(K)ein Besuch

Eine Freundin von weit weg fragt, ob sie für ein paar Tage bei uns wohnen und von hier aus eine Konferenz besuchen kann. Ihre Mail erwischt mich in einem ungünstigen Moment: Wir haben drei intensive Wochen mit einigen extra Ereignissen hinter uns und fühlen uns ausgelaugt. Erst am Wochenende sprachen wir darüber, dass wir unser Programm bewusster beschränken müssen. Meine spontaner erster Gedanke lautet daher: `Nein.´

Ich rede mit meinem Mann darüber; für ihn ist die Sache weniger eindeutig. Letztlich einigen wir uns darauf, dass ich einen Kompromiss vorschlage: treffen ja, aber kürzer. Wie sage ich meiner Freundin, dass mir ihr Besuch zu viel ist – zumindest so, wie sie ihn sich vorstellt? Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, aber irgendwann schicke ich die Mail ab.

Ein paar Stunden später auf dem Sofa halte ich meine Entscheidung noch immer für gut – und komme mir dennoch brutal vor. Es ist nicht so leicht, die Erwartung eines anderen zu enttäuschen. Schließlich ist sie meine Freundin! Für wen sonst würde ich gern mein Haus öffnen? Andererseits: Wer, wenn nicht eine Freundin, kann eine ehrliche Antwort aushalten und hat diese auch verdient?

Keine beste Freundin

Meine Tochter hat einige Freundinnen, die sich untereinander nicht kennen. Es sind nicht viele, nur zwei oder drei. „Früher hatte ich alle paar Monate eine andere beste Freundin; heute habe ich gleichzeitig mehrere gute Freundinnen für verschiedene Anlässe“, sagt sie.

Mit einer Freundin spielt sie Fußball und pflegt die Sozialkontakte, die damit einhergehen.
Eine weitere Freundin ist Kummerkasten und Ratgeber in einer Person: Sie kann wunderbar zuhören und ist lebenserprobt – sie weiß, dass selten `alles bestens´ läuft.
Leider nicht am Ort wohnt die Freundin, mit der meine Tochter beten und über geistliche Wahrheiten sprechen kann – gern auch fernmündlich.

„Eine beste Freundin reicht mir vielleicht nicht“, findet meine Tochter, „weil nur ein Mensch nicht alles bedienen kann, was ich mir an Gemeinschaft wünsche. Gut dass ich auch keine beste Freundin sein muss!“ Schlaues (kein) Kind (mehr).

Besonderer Besuch

Wir haben Besuch von einer Freundin, die früher in Celle lebte, jetzt aber seit einigen Jahren nicht mehr. Für eine Woche sind wir ihre Basisstation; von uns aus unternimmt sie ihre Touren und trifft alte Freunde.

Sie ist zu Gast bei uns und doch kein Gast. Meine Freundin ist froh, dass wir unseren Alltag nicht besonders für sie verändern: So kann sie sich wie zu Hause fühlen und entspannen. Ich bin froh, dass ich meinen Alltag nicht besonders für meine Freundin verändern muss: So entspannt mich ihr Besuch. Dennoch bereichert ihre Gegenwart unser Miteinander. Wenn sie abends von ihren Streifzügen zurückkommt, wird meine Freundin ein Teil von uns und bringt sich ein. Unser Zuhause ist – vorübergehend – auch ihr Zuhause. Sie genießt einen stillen Moment auf dem Sofa ebenso wie das normale Familienmiteinander. Trotzdem – oder vielleicht deswegen – ist diese Freundin ein ganz besonderer Besuch.