Garten und so

Beim Gang `um den Pudding´ passieren wir einen Vorgarten nach dem anderen; sie unterscheiden sich signifikant. Spontan fallen uns Kategorien ein, jeweils mehrmals vertreten:

Profis am Werk – täglich
Tip-top in Ordnung und nahezu unkrautfrei
Liebevoll betüdelt, mit Mut zur Lücke
Bewusst pflegeleicht
Ganz passabel
Wir tun nur das Nötigste

Unser eigener befindet sich wohl nahe der Mitte. Ein Garten aber sticht heraus. Selbst in der beginnenden Dämmerung erahnen wir den Leitspruch dieser Hausbesitzer:

Ach, … , lass, es ist ein zu weites Feld …

Unser bestes Stück

Wir haben einen großen Garten. Ringherum wachsen Büsche und Sträucher; im Sommer schaut man überall ins Grüne, das ist schön. Seit ein paar Jahren müssen wir aufpassen, dass uns immergrüne und blatt-abwerfende Büsche gleichermaßen nicht über den Kopf wachsen. Dabei behilflich sind uns verschiedene Gartengeräte: Bei hartnäckigen Verholzungen greifen wir zu Säge oder Axt, für den Rest reichen diverse Scheren. Aber wohin dann mit der Biomasse, die am Boden liegend so viel mehr Raum einzunehmen scheint als an der Pflanze?

Die schiere Menge an Material lässt uns zwei Optionen: jährlich mehrere Fahrten zur Müllumladestation oder hauseigene Weiterverarbeitung. Schon vor über zehn Jahren entschieden wir uns gegen die umständliche Fahrerei und kauften einen kleinen, aber leistungsstarken Gartenhäcksler. Seither ist dieser Nadelöhr und Masse-Bezwinger in einem. Es zerkleinert sich (wie bereits an anderer Stelle erwähnt) langsamer, als es sich abschneidet. Andererseits frisst sich der Häcksler unermüdlich durch festes, biegsames, verholztes oder frisches Schnittgut. Im Herbst steht er für ein paar Tage im Zentrum der Aktivität und bringt uns zum Staunen – unser bestes Stück.

Geteilter Ärger

Im Garten beim Zurückschneiden und Häckseln; die Sonne scheint. Wir kommen gut voran, quatschen ein bisschen, scherzen und nähern uns dem Ende. Als vorletzten Busch für heute stutzt mein Mann eine Korkenzieher-Hasel – großzügig, denn wir hatten sie jahrelang wachsen lassen. Die verdrehten Äste lassen sich nicht gut häckseln und wir kommen gar nicht mehr gut voran. Mein jüngster Sohn und ich häckseln jetzt schweigend und ernst vor uns hin, dann hilft auch mein Mann.

Es ist eine mühselige Angelegenheit, immer mal wieder unterbrochen davon, dass der eine oder andere sich kurz abwendet: Ausdruck mühevoll unterdrückten Frusts. Zwischendurch würde ich am liebsten jemanden anschreien oder alles kurz und klein schlagen. Aber ich tue es nicht, denn niemand und nichts ist schuld an der Misere. Also beiße ich mich durch, genau wie Mann und Sohn.

Ich staune mal wieder, wie viel Ärger in mir steckt: in diesem Fall nur, weil eine Arbeit nicht geschmeidig vorangeht. Es ist gut, diesem Ärger keinen Raum und dadurch auch keine Macht über mich zu geben – und es fällt mir viel leichter, weil wir zu dritt hier stehen. Irgendwann sind wir fertig, denn auch unangenehme Tätigkeiten sind am Ende nur eine Frage von Zeit, Fleiß und Geduld.

Pflegeleicht: nicht so einfach

Ich begegne einer Bekannten; ihre kleine Tochter trägt sie im Tragerucksack vor der Brust. „Und wie läuft es so mit Baby“, frage ich, denn wir haben uns länger nicht gesehen. „Pflegeleicht“, sagt sie lächelnd – und klingt glaubhaft: Die Kleine schläft. Pflegeleicht waren unsere Kinder auch, denke ich, aber normalerweise nutze ich diesen Begriff eher für unseren Garten. Und der ist inzwischen nur deshalb pflegeleicht, weil wir viele Jahre genau darauf hingearbeitet und uns intensiv um ihn gekümmert haben. Wir haben uns Gedanken gemacht und außerdem gepflanzt und rausgerissen, beschnitten und umgesetzt und was weiß ich. Es dauerte, bis der Garten so wurde, wie er jetzt ist: ein Ort, an dem man gern ist und der wenig Korrektur bedarf. Ganz ohne Pflege wäre unser Grundstück heute verwahrlost und zugewuchert – und nicht pflegeleicht, wie ich es verstehe.

Ich schätze, dass für Kinder ähnliches gilt: Auch sie brauchen Eltern, die sich Gedanken machen, prägen und gute Grenzen vermitteln. Nur dann werden sie sich zu Menschen entwickeln, in deren Nähe man gern ist und die immer weniger Korrektur benötigen. Ein pflegeleichtes Kind ist eben nicht ohne Pflege zu haben, sondern im Gegenteil das Ergebnis intensiven Kümmerns – ohne Erfolgsgarantie.

Im Garten

Für meine Freunde hier in Australien ist es wichtig, nachhaltig zu leben – auf 43 Hektar Land. 42 Hektar davon lassen sie überwiegend in Ruhe beziehungsweise greifen nur zurückhaltend ein. Viel Handarbeit fließt in das Gelände um Haus und Werkstatt herum, vor allem in den Gemüsegarten. In diesem hocke ich einige Nachmittage, jäte Unkraut, verteile Kompost und mulche anschließend mit Heu. Für zwei etwa zwanzig Meter lange Beete mit Knoblauch benötige ich insgesamt etwa sechs Stunden.

Sicherlich ist der Knoblauch anschließend besonders geschmackvoll und rein Bio sowieso. Der Aufwand ist dennoch immens. So retten wir die Welt wahrscheinlich nicht und bekommen außerdem nicht alle satt, denke ich. Aber meine Freunde (beide über 80) tun eben, wovon sie überzeugt sind und was sie können.

Ich helfe freiwillig und sehr gern: einfach, weil ich (wie vor 31 Jahren auch) hier sein darf. Um mich herum schwirren rot-blaue Sittiche (crimson rosellas), im Wald lachen Kookaburras; die Kängurus kommen erst in der Dämmerung. In Australien macht Gartenarbeit viel mehr Spaß als zu Hause.

Im Garten

Unter einigen Eiben (im Garten erwünscht) hat sich eine Brombeere (im Garten nicht erwünscht) breitgemacht oder irgendetwas ähnliches mit fiesen Dornen. Die Pflanze treibt jedes Jahr neu aus – zuverlässig und kräftig. Mein Mann sagt, sie ließe sich nicht ausbuddeln; die Stelle sei durch die Eiben zu verwurzelt. Um deren Wurzeln zu schonen, lassen wir die Wurzeln der Brombeere also, wo sie sind. Stattdessen schneide ich die Triebe immer wieder bis auf die Erde zurück. Meist warte ich damit zu lange: Dieses Jahr dauert das Kürzen fast eine Stunde – eine Arbeit, die ich mir auch nicht mit `Bewegung an der frischen Luft´ schönreden kann.

So kann es nicht weitergehen: Die Brombeere muss raus – Eibenwurzeln hin oder her. Ab sofort schonen wir mich!

Im Garten – geht doch

Mein Mann hat zwei Kletterhortensien gekauft, inklusive der zu ihnen passenden Blumenerde: „Wenn du magst, kannst du sie einpflanzen; das Wetter passt ja.“ Das klingt nach einem ersten Garteneinsatz im Frühling – eine Idee, die mich selten begeistert. Denn NACH dem Winter und direkt vor Ort ist viel zu tun, was IM Winter und aus sicherer Terrassenentfernung nicht zu sehen ist: Das Unkraut sprießt offenbar schon geraume Zeit; abgestorbene Pflanzenreste verschwinden doch nicht von allein (altes Laub auch nicht) und auch der Rasen befindet sich schon wieder in der Wachstumsphase. Buchstäblich überall sind potentielle Ecken, an denen ich mich stundenlang abarbeiten könnte, ohne dass hinterher viel zu sehen wäre.

Angesichts von Wind und Nieselregen hatte ich daher heute Morgen wenig Lust auf Garten, wusste aber, dass gerade feuchte Kälte genau richtig ist fürs Pflanzen. `In einer halben Stunde bist du fertig´, überredete ich mich selbst, `Hortensien einbuddeln und gut.´ Ich wechselte in mein Gartenoutfit und ging an die Arbeit. 20 Minuten später waren die Kletterhortensien versorgt. Danach verteilte ich die ausgegrabene Erde anderswo im Garten, versetzte ein paar Narzissen (damit sie besser zu sehen sind) und entfernte, was mir an Unkraut in den Blick kam. Anderthalb Stunden später hatte ich mehr erledigt als geplant (aber weniger als möglich) und ein super Gefühl im Bauch: Mein erster Garteneinsatz war überschaubar und vom Vorher-Nachher-Effekt her wahrscheinlich ein größerer Erfolg als jeder, der dieses Jahr noch folgen wird.

Geht so nicht

Wir mussten (notgedrungen) ein neues Beet anlegen, weil eine entwurzelte Tanne eine Freifläche hinterlassen hatte. Leider liebt jegliches Unkraut frisch angelegte Beete wie die Motte das Licht: Ich muss regelmäßig jäten. Heute kommt mir dabei ein (für mich) ketzerischer Gedanke: Ich mag unseren Garten, aber ich könnte auf das `Beackern´ desselben verzichten. Leider geht das so nicht – man kann nicht alles haben wollen und nichts dafür tun.

Es sei denn, wir gestalten das Beet um in eine Sitzfläche … 

Unser Garten

Am frühen Morgen wässere ich einige unserer Büsche und lasse meinen Blick durch den Garten schweifen. Mein Mann kommt vorbei und wirft etwas auf den Kompost. „Einen schönen Garten haben wir!“, rufe ich ihm zu. „Stimmt!“ Er grinst: „Hat ja nur … 23 Jahre gedauert.“ Damals stand auf dem Grundstück ein Haus, drumherum nur Rasen mit ein paar Apfelbäumen. Nach eigenem Gutdünken haben wir Beete angelegt; Pflanzen kamen – die meisten `geerbt´ – und gingen: Einige haben wir nach ein paar Jahren wieder rausgeschmissen. Erst mit der Zeit ist der Bewuchs entstanden, den wir heute haben: wenig Stauden, viele Büsche und Bodendecker, einiges wächst ineinander, keineswegs unkrautfrei. Der Garten passt zu uns, wir finden ihn schön. Es muss nicht das Schlechteste sein, wenn etwas lange dauert.

Ein Garten und seine Folgen

Unser Garten ist groß und pflegeleicht, aber ein bisschen Arbeit fällt doch an: Rasen mähen, ab und an wässern, in den Herbstferien schneiden wir Büsche und Sträucher zurück und häckseln das Grünzeug. Die Kinder machen mit – und diskutieren im Vorfeld länger über den Einsatz, als dieser dann dauert. Aber sie kommen doch mit und finden es letztlich „ganz in Ordnung“; vielleicht auch, weil wir solch eine Garten-Aktion häufig mit Würstchen über dem offenen Feuer beenden.

Im Garten zu sitzen und ihn zu genießen, entspannt die Seele und ist Erholung für den Geist; aber im Garten zu arbeiten und ihn zu erhalten, wirkt sich noch positiver aus auf die Persönlichkeit: Eine sinnvolle, gemeinnützige Tätigkeit, deren Resultate man direkt sieht, zusammen mit liebenswerten Gefährten – was kann einen besser auf das Leben in Gemeinschaft vorbereiten?