Ein älteres Ehepaar bewegt sich langsam durch den Supermarkt. An der Kasse stapeln sie schwerfällig ihre Einkäufe und manövrieren umständlich ihre beiden Einkaufswagen. Vor allem der Frau scheint die derzeitige Hitze zuzusetzen. Ihre Maske sitzt nicht ganz korrekt, sie atmet schwer. „Ziehen Sie bitte ihren Mund-Nasen-Schutz über die Nase“, ruft der Kassierer der Frau zu. Per Gesetz hat er recht, dennoch frage ich mich, was das soll. Bei uns im Landkreis herrscht eine Inzidenz von 2,8: Im gesamten Landkreis wohnen 170.000 Menschen – statistisch gesehen müsste ich 60.000 von ihnen treffen, um einem mit Covid-19 zu begegnen. Und hier fordert ein junger Mann um die 30 eine ältere Dame um die 70 dazu auf, sich an die momentan geltenden Vorschriften zu halten. Geht es ihm darum, dem Gesetz Genüge zu leisten? Oder hat er tatsächlich Angst, dass diese (sehr wahrscheinlich geimpfte) Frau ihn oder andere Kunden anstecken könnte?
Eins der zehn Gebote bezieht sich auf den Sabbat, den Feiertag. Gott segnet ihn, wir sollen ihn heiligen. Einen Tag in der Woche sollen wir ausruhen von unserem Tun. Das ist keine Empfehlung; es ist eine Vorschrift, die uns manchmal kleinlich erscheinen mag. Gott weiß besser als wir, dass wir regelmäßig Pausen brauchen. Wie die anderen Gebote ist auch das Sabbat-Gebot wichtig für uns persönlich und für ein gelingendes Miteinander. Es gilt auch für Jesus; dennoch erlaubt er den Jüngern, am Sabbat zu heilen oder Ähren aufzulesen. Die Gesetzestreuen seiner Zeit ärgern sich darüber und fragen Jesus: „Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?“ (Markus 2, 24) Seine Antwort gefällt mir: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbat willen.“ (Markus 2, 27) Sich nur an den Regeln zu orientieren, ist nicht immer die beste Alternative – und nie die einzige.