Ein voller Erfolg!

Wir fahren zum Weinmarkt in die Stadt. Es ist gutes Wetter und entsprechend ist die Veranstaltung gut besucht. Sehr gut sogar: Sitzplätze sind sowieso belegt, aber auch Stehplätze sind schwer zu finden. Lediglich ein paar schmale, gewundene Pfade quer durch die Menge sind zu erkennen. Also quetschen wir uns hindurch – im Entengang mit einigen anderen, die auch (noch) kein Weinglas in der Hand haben. Während wir im Schneckentempo vorankommen, sehen wir einige Bekannte. Im Strom der Gehenden ist Stehenbleiben keine Option; zum Reden ist es zu laut.

Nach etwa fünf Minuten lichtet sich die Menge und wir landen vor den Toilettenwagen. Dort treffen wir eine unserer Töchter mit zwei Freundinnen. Sie warten auf `die anderen´, bevor sie sich fröhlich in das Gewimmel stürzen wollen. Dass es voll ist und sehr laut, stört sie nicht: „Ist halt so und besser, als wenn nix los wäre.“ Sie hat recht; für die Stadt ist die Fülle super und buchstäblich ein voller Erfolg: Das Geschäft in den angrenzenden Lokalen brummt ebenfalls.

Wir wählen für den Rückweg zu unseren Fahrrädern eine andere Strecke und fahren fröhlich wieder nach Hause. Auf der Terrasse sitzt man an diesem lauen Sommerabend auch gut – in Ruhe und (wer will) mit Wein.

Voll und trubelig

Früher waren wir als Familie mindestens einmal in der Adventszeit auf dem Weihnachtsmarkt: um der Kinder willen. Zu siebt war es aufgrund von `voll und trubelig´ schwierig, zusammen zu bleiben; wenn es doch gelang, war unser geballter Familienauftritt mindestens einem der Kinder peinlich. Dieses Jahr fuhr ich mit meinem Mann allein hin: Ich wollte einen Crêpe essen; dazu habe ich sonst selten Gelegenheit. Es war (wie immer) voll und trubelig; auch zu zweit verloren wir uns fast im Getümmel. Ich wartete länger auf meinen Crêpe (ohne Schnickschnack), als es dauerte, ihn aufzuessen. Und schon hatten wir genug: genug Weihnachtsmarkt, genug Menschen, genug Adventslieder, genug Gerüche und Stimmengewirr. In großem Bogen liefen wir zurück zu unseren Fahrrädern und fuhren nach Hause. Für andere mag es ein großartiges Erlebnis sein; für uns ist die Stadt ohne Weihnachtsmarkt ein attraktiveres Ausflugsziel. Auch die Aussicht auf Crêpes ändert daran nichts.

Voll zutreffend

`The days are just packed´ lautet der Titel eines Comic-Teiles aus der Reihe `Calvin and Hobbes´. Es erzählt von dem sechsjährigen Jungen Calvin und seinem Kuscheltiger Hobbes – für Calvin ein lebendiges Gegenüber. Eltern oder andere Figuren spielen nur Nebenrollen (passend zur Realität eines echten Sechsjährigen). In der deutschen Übersetzung heißt der betreffende Band `Ereignisreiche Tage´, was lange nicht so gut klingt wie die wörtliche Übersetzung: `Die Tage sind einfach voll´ gefällt mir viel besser und beschreibt manchmal auch mein Leben. Aber egal, wie sehr ich mich manchmal abmühen muss, um sie in den Griff zu bekommen, diese (meist selbst gewählte) Fülle: Der Gedanke an den englischen Titel des Buches zaubert mir JEDESMAL ein Lächeln ins Gesicht.

Voll

„Mein Leben ist ganz schön voll, zu voll“, höre ich immer öfter. Gemeint ist die Fülle an Arbeit, Familie, Unternehmungen. An sich ist alles schön, gut und wichtig, aber in der Summe ist das Leben von vielen Menschen zu voll. Was fehlt, ist eine gute Balance von Anspannung und Entspannung.

Neben beruflichen Entwicklungschancen (die lasse ich hier mal außen vor) gibt es zahlreiche Möglichkeiten: persönliche Hobbys, Freizeitangebote, Reiseziele, Kultur – diese Vielfalt ist großartig. Auch ich könnte mich in Aktivitäten verlieren.

Ich würde gern:

  • einen Tanz-Workshop machen,
  • in einem Laien-Chor singen,
  • solange Handstand üben, bis ich ihn sicher stehen kann,
  • mit Muße an einem Fotokurs teilnehmen,
  • mich der englischen Sprache nicht nur durch Bücher und Filme aussetzen, sondern sie richtig studieren,
  • doch nochmal Klavierunterricht nehmen (???),
  • Themenabende veranstalten und in kleiner Runde über Geschichte und Politik austauschen,
  • bei einem „personal trainer“ Kraulschwimmen lernen,
  • einmal die Woche klettern gehen,

All das sind keine unerfüllbaren Träume – die gibt es noch zusätzlich -, all das wäre theoretisch machbar und realisierbar. Vielleicht nicht alles auf einmal, ich müsste mich entscheiden. Noch aber scheitert die praktische Umsetzung an gewissen Grenzen: Meine Kraft, meine Kapazität, meine Zeit – nichts davon steht mir unbegrenzt zur Verfügung. Letztlich ordne ich meine persönlichen Wünsche dem Gesamtpaket unter. Es ist mir bewusst, dass ich nicht alles machen kann, was ich gern machen würde: Dann machte ich vor allem eins irgendwann – schlapp. Also verzichte ich freiwillig und lasse Dinge sein, die – wie man so schön sagt – derzeit nicht dran sind. „Es passt noch nicht“ bedeutet dabei nicht das Eingestehen einer Niederlage, sondern den weisen Umgang mit meinen Ressourcen. Verzicht ist nicht nur schlecht. Etwas nicht zu tun, verhindert, dass mein Leben zu voll wird. Und das ist mir wichtiger, als alles „unterzubringen“, was schön und möglich wäre.