Nicht dazu kommen … 

Eine Bekannte ist seit einem Jahr in Rente. Theoretisch hat sie mehr Zeit für die Dinge, zu denen sie bisher nicht gekommen ist: regelmäßig Sport, Fotos sortieren und zu Fotobüchern verarbeiten. Praktisch kommt sie immer noch nicht zu genau diesen Tätigkeiten. Sie sagt, es gäbe immer etwas anderes zu tun.

Zwar rede ich wie die Blinde von der Farbe – ich bin nicht berufstätig, sondern zu Hause beschäftigt. Entsprechend habe ich wahrscheinlich mehr Zeit, über die ich selbstbestimmt verfügen kann. Dennoch schätze ich, dass es mir ähnlich geht wie berufstätigen Menschen: Was uns wichtig ist, bauen wir irgendwie ein in unseren Alltag – wie umfangreich oder geringfügig auch immer. Ich halte die Idee für illusorisch, mit der Rente würden wir automatisch die frei verfügbare Zeit anders nutzen als bisher. Natürlich kann man sich das vornehmen – und muss dann aber auch entschlossen daran arbeiten, beispielsweise ein neues Hobby zu etablieren. Sonst kommt man (Rente hin oder her) weiter nicht zu dem, was vorher auch schon liegen geblieben ist.

Rente

Je älter man wird, umso mehr rücken vormals in ferner Zukunft liegende Ereignisse in greifbare Nähe: Erst schreckte mich meine Rente, weil sie nach „alt“ klang; dann kam die Zeit, in der meine Rente mich nicht interessierte, weil sie nach „sehr wenig“ klang. Kürzlich las ich von der Respektrente – das Wort ist „jung“ und hört sich irgendwie „nach mehr“ an.

Rente

Eine Freundin von mir freut sich auf ihre Rente. Nach ihrem Urlaub diesen Sommer dachte sie: „So könnte es jetzt weitergehen, ich wüsste auch als Rentnerin etwas anzufangen mit meiner Zeit.“ Leider – oder glücklicherweise – ist sie noch nicht so alt, aber eben auch noch nicht alt genug, als dass sie schon jetzt mit nennenswerten Rentenbezügen zu Hause bleiben könnte.

Eine andere Freundin ließ sich in dem Zusammenhang zu der Bemerkung hinreißen: „Für Mütter gibt es keine Rente.“ Ich dachte zunächst nur an die Arbeit und schüttelte im ersten Moment den Kopf, denn die Aufgabenfülle mit heranwachsenden Kindern wird für Mütter ja doch weniger. Andererseits stimmt es, dass die Berufung als Mutter nie ganz aufhört – und nicht klar ist, wie nennenswert die Bezüge sind, wenn man dann doch irgendwann „in Rente“ geht.