Verlust

In der Fußgängerzone unserer Stadt ist es weihnachtlich geschmückt, aber die Straßen sind leer. Klar – der Einzelhandel hat noch zwei Wochen geschlossen, Lebensmittelläden gibt es nicht viele. Anstelle des normalen Weihnachtsmarktes steht auf einem Platz ein riesiger beleuchteter Tannenbaum und daneben ein einsamer Verkaufswagen für Lebkuchenherzen mit Text. Besucher gibt es so gut wie keine. Anstelle von Weihnachtskonzerten hören wir zu Hause Musik; sogar Gottesdienste stehen zur Disposition oder finden tatsächlich nicht statt – laut einiger Journalisten „aus Verantwortung und Nächstenliebe“.

Ich lege keinen Wert auf volle Straßen und Gedränge am Jahresende. Der Verzicht auf Glühwein, Zuckerstangen, gebrannte Mandeln und Schmalzgebäck ist für mich leicht zu verschmerzen. Die Hektik in den Straßen um Weihnachten herum regt mich eher auf – auch wenn ich selbst manchmal dazu beitrage. Und nicht alle Konzerte oder Weihnachtsfeiern sind nach meinem Geschmack. Dennoch: Manches reden wir uns schön – und tun so, als würde aus jedem gestrichenen Programm mehr Zeit für Besinnung und Familie. Aber es ist doch auch traurig, dass nichts öffentlich stattfinden kann! Die Leere in der Stadt wirkt trostlos – dabei ist sie nur ein kleiner Teil dessen, was anders ist. Der größte Verlust spielt sich hinter den Fassaden der geschlossenen Geschäfte und Kulturzentren ab; schwierig ist es vor allem für Marktbeschicker, nicht für die Besucher. Und einiges davon, was heute verschwindet, werden wir erst später betrauern.

2 Antworten auf „Verlust“

  1. . . . die letzten fünf Zeilen halte ich für sehr wesentlich. . .
    Was mich ein wenig irritiert: die Anführungszeichen weiter oben – das klingt für mich ironisch-ablehnend und prallt damit frontal gegen meine eigene Auffassung, die etwa so vorgefertigt war: Wieso beanspruchen die Kirchen eigentlich in dieser Situation Sonderrechte? Wenn Menschen mit 2m Abstand im Gottesdienst sitzen dürfen, warum dann nicht auch im Theater etc. -oder auch in einer Gaststätte? Solidarität (wie sie zumindest von Papst Franziskus angemahnt wird) müsste m .E. mindestens so oder ähnlich aussehen . . .

    1. Mir geht es nicht um Sonderrechte für die Kirchen: Ich frage mich tatsächlich, warum nicht auch Theater und Gaststätten öffnen dürfen – aber diese Debatte führt hier zu weit. Solidarität der Kirchen mit wem? Mit den Kulturschaffenden? Und wo bleibt dann die offene Tür für diejenigen, die in dieser Zeit Angst haben und einsam sind? Für Nächstenliebe heutzutage halte ich es nämlich nicht, wenn wir die Kirchen schließen, und auch nicht für verantwortlich. Für mich sind Gottesdienste konkrete Orte der Begegnung miteinander und mit Gott, Orte des Trostes und Vertrauens, dass Gott derselbe bleibt – auch wenn die Umstände neu sind und bedrohlich. Ein Gottesdienst kann Halt geben in einer Zeit, in der sich fast nichts mehr als tragfähig erweist. Insofern waren die Anführungszeichen ironisch gemeint, da hast du recht; aber das kannst du gern anders sehen.

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