Teuer? Ansichtssache!

„Es gibt nur noch Weihnachtsbriefmarken für 85 Cent“, sagt die Frau bei der Post, „weil das Briefporto zum neuen Jahr erhöht wird.“ „Schon wieder?“, entfährt es mir, „Ich kann mich noch an 50 Cent erinnern.“ Die letzte Porto-Erhöhung sei drei Jahre her, sagt die Frau hinterm Tresen verärgert, als wäre dies ihre eigene Entscheidung. Außerdem habe sie auch mal für fünf Euro die Stunde gearbeitet, die Zeiten änderten sich eben.

Da ist Musik in der Luft, spüre ich, weitere Kommentare spare ich mir. Vielleicht hat sie recht, vielleicht ist das Briefporto viel zu günstig – im Vergleich mit irgendetwas. Aber ich sehe wie klein und leicht meine Briefe sind und finde es teuer, dass einer davon bald 95 Cent kosten soll: immerhin fast so viel wie ein Liter Milch.

Ein paar Tage später schicke ich einen Brief nach Australien – für vergleichsweise günstige 1,10 Euro, und einen Kalender nach England – für nicht ganz so günstige 16,99 Euro. Da werde noch einer schlau aus der Preispolitik der Deutschen Post.

Besonders und umsonst

Wir gehen selten essen; es ist nicht normal, sondern etwas Besonderes für uns. Deshalb darf es dann auch etwas mehr kosten als zu Hause; schließlich bezahlt man den Service mit und dass man sich auch nicht ums Kochen kümmern muss. Kürzlich waren wir (aus besonderem Anlass) in einem mexikanischen Restaurant. Es schmeckte in Ordnung, aber eher normal als besonders. Entsprechend erstaunten mich die Preise – wie heutzutage überall: ganz schön teuer. Ab und zu ist das in Ordnung. Und doch denke ich wehmütig an unseren letzten Urlaub im Herbst. Wir waren in Süd-England in einem Airbnb; sehr gute Freunde von uns wohnen dort in der Nähe. Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen, gingen viel spazieren und besuchten sie oft in ihrem kleinen Häuschen. Fast jeden Abend wurden wir bekocht. Meine Freundin ist eine sehr gute Köchin, ohne viele Worte davon zu machen. Sie benutzt kaum Rezepte und zaubert wie beiläufig sehr besondere und ausgesprochen leckere Gerichte –für uns: alle umsonst!

Doppelt teuer

Eine Nachbarin begegnet mir auf dem Weg zum Supermarkt. „Es ist alles so teuer geworden“, sagt sie. Da ich gerade vom Bäcker komme, gebe ich ihr Recht: Mein Lieblingsbrot steht nur noch selten auf unserem Speiseplan, weil sich sein Preis fast wöchentlich erhöht. Wahrscheinlich sind die gestiegenen Energiekosten verantwortlich für die Verteuerung von Lebensmitteln und anderen Dingen `des täglichen Bedarfs´.

Um hohe Gasrechnungen geht es fast täglich in den Zeitungen, ebenso um steigende Stromkosten. Aber nicht nur die Energie selbst wird teurer, sondern auch die Dinge, die mit Energie produziert werden – also alle. Ergo wird der Verbraucher dann zweimal zur Kasse gebeten … Ich frage mich, ob das dann auch als doppelte Inflation gilt?

Teuer?

Ich kaufe ein Glas Honig und ein paar Haribo-Tüten, um beides ins Vereinte Königreich zu schicken. Als ich bei der Post den Preis für den Versand höre, stockt mir fast der Atem – und ich versende das Paket trotzdem. Auf dem Weg nach Hause beruhige ich mich mit dem Gedanken, wofür ich alles kein Geld ausgebe: teures Make Up, Schmuck, häufiges Essengehen, Flugreisen, ein zweites Auto, neueste Technik … Ich hatte das Geld übrig, dieses Päckchen zu verschicken, der Adressat ist es mir wert. Dennoch: In mir drin meldet sich ein unüberhörbares Stimmchen, das `zu teuer´ flüstert.

Dabei sind Dinge nicht nur objektiv teuer, sondern auch relativ. Verglichen damit, dass eine Schachtel Zigaretten mittlerweile 7€ kostet, ist ein Brot vom Bäcker seine vier, fünf Euro wert: Zigaretten kann ich rauchen, Brot muss ich essen. Wenn ich ein schickes Auto der neuesten Generation lease, nur um `mithalten zu können´, wäre der Griff zu einem gebrauchten Wagen deutlich günstiger – und außerdem noch gut fürs Selbstbewusstsein.

Und: In Relation zu den 50€, die meine Nachbarin kürzlich für überhöhte Geschwindigkeit zahlen musste, war mein Paket nicht teuer – und macht niemanden ärgerlich, aber jemanden glücklich.