „aus Verantwortung und Nächstenliebe“.

Ich lege keinen Wert auf volle Straßen und Gedränge am Jahresende. Der Verzicht auf Glühwein, Zuckerstangen, gebrannte Mandeln und Schmalzgebäck ist für mich leicht zu verschmerzen. Die Hektik in den Straßen um Weihnachten herum regt mich eher auf – auch wenn ich selbst manchmal dazu beitrage. Und nicht alle Konzerte oder Weihnachtsfeiern sind nach meinem Geschmack. Dennoch: Manches reden wir uns schön – und tun so, als würde aus jedem gestrichenen Programm mehr Zeit für Besinnung und Familie. Aber es ist doch auch traurig, dass nichts öffentlich stattfinden kann! Die Leere in der Stadt wirkt trostlos – dabei ist sie nur ein kleiner Teil dessen, was anders ist. Der größte Verlust spielt sich hinter den Fassaden der geschlossenen Geschäfte und Kulturzentren ab; schwierig ist es vor allem für Marktbeschicker, nicht für die Besucher. Und einiges davon, was heute verschwindet, werden wir erst später betrauern.

Kommunikationswirbel

Jemand, den ich schätze, beantwortet meine Briefe, SMS oder Mails sehr sporadisch – meist mit großer Verzögerung. Jedesmal freue ich mich unbändig über seine Reaktion und schreibe dann gleich zurück – meist sehr ausführlich. Mit großer Sicherheit schaffe ich es dadurch, ihn wieder zum Verstummen zu bringen. So als wäre sein Kommunizieren wie ein glimmender Docht, der ab und an aufflackert – nur um dann von einem scheinbar(!) unkontrollierten Schwall aus Begeisterung und Information meinerseits ausgeblasen zu werden. Er braucht jedesmal Monate, um sich davon zu erholen und mir erneut ein kurzes Lebenszeichen zu senden. Dieses kommt IMMER, wenn ich schon gar nicht mehr damit rechne. Und dann freue ich mich so unbändig über seine Reaktion, dass ich gleich zurück schreibe – meist sehr ausführlich …

The praise and the truth

Answering my Christmas letter someone wrote: „You never disappoint.“ I stopped and smiled – somewhat sadly. That`s so not true, I thought. Ask the people closest to me and you will know: Sometimes I am disappointment personified.

Still: if I don`t think about it too long, if I don`t check with what I know about myself – it sounds wonderful: „You never disappoint.“ In the end it`s not true, but for a short moment I only read the praise and don`t doubt its truth.

Schwer (oder leicht?) zu beschenken

Mein Mann macht sich nichts aus Geschenken und noch weniger aus Überraschungen. Das ist schade, denn ich schenke gern. Allerdings hoffe ich dann auch auf eine begeisterte Reaktion – die man nicht bieten kann, wenn man sich aus Geschenken nichts macht. Nach anfänglicher Enttäuschung kann ich inzwischen gut damit leben, dass meine super Geschenke nicht immer Jubelrufe auslösen. Zu Weihnachten schenken wir uns einvernehmlich nichts; nur zum Geburtstag kann ich es (noch) nicht lassen, obwohl ich Ideen für meinen Mann nicht aus dem Ärmel schüttele: Er bleibt schwer zu beschenken – das weiß jeder, der ihn kennt.

Ich dagegen freue mich immer sehr über Geschenke – und halte mich für leicht zu beschenken. Bücher (gehen immer), selbst gebackene Kekse, Ringelsocken, ein Kino-Besuch, ein Dietrich Bonhoeffer-Kalender oder auch ein gemeinsamer Wanderurlaub: Ich freue mich über die verschiedensten Dinge und am meisten über das Beschenktwerden an sich. Außerdem habe ich Wünsche und scheue mich nicht, diese – auf Nachfrage – ehrlich zu äußern.

Die Kinder müssen uns nichts schenken, tun es aber gern. Meist schreiben sie uns wunderbare Briefe und binden eine „Kleinigkeit“ an. Bisher fiel ihnen das bei Mama leichter als bei Papa. Nicht so dieses Jahr, denn – mein Mann hatte einen konkreten Wunsch, ich nicht. Also hörte ich am Heiligabend den Satz: „Mama, du warst dieses Jahr echt schwer zu beschenken.“ Ich? Schwer zu beschenken? Kann nicht sein, dachte ich. (Aber ich dachte auch: Sie haben recht, ich weiß selbst nicht, was ich mir schenken sollte.) Laufsocken sind es geworden – wie wunderbar! Es gibt wohl kaum etwas, was dermaßen praktisch und gleichzeitig besonders für mich ist. Und das Beste: Da ich sie sehr regelmäßig benutzen werde, kann ich nächstes Jahr neue gebrauchen. Ab sofort bin ich noch leichter zu beschenken!

Nicht „so jemand“, aber „jemand anders“

In „meinem“ Feld-Wald-Gebiet treffe ich unsere ehemalige Postbotin. Sie ist seit zehn Jahren in Rente und wohnt anderswo. „So ein fröhliches Gesicht vergisst man nicht“, erwidere ich, als sie sich wundert, dass ich sie noch kenne. Sie freut sich über die Bemerkung: „Das ist aber lieb.“

Nach dieser kurzen Begegnung fällt mir eine Freundin meiner Tochter ein, die ebenfalls immer fröhlich ist und gute Laune ausstrahlt. Und ich merke: Ich wäre auch gern „so jemand“: Jemand, den man in Erinnerung behält, weil er so positiv über kommt, fröhlich ist und unbeschwert wirkt.

Aber – so bin ich nicht. Wenn ich in Gedanken versunken bin, ziert kein Lächeln mein Gesicht; in unbeobachteten Momenten schaue ich eher ernst und konzentriert als fröhlich und unbeschwert.

Das ist schade – aber es ist nur ein Teil der Wahrheit. Ich bin vielleicht keine ausgesprochene Frohnatur; aber ich nehme fröhliche Menschen wahr, freue mich über sie und sage ihnen, wie positiv sie auffallen. So bin ich.

„So jemand“ bin ich vielleicht nicht; dafür bin ich „jemand anders“.

Weihnachtlich

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Lukas 2, 10+11

Jedes Jahr in der Weihnachtszeit erzählen mir Leute, sie würden sich nicht „weihnachtlich“ fühlen. Es liegt meist daran, dass es zu warm ist. Dieses Jahr kommt das Corona-Virus mit allen Umständen dazu – und sorgt offenbar für extra „nicht-weihnachtlich“.

Ich bin unsicher, was ich davon halten soll. Was meinen wir mit „weihnachtlich“? Wir zünden Kerzen an und backen Kekse, die wir nur in dieser Zeit essen. Eine meine Töchter spielt auf dem Klavier auch Lieder wie „Ich steh` an deiner Krippen hier“ und „Herbei, oh ihr Gläubigen“. An der Eibe vor der Tür hängt eine Lichterkette, im Wohnzimmer steht seit gestern ein Tannenbaum. Aber ist das „weihnachtlich“ oder einfach schön?

Dass es nicht besonders kalt ist oder gar schneit, ärgert mich höchstens für die Kinder – mir selbst sind Temperaturen über Null Grad gerade recht. Zimt-Geruch, Glühwein und Winter-Teemischungen? Bitte nur in Maßen, denn ich mag auch in der Weihnachtszeit lieber Obst und dieselbe Schokolade, die ich das ganze Jahr über gern esse. Kerzenlicht finde ich gemütlich – weil es früh dunkel wird; Stollen schmeckt und passt zum Winter – wie der Spargel zum Frühsommer. All das gehört zu Weihnachten, aber für ein weihnachtliches Gefühl sorgt es bei mir nicht. Es erzeugt höchstens eine bestimmte Erinnerung.

„Weihnachtlich“ kann für mich nur heißen: Der allmächtige Gott, der Schöpfer des Universums, ist Mensch geworden in Jesus. Er liebt uns und wünscht sich eine Beziehung zu uns. In der Hektik des Jahresendes ist es schwer genug, mir dessen bewusst zu sein und darüber zu staunen. Dabei ist dieser Jesus der einzige Trost, auf den wir uns verlassen können! Gerade dieses Jahr merken wir, wie wenig sicher selbst die „weihnachtliche Normalität“ ist. Gerade dieses Jahr gilt das „Fürchtet euch nicht!“, das die Geburt Jesu begleitet. Darüber hinaus gilt, was Jesus am Ende seines Lebens seinen Jüngern sagte: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Enden.“ (Matthäus 28, 20)

Mittlerweile mittelmäßig

Seit über 30 Jahren laufe ich regelmäßig – früher zehn Kilometer und mehr, mittlerweile meist nur fünf. Ich halte mich für eine gute Läuferin.

Die Mutter einer Freundin meiner Tochter läuft erst seit dem Frühjahrs-Lockdown. Zwölf Kilometer oder auch mehr würde sie mittlerweile schaffen, sagt sie, und: „Ich staune über mich selbst.“ Ich staune mit ihr. Sie ist auch eine gute Läuferin – oder sogar besser.

Von dem von mir geschätzten Autor Malcolm Gladwell weiß ich, dass er besonders gern zehn Kilometer (oder Meilen?) läuft – und viel schneller unterwegs ist als ich. Er bezeichnet sich selbst als einen mittelmäßigen Läufer.

Verglichen mit den beiden ist die Kategorie „gute Läuferin“ nicht meine. Glücklicherweise ist mir das mittlerweile egal.

Respektlos

Nach dem Einkauf und vor dem Supermarkt nehme ich meine Maske ab. Ein weiterer Kunde – Mitte 20, männlich, forschen Schritts – blafft mich an: „Maskenpflicht!“ Aha, denke ich und sage: „Hallo!“ Er antwortet nicht, sondern verschwindet mit seinem Einkaufswagen. Noch vor ein paar Monaten hätte mich das aufgeregt: Ich mag es nicht, wenn jemand mir sagt, was ich zu tun habe – noch dazu unaufgefordert und in befehlendem Ton. Die Situation gestern brachte mich zu einem resignierten Kopfschütteln. Zu sehr hatte ich in den vergangenen Monaten schon mit dem übergriffigen Verhalten anderer zu tun – es wundert und erschreckt mich nicht mehr. Wie gehen wir miteinander um in dieser Zeit? Ein Unbekannter kommentiert ungefragt mein Tun; ich schüttele im Gegenzug den Kopf über einen stumpfen Wichtigtuer. Beides ist respektlos …

Gleichgewicht

Ein umfangreicher Korrekturauftrag beansprucht fast jede meiner freien Stunden. Ich kann mir die Zeit selbst einteilen, denn ich arbeite ohne Chef und zu Hause. Aber natürlich haben die Tage nicht plötzlich mehr Stunden als vorher: Meine „normalen“ Aufgaben fallen weiter an – ungebremst und regelmäßig. Nur weil ich einen extra Auftrag übernommen habe, bleibt das Leben nicht stehen. Daher fülle ich fast alle Pausen in meinem Alltag mit konzentriertem Korrekturlesen. Mehr Pflicht, kurzfristig geht das.

Es verringert sich die Zeit für das, was vorher schon extra war: Meine eigenen Texte, in denen ich Gedanken formuliere, mit Sprache spiele, Erlebnisse verarbeite. Weniger Kür, kurzfristig geht das.

Es ist immer mehr Pflicht als Kür in (m)einem Leben, dennoch brauche ich, brauchen wir alle, langfristig eine gute Balance. Bei mir besteht diesbezüglich zur Zeit eine Schieflage, aber dieser Zustand darf nicht von Dauer sein. Nur wenn ich der Pflicht Grenzen setze, bleiben Raum und Zeit für die Kür – und ich selbst im Gleichgewicht.