Zurückkommen

Nach einem Wochenende unterwegs rollen wir wieder zu Hause auf den Hof. „Ja, wir räumen erst zusammen das Auto aus, schon klar“, sagt eins der Kinder, „… und verteilen alles dorthin, wo es hingehört“, beendet ein anderes den Satz. Nach etwa zehn Minuten ist alles erledigt und ich setze mich aufs Sofa.

So ein Zurückkommen ist die Sahnehaube auf einem Wochenende unterwegs.

Kein Schlusspunkt

Sundowner heißt übersetzt Abendtrunk oder Dämmerschoppen. Damit könnte ein Getränk gemeint sein, das man kurz vor der Nacht trinkt: Während des Sonnenuntergangs einen Wein genießen, schläfrig werden und ab ins Bett – wie ein Schlusspunkt hinter einem langen Tag. Für mich ist ein Sundowner etwas ganz anderes und das liegt an unseren Nachbarn.

Sie sind besonders, diese Nachbarn: Vor Jahren waren sie die besten Babysitter – und lange die einzigen vor Ort, die alle fünf Kinder übernahmen, ohne sich zu übernehmen. Neben der eigenen Familie und einem üppigen Freundeskreis hatten sie dennoch Zeit für uns von schräg gegenüber. Mittlerweile sind die „Ersatz-Enkel“ dem Baby-Alter lange entwachsen und der Schwerpunkt unserer Nachbarschaftsbeziehung hat sich verlagert. Hieß es früher von uns: „Wir brauchen eure Hilfe mit den Kindern!“, so sind wir heute eher als Ehepaare durch anregende Gespräche verbunden.

Ein Schnack am Gartenzaun, seltener ein gemeinsamer Abend, Haus (oder Hasen) hüten während des Urlaubs – unser Miteinander ist sehr angenehm nachbarschaftlich. Aber hinzu kommt gelegentlich im Sommer die Frage: „Wollt ihr/willst du einen Sundowner mit uns trinken?“ Meist ist der Abend noch früh – würden wir auf die Dämmerung warten, wäre ich wohl zu müde. Es bedarf kaum der Planung – Frage und Antwort sind gleichermaßen spontan. Wir trinken ein Glas Wein, knabbern ein paar Erdnüsse und reden für ein Stündchen über alles mögliche. Dieser Sundowner ist ebenso besonders wie die Nachbarn selbst: Er markiert nicht den Schlusspunkt hinter einem langen Tag, er macht mich nicht schläfrig. Er ist eine willkommene Pause zwischendrin – ein Doppelpunkt, dem der beschwingte Rest des Abends folgt.

Manche Leute, andere und irgendjemand

Bei uns in der Nähe befinden sich zwei Fast Food-Restaurants, die außer Haus verkaufen: Manche Leute fahren mit dem Auto hin oder vorbei und lassen sich ihr Wunschgericht einpacken. Der Parkplatz um die Ecke hat keine schöne Atmosphäre, also stellen manche Leute sich mit ihrem Abendessen vorzugsweise auf einen in der Nähe gelegenen Feldweg. Dort packen sie ihr Wunschgericht aus, verzehren es – und genießen den Blick ins Grüne.

Irgendwann ist vom Wunschgericht nur noch die Verpackung da – viel Papier und etwas Plastik. Da sich auf dem Feldweg kein Papierkorb befindet, entsorgen manche Leute den Müll direkt neben dem Auto. Das ist kein schöner Anblick – Leute wie mich stört er sogar beim Blick ins Grüne. Aber das macht nichts: Irgendjemand räumt das Zeug schon weg.

Ob manche Leute nur gedankenlos sind oder bewusst ignorant, ist mir egal. Leute wie ich verstehen manche Leute nicht und sind den „Irgendjemands dieser Welt“ dankbar für ihren Dienst.

Einzigartig, aber nicht spezialisiert

Jeder von uns ist einzigartig. Trotzdem übernehmen wir alle viele verschiedene Rollen. Für mich sind das zum Beispiel: Ehefrau, Mutter, Tochter, Schwester, Freundin, Schwiegertochter, Schwägerin, Bekannte… All das bin ich, all das fülle ich aber nicht gleich gut aus – im Gegenteil: von brillant bis mangelhaft ist alles dabei. Meine Stärken und Schwächen helfen mir nicht in jeder Position gleichermaßen; aber ich kann mich auch nicht nur auf ein oder zwei Bereiche konzentrieren. Keine meiner Rollen lässt sich einfach so ablegen, auch wenn ich je nach Lebensphase unterschiedlich stark gefordert bin.

Wie einzigartig wir auch sind: Das Leben fordert uns vielfältig und ist eine gute Schule – nur nicht dafür, uns zu spezialisieren.

Nur ein Deo?

Am Wochenende kaufte ich meinem Jüngsten ein Deodorant. Bisher brauchte und hatte er keins, jetzt braucht und hat er eins. Er reagierte mit purer Freude: Für ihn ist ein Deo das Zeichen, dass er sich von „klein“ zu „groß“ entwickelt.

Ich ahne, was der Abschied von geruchlosem Schweiß langfristig noch so mit sich bringen wird. Mein jüngster Sohn wird selbständiger werden und mehr Verantwortung übernehmen – manchmal gern, manchmal zögerlich. Er wird wichtige Gesprächspartner außerhalb der Familie finden und immer unabhängiger werden – vor allem von seiner Mutter. Für mich ist das natürlich auch Grund zur Freude, aber nicht nur: Das „Großwerden“ des Jüngsten bedeutet auch einen gewissen Abschied von der Kinderphase – und ist mit Wehmut verbunden.

Vom Wert des Drumherums

An unsere kirchliche Hochzeit vor über 20 Jahren kann ich mich zum Teil noch sehr gut erinnern: Anfang April war es noch frisch, auf den Fotos haben wir rote Nasen. Ich erinnere mich an die rustikale Atmosphäre in der nordrhein-westfälischen Diele, in der wir gefeiert haben. Auch die Programmpunkte lieber Freunde sind mir zum Teil noch gegenwärtig – sowohl die amüsanten als auch die etwas langatmigen. Die Unterkunft hatte den Charme einer Berghütte: Das „Jungvolk“ schlief in Schlafsäcken und auf Isomatten – aber nur kurz. Unser Frühstück am nächsten Tag bildete den unkomplizierten Abschluss eines gelungenen Festes, das zu uns passte.

Kaum erinnern kann ich mich an die feierliche Zeremonie in der Kirche und die Predigt – sozusagen das Zentrale einer kirchlichen Hochzeit. Ich weiß, dass ich den festlichen Rahmen damals wollte; aber letztlich haften geblieben ist das Drumherum.

Ein Grund zur Freude

Ich liebe meinen Mann. Klar, sonst hätte ich ihn nicht geheiratet. Und doch ist eine Ehe ein bisschen wie „die Katze im Sack kaufen“. Man redet vor der Hochzeit über eine ganze Menge – und über noch viel mehr wahrscheinlich nicht. Zumindest wir lernten uns erst während der Ehe besser kennen. Unterschiedliche Ansichten und Gepflogenheiten sind seither Anlass zur Freude, Ergänzung oder auch Herausforderung. 

Mein Mann ist handwerklich weder ungeschickt noch unwillig – als Besitzer von Haus und Garten ist das super. Aber er ist nicht der Typ mit der „Axt im Haus, die den Zimmermann erspart“. Und das ist auch super! Wenn es samstags in unserer Siedlung hämmert, sägt, flext oder die Hochdruck-Reiniger um die Wette spritzen, freue ich mich. Denn: Ich bin kein Fan von (meist lautem) Männerspielzeug – und mein Mann glücklicherweise auch nicht.

Kunst und Können

Ich bin nicht sicher, ob Kunst von Können kommt. Kunst hat sicherlich eine Menge mit Können zu tun, aber Können allein reicht nicht. Auf dem Gebiet der Logik nennt man so etwas eine notwendige Bedingung: Man muss etwas können, um etwas Künstlerisches zu erschaffen. Hinreichend ist die Bedingung jedoch nicht – nicht jedes Können erschafft Kunst. Weitere notwendige Bedingungen in diesem Fall sind zum Beispiel Kreativität und Vorstellungskraft, Initiative, Durchhaltevermögen. Aber auch diese sind nicht hinreichend – sie einzusetzen, führt nicht zwangsläufig zu Kunst.

Eine hinreichende Bedingung ist zum Beispiel, wenn ich esse und davon satt werde. Die Geburt ist ebenfalls eine hinreichende Bedingung, nämlich für den Tod. Ich würde aus dem Bauch heraus sagen, dass hinreichende Bedingungen stärker sind als notwendige Bedingungen – und seltener vorkommen. Trotzdem kenne ich einige, mindestens fünf: Die bloße Präsenz unserer Kinder produziert zwangsläufig Unordnung, schmutzige Wäsche und leere Vorratsregale – und in mir eine fast bedingungslose Liebe. Allerdings ist auch das keine Kunst: Sie können es einfach!

Im Schutze der Hecke oder: Die Giersch-Party

Zur Feier des Feiertages wässerte ich heute Morgen eine ansonsten oft vernachlässigte Buchsbaumhecke auf unserem Grundstück. Die Hecke steht am Rand und wächst – von uns weitgehend unbeachtet – vor sich hin. Unsere Pflegemaßnahmen beschränken sich auf unregelmäßiges Wässern zwischendurch und regelmäßiges Zurückschneiden im Herbst. Dafür sieht sie ganz gut aus.

Heute Morgen hatte ich Zeit für einen etwas gründlicheren Blick hinter die Hecke – was soll ich sagen? Es bot sich mir ein Bild des Schreckens: Im Schutze der Hecke war – von uns weitgehend unbeachtet – jede Menge Giersch und Co. vor sich hin gewachsen. Auf ausgiebiges Wässern hatte ich mich eingestellt: gemütlich mit dem Schlauch in der Hand und nebenbei in die Landschaft starren. Was ich stattdessen tat, war weniger gemütlich: hinter die Hecke kriechen und die Giersch-Party beenden. Der Schlauch wässerte auch ohne mich – wahrscheinlich sogar gründlicher.

PS: Dieser Text ist ein Beispiel dafür, dass manchmal schon in der Überschrift alle nötigen Informationen enthalten sind…

Der Anbetung würdig

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken.“
Jesaja 55, 8+9

In einem Gespräch über Anbetung ging es kürzlich um Gottes Größe und Allmacht und unser Staunen darüber. Wir waren uns einig: Gott ist der Anbetung würdig! Es fielen Begriffe wie „wunderbar“, „großartig“, „herrlich“ – kein Ausruf schien zu dick aufgetragen: Gott ist Gott.

Ich spürte ein kleines „aber“ in mir, obwohl ich glaube, dass Gott das alles ist – großartig und wunderbar, allwissend und allmächtig. Für mich ist er zusätzlich noch fremd und unbekannt, nicht zu greifen und in manchen seiner Handlungen (und Nicht-Handlungen) dadurch nur schwer auszuhalten. „Wunderbar“, „großartig“ und „herrlich“ klingen mir zu zahm; „undurchschaubar“, „souverän“ und „heilig“ sind für mich die passenderen Attribute.

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“, sagt Gott, „eure Wege sind nicht meine Wege.“ Ein paar Verse zuvor steht da: „Sucht den Herrn, ruft ihn an …, denn bei ihm ist viel Vergebung.“ Ich verstehe das so: „Betet mich an um meiner selbst willen – egal, ob ihr versteht oder wunderbar findet, was geschieht. Bleibt bei mir; hört nicht auf, mich zu suchen; lasst euch nicht entmutigen von (scheinbar) unerhörten Gebeten: Nicht eure Vorstellung von mir ist der Anbetung würdig, ich bin es.“