Löwenzahn-Glück

Die Kaninchenbesitzerin unserer Familie ist für zehn Tage weg. In der Zeit bin ich zuständig für die Kaninchen. Diese Zuständigkeit strengt mich eher an, als dass sie mich erfreut. Demzufolge versuche ich, mir das Leben als Kaninchenhüterin so leicht wie möglich zu machen: So früh es geht, setze ich die Kaninis auf den Rasen – da draußen muss ich ihre Hinterlassenschaften nicht wegräumen. So spät es geht, setze ich sie wieder in ihren – zugegeben – großzügigen Stall, in dem sie sich die ganze Nacht bewegen können, wenn sie mögen. Ich suche Löwenzahn oder organisiere grünes „Kaninchenfutter“ im Supermarkt, damit die mir anvertrauten Tiere keinen Hunger leiden.

Ich stelle fest, dass ich mich über Kaninchenhalter-freundliche Umstände noch mehr freue als sonst:

Es ist Frühling und warm, derzeit ohne Regen – das heißt, die Kaninis können im Garten auf den Rasen.
Zudem habe ich eine von Löwenzahn verseuchte Wiese abseits der Straße gefunden, die nicht gleichzeitig Hundeklo ist.
Wenn sich die Widerspenstigere von den beiden Haustieren leicht fangen lässt, zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht.
Ein wenig kommen alte bäuerliche Gefühle in mir hoch, wenn ich mit den beiden oder ihrem Stall beschäftigt bin – auch wenn ich sie nicht essen möchte.

Trotzdem freue ich mich über eine Tatsache noch mehr: Von den zehn Tagen „Tochter weg“ sind fünf bereits vorbei.

Zuständig versus abkömmlich

Jahrelang hatte ich kleine Kinder um mich – erst eins, dann zwei, dann drei…, dann fünf. Jahrelang waren sie auf mich angewiesen, war ich rund um die Uhr zuständig, verantwortlich, letzte Instanz in allen Fragen oder auch Geschäften. Standardruf von allen und jederzeit: „Mama!“

Tagsüber lesen – unmöglich, tagsüber telefonieren – nur mit halbem Ohr bei den dann besonders viel Quatsch machenden Sprösslingen, tagsüber naschen – nur wenn die Schokoladen- oder Gummibärchen-Ration für alle reicht. Tagsüber irgendwas tun? Gern, wenn Gesellschaft dabei und Unterbrechung darin willkommene Größen sind. Langsam ändert sich das. Die Kinder lernen Vokabeln und fragen sich gegenseitig ab. Der Jüngste macht sich selbständig auf den Weg zu seinem Freund. Reiten, Fußball, Schlagzeug – machen sie alles allein und ohne Erinnerung meinerseits.

Und ich? Hänge noch drin in dem alten Muster. Mich unabhängig zu fühlen und nicht zuständig und – letztlich – sehr abkömmlich: Wenn ich ehrlich bin – das fällt mir schwer. Denn es lässt mich spüren, wie sehr die eine Lebensphase die andere ablöst und wie sehr ich mich neu orientieren muss – aber auch darf.

Noch findet meine 14-jährige Tochter es toll, dass ich mittags hier bin und etwas zu essen da ist und wir gleich oder später oder eben, wann sie will, über die neuesten Ereignisse in der Schule reden können. Aber auch das ändert sich: Einer meiner Söhne ist 15 und verhandelt manche Themen gar nicht mehr mit mir. „Du gehst spazieren? Mit wem denn?“ „Mama!!!!“ Klingt jetzt ganz anders…