BERLIN

Ich war in der Hauptstadt und mein Kopf ist voll davon: Dort ist alles lauter und schneller – eine fast unüberschaubare Fülle an Eindrücken. Auch die persönlichen Begegnungen (mit den Berlinern) sind anders und deshalb horizonterweiternd.

Nach einem Wochenende dort muss ich zu Hause den Kopf wieder frei bekommen: für mein stilles, langsames und überschaubares Leben. Die horizonterweiternden Gedanken und Gefühle bewege ich noch eine Weile in Kopf und Herz.

Horizonterweiternd

Meine Landwirt-Freunde haben genaue Auflagen, wie viel sie beregnen dürfen. Bei Zuwiderhandlungen werden Strafen fällig. Für die Bewässerung des Sportplatzes daneben gelten andere Regeln. Darüber kann man staunen oder sich ärgern – je nachdem.

Der ehemalige Fußballtrainer meiner Tochter – um die 40, kurdische Wurzeln – erzählt mir, dass seine Mutter langsam durchdreht: Der November-Lockdown fällt mit einigen Trauerfällen in der erweiterten „Familie“ zusammen, zu denen sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht fahren darf. In seiner Kultur sei das im Grunde undenkbar und fast unverzeihlich, sagt er – jedenfalls für die Generation seiner Mutter.

Eine Frau in der Nachbarschaft fegt Laub auf ihrer Straße. Ich bleibe kurz stehen und erfahre von den Schwierigkeiten, „in dieser besonderen Zeit“ ihre Goldene Hochzeit mit den drei Kindern und deren Familien zu feiern.

Seit einiger Zeit begleite ich eine ältere Dame manchmal bei ihren Spaziergängen; wir unterhalten uns sehr ehrlich miteinander: Ihr Leben ist durchzogen von Zerbruch, Entzweiung und kaputten Beziehungen. „Ich habe mir mein Leben anders vorgestellt“, sagte sie kürzlich. Mich macht das traurig – für sie – und dankbar für das gute Miteinander, in dem ich seit 50 Jahren „zu Hause“ bin. 

Spaziergänge sind horizonterweiternd!