Beruhigend gut informiert?

„Als ich aber nach Troas kam, zu predigen das Evangelium Christi, und mir eine Tür aufgetan war in dem Herrn, da hatte ich keine Ruhe in meinem Geist, weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand; sondern ich nahm Abschied von ihnen und fuhr nach Mazedonien.“
2. Korinther 2, 12+13

Paulus geht nach Troas – wahrscheinlich zu Fuß – und will die Gemeinde dort besuchen. Außerdem ist er dort mit Titus `verabredet´; aber der ist nicht da. Weil Paulus das beunruhigt, macht er sich auf die Suche nach Titus.

„Denn als wir nach Mazedonien kamen, fanden wir keine Ruhe; sondern von allen Seiten waren wir bedrängt, von außen mit Streit, von innen mit Furcht. Aber Gott, der die Geringen tröstet, der tröstete uns durch die Ankunft des Titus; nicht allein aber durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, mit dem er bei euch getröstet worden war.“
2. Korinther 7, 5-7

Es dauerte sicherlich eine Weile, von Troas nach Mazedonien zu gelangen. Aber letztlich trifft Paulus Titus wieder und freut sich über die (einige Tage alten) `Neuigkeiten´, die dieser ihm von den Korinthern überbringt.

Ich beneide die beiden Männer ein wenig um das Tempo, in dem sie unterwegs waren. Paulus und Titus hatten nicht mehr Zeit als wir und nicht weniger zu tun. Aber sie waren weniger gut informiert – und die einzelne Nachricht hatte über Tage oder sogar Wochen Bestand. Heutzutage sind wir besser informiert und, was gestern aktuell war, ist morgen schon wieder `veraltet´. Täglich erhalten wir viele Meldungen; die meisten sind letztlich nicht relevant für uns – und beschäftigen uns doch. Das gilt für gute und schlechte Nachrichten gleichermaßen: Hätte Titus digital einen `alles in Ordnung´-Gruß schicken können, wäre Paulus in Troas geblieben. Es kann also beruhigend wirken, wenn Nachrichten sich schnell verbreiten und man gut informiert ist. Ich erlebe jedoch, dass `gut informiert´ heutzutage eher mit beunruhigenden Nachrichten zu tun hat …

Informiert

Ich bekomme selten Post, bin in kaum einem E-Mail-Verteiler, nutze keine Messenger-Dienste (außer SMS) und lese höchstens eine Tageszeitung (und diese nur halb). Die meisten meiner Bekannten empfangen mehr Nachrichten; aber wissen sie automatisch mehr? Unser Hirn ist nur begrenzt in der Lage, immer neue Nachrichten zu verstehen, zu sortieren und abzuspeichern. Außerdem entwertet die Fülle der Nachrichten die einzelne. Wichtiges landet ebenso im Müll wie Unwichtiges – das eine ist vom anderen nur schwer zu unterscheiden. Ich wähle aus, und zwar subjektiv und willkürlich: Welche Information nehme ich überhaupt zur Kenntnis, welche glaube ich oder tue sie als falsch oder irrelevant ab.

Mehr Information ist kein Garant für „gut informiert“ – viel hilft nicht viel. Das Gegenteil gilt ebenso: Weniger Information bedeutet nicht „schlecht informiert“. Wichtiger ist wahrscheinlich, wie unvoreingenommen ich Nachrichten begegne und mit meiner eigenen Fehleinschätzung rechne. Ein und dieselbe „Wahrheit“ sieht aus verschiedenen Perspektiven manchmal ganz unterschiedlich aus. Aber das gibt niemand gern zu – egal, ob er gut oder schlecht informiert ist.

Was heißt schon „informiert“?

„The kind of food we devour will determine the kind of person we become.“
J. Stott
(Das, womit wir uns füttern, bestimmt, was für ein Mensch wir werden.)

Viele Nachrichten sind sicherlich wichtig. Neuigkeiten gehen in Windeseile um die Welt. Wenn wir sie regelmäßig lesen, kommen wir uns informiert vor. Morgen sind die Neuigkeiten von heute jedoch schon wieder alt. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, sagt mein Mann manchmal so treffend, wenn ich ihn festnageln will auf eine im Vorbeigehen getätigte Aussage.

Welche der Nachrichten interessieren mich wirklich? Fußballergebnisse, Naturkatastrophen, persönliche Desaster anderer Menschen, Auffahrunfälle in Süddeutschland, die letzten Tweets von Donald Trump… Das Wissen um all diese Dinge hat Platz in meinem Hirn, das ich ohnehin nur zu einem geringen Teil auslaste. Viele dieser Informationen sind allerdings sehr vergänglich und machen mich nicht schlauer, lassen mich nicht anders reagieren, berühren mich letztlich nicht wirklich. Ich muss und kann auswählen, womit ich mich füttere. Zumal ich mir ganz viel auch nicht wirklich merken kann.

Dietrich Bonhoeffer wusste sehr viel, war viel schlauer als ich und durchschaute die Welt seiner Zeit. Er wusste aber auch, sich zu beschränken und wählte sorgfältig aus, welchen Informationen er sich aussetzte. Er sagte schon vor 70 Jahren, wir sollten mehr Bücher lesen und weniger Zeitung. Allgemein sehr belesen, kannte er als Theologe die Bibel besonders gut. Einzelne Verse hat er tage- oder sogar wochenlang meditiert. Er wusste: ALLES, was wir mit unserem Geist aufnehmen, formt uns. Also entschied er sich, wie, von wem und durch welche Informationen er sich formen lassen wollte. Er gab dem Raum, was er für wichtig und gut und notwendig hielt. Das machte ihn letztlich zu dem, der er bis zuletzt war – ein besonderer, starker Mensch, im Frieden mit sich und Gott, getragen, voller Hoffnung und bis zuletzt ein Trost für die Menschen um ihn herum.

Heutzutage lesen wir noch immer Bücher und die Zeitung entweder gar nicht oder nur oberflächlich. Stattdessen informieren wir uns pausenlos im Netz, saugen Informationen auf wie ein Schwamm – ungefiltert, unkontrolliert, ungeachtet der Sicherheit der Quelle und denken, wir wären informiert. Ob uns diese Gehirn-Nahrung zu starken und weisen Menschen macht, wage ich zu bezweifeln. Trotzdem gelten wir nicht gern als „schlecht informiert“. Obwohl das ein sehr zweifelhaftes und vor allem nicht hilfreiches Gütezeichen ist…