Zu deutsch

Ich mag Regeln, ich bin in dieser Frage sehr deutsch. Ich mag allerdings keine Regeln, die mir nicht einleuchten, meines Erachtens unnötig sind und meinen Alltag verkomplizieren: Im Kindergarten meines jüngsten Sohnes mussten die Kinder punktgenau um 12 abgeholt werden – zu früh sollte man nicht erscheinen, um die Abschiedszeremonie nicht zu stören; zu spät kam erst recht nicht in Frage. Mir leuchtete diese Regelung nicht ein, ich empfand sie als unnötig und meinen Alltag verkomplizierend. Außerdem spürte ich den Versuch der Erzieherinnen, mich zu erziehen – so als müssten die Eltern in die richtige Spur gebracht werden. Dass die Erzieherinnen meines Sohnes beide jung und kinderlos waren, machte die Sache nicht leichter.

Ich weiß, dass Regeln fast immer von außen kommen; die wenigsten setzen wir uns selbst. Ich weiß auch, dass diese Abmachung (wenn auch einseitig beschlossen) aus Sicht der Erzieherinnen ihre Berechtigung hatte, einen Sinn erfüllte – und nicht darauf abzielte, mich zu maßregeln. Dennoch fiel es mir sehr schwer, mich ihr klaglos zu beugen: Ich ärgerte mich fast täglich über sie – vor allem im Winter oder bei Regen. Es hätte so gut anders laufen können: Abschlusskreis eine Viertelstunde früher, zum Abholen eine Gleitzeit von zehn Minuten – alle wären zufrieden gewesen!

Noch fünf Jahre später denke ich manchmal daran, wie sehr mir „zu deutsch“ gegen den Strich geht.

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