Ganz schön schnell!

Viele finden es gut, dass man auf deutschen Autobahnen teilweise so schnell fahren darf, wie man will. Ein Tscheche fuhr vor kurzem kurzzeitig mehr als 400 Stundenkilometer – und brachte die Gemüter in Wallung. Einige staunten, andere schüttelten den Kopf. Es hängt sehr vom Auto ab, wie schnell man etwas empfindet: In unserem Auto reichen mir 160 Stundenkilometer, um mich `ganz schön schnell´ zu fühlen: Unter Kontrolle habe ich auch das nur, wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht und alle anderen mit aufpassen. 400 sind mehr als doppelt so viel – was ziemlich abstrakt klingt: Konkret sind es 111,11 Meter pro Sekunde. Das bedeutet, dass dieser Tscheche einmal durch unsere Straße rast, während ich die ersten zwei Schritte mache, um sie zu überqueren. Das ist nicht nur ganz schön schnell, sondern meiner Meinung nach zu schnell – auch auf einer leeren Autobahn. Nicht alles, was man darf, ist auch gut.

Schnell

Gerade habe ich mir noch Gedanken über das Unwort des Jahres 2021 gemacht (`Pushback´, das passt insofern, als ganz viele Menschen es nicht verstehen) – da ist der Januar des Jahres 2022 schon fast wieder vorbei. Es ist unfassbar, wie die Zeit vergeht. Einziger Trost dabei: Bald schon ist Sommer – und vielleicht fällt den Verantwortlichen für 2022 wieder ein verständlicheres Unwort ein!

Das Leben

Das Leben ist kurz und geht schnell vorüber.

Früher waren wir „jung und unerfahren“; heute sind wir plötzlich „die Älteren mit Lebenserfahrung“. Die Jahre dazwischen verliefen unter dem Motto „Versuch macht klug“. Es wird genauso weitergehen. Das Leben bleibt ein Übungsfeld: schwer plan- und nicht vorhersehbar – es hilft, flexibel zu bleiben.

Jüngere dagegen nehmen uns anders wahr – und halten uns vielleicht sogar für klug. Dabei sind wir nur ein bisschen abgeklärter: Heute können wir besser einschätzen als früher, was geht und was nicht. Wir wissen, was wir können und wollen – und wovon wir lieber die Finger lassen. In uns wichtigen Fragen nehmen wir kein Blatt mehr vor den Mund; über Oberflächliches reden wir ungern. Wir halten das Schweigen aus, denn fürs Drumherumreden ist uns unsere Zeit zu schade.

Das Leben ist kurz und geht schnell vorüber.

Kräftemessen

Zwei zehnjährige Jungen spielen im Garten, spielen Fußball, tauchen im Pool ab und wieder auf – und laufen um die Wette: „Du bist bestimmt schneller, ich kann nicht so schnell rennen“, sagt mein Sohn. Häh? Abgesehen davon, dass er den anderen Jungen nicht gut kennt: Mein Sohn weiß, dass er selbst sehr flink ist. Er hat das schon oft erlebt, wir haben es schon häufig bestätigt. Warum sagt er das? Möchte er bescheiden oder freundlich sein oder den Konkurrenten in Sicherheit wiegen? Ich weiß es nicht.

Sie laufen um die Wette, mein Sohn gewinnt (knapp). Glücklicherweise kostet er den Sieg nicht lautstark aus. Anschließend spielen sie fröhlich weiter zusammen. Jungen brauchen den Wettbewerb…

Schnell unterwegs?

Vorgestern war ich laufen, ziemlich früh, weil es im Laufe des Tages heiß werden sollte. Ich war schnell unterwegs – allerdings sicher nicht anders schnell als sonst auch. Sonst habe ich manchmal meinen Mann an der Seite. Er kann nichts dafür, aber neben ihm komme ich mir langsam vor. Seine Beine sind länger, seine Schritte weiter, sein Atmen ruhiger. Meist liegt er eine halbe Armlänge vor mir. Er tut das nicht, um mich zu ärgern – keineswegs. Aber all das hinterlässt bei mir den Eindruck, langsam zu sein. Ich laufe trotzdem gern mit meinem Mann, aber vorgestern war´s ohne ihn auch sehr schön. Ich war schnell unterwegs.

Das Leben ist kurz

„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn´s hoch kommt, so sind´s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“
Psalm 90, 10

Je länger ich lebe, umso öfter denke ich, wie kurz das Leben ist und wie schnell die Zeit vergeht. Sie vergeht natürlich nicht schneller als früher, es kommt mir nur so vor – das ist mir schon klar. Ich nehme den Zeitverlauf bewusster wahr, weil ich anders beobachte als früher.

Kleine Kinder lernen andauernd etwas: Sie lernen sprechen und laufen, werden trocken, lernen Fahrrad fahren und schwimmen, kommen in den Kindergarten und später in die Schule. Der Alltag mit ihnen ist bestimmt von immer wiederkehrenden Aufgaben – tage-, wochen-, monatelang. Jeder Entwicklungsschritt ist ein willkommener Erfolg: Keine Windeln mehr, keine Brote mehr schmieren usw. Und natürlich verändern kleine Kinder sich optisch und wachsen schnell. Weil ich aber als Mutter kleiner Kinder so eingespannt war, nahm ich diese Veränderungen oft vor allem im Nachhinein wahr – beispielsweise durch das seltene Anschauen von Fotos.

Seit einigen Jahren schon beherrschen alle unsere Kinder weniger meinen gesamten Alltag als vielmehr grundsätzliche Lebensfertigkeiten. Bald werden alle auf dieselbe Schule gehen. Mein Leben ist weniger voll, ich habe mehr Gelegenheit zum Innehalten. Und so registriere ich bewusst, wie meine Kinder älter, größer und reflektierter werden und immer mehr auf meine Augenhöhe kommen.

Ich sehe, wo die vergangenen 15 Jahre geblieben sind – aber nicht nur in den Kindern: Auch meine eigene Belastbarkeit empfand ich früher als gleichförmig stabil und stark. Dem ist seit einigen Jahren nicht mehr so, heute spüre ich eher meinen eigenen körperlichen Verfall. Es stimmt, wenn der Prediger über das Leben sagt „… es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“ Also will ich im Verfliegen der Zeit die Ruhe bewahren und einzelne Momente, Stunden, Tage und Lebensphasen bewusst erleben, genießen und gestalten. Ich fliege nicht mit, ich halte inne im Jetzt.