Ein Lob auf den Sparschäler

In den vergangenen Jahren sind unsere Kinder gewachsen – und mit ihnen ihr Appetit. Das weiß ich, weil ich täglich beobachte, dass volle Töpfe nach dem Essen leer sind.

Noch dazu scheinen wir – verglichen mit anderen Familien – eher viel zu verzehren. Das weiß ich, weil meine Kinder von ihren Besuchen bei Freunden berichten, dass dort die Töpfe schon vor dem Essen halb leer aussehen…

Ich will nicht sagen, ich käme nicht hinterher mit der Essensbereitstellung, aber ein bisschen fühlt es sich so an. Letztens – nach einer unserer gemeinsamen Essenszeiten – sprachen wir über unsere „Vorfahren“, eine 13-köpfige Familie. Wie es wohl war, als dort noch SECHS Kinder mehr am Essenstisch saßen? Ruhiger als bei uns, das wissen wir; aber Hunger hatten sie sicherlich genauso wie unsere wachsenden Fressmaschinen.

„Es gab wahrscheinlich jeden Tag Kartoffeln“, erwähne ich, „… mit dem Messer geschält, nicht mit dem Sparschäler“, ergänzt mein Mann. Unsere Kinder nehmen das nicht still und staunend zur Kenntnis, so sind sie nicht. Sie malen sich das Ganze lautstark und konkret aus: „Elf Kinder, zu neun Elfteln männlich, alle noch zu Hause und zwischen 19 und acht Jahren alt.“ Ich staune – mal wieder: vor Bewunderung für die Oma meines Mannes und voller Dankbarkeit, dass wir auch gern Reis und Nudeln essen, die man nicht schälen muss wie Kartoffeln – und für die habe ich einen Sparschäler.

Kochen

Ich koche fast jeden Tag, bediene aber nicht jeden Geschmack: Bei sieben Personen ist das schwierig. Meinem Mann schmeckt es immer. Es liegt nicht daran, dass er besonders genügsam ist oder ich besonders gut koche. Ich glaube, es hat andere Gründe: Erstens gehören wir beide zur „Wir meckern nicht am Essen herum“-Generation. Zweitens koche ich natürlich nicht absichtlich etwas, was er nicht mag. Und drittens ist er froh und dankbar für ein tägliches warmes Essen, um das er sich nicht kümmern muss.

Oft sind aber tatsächlich alle zufrieden: Die Haltung meines Mannes zum Essen färbt auf die Kinder ab. Letztens sagte er nach einem schmackhaften Essen: „Ihr könnt froh sein, dass eure Mutter so eine gute Köchin ist.“ Zustimmendes Nicken und ein „Danke fürs Essen, Mama“ von allen – so viel Lob freut mich.

Allerdings denke ich insgeheim, dass es nicht stimmt. Eine gute Köchin? Ich weiß nicht. Ich habe es nie „gelernt“. Bis Mitte 20 wohnte ich mit Menschen zusammen, die besser und leidenschaftlicher kochten als ich. Lange war ich bestenfalls helfende Unterstützung beim Essenmachen. Das änderte sich im ersten Job nach dem Studium. Auf einem Bauernhof in Süddeutschland wurde mir zugetraut und zugemutet, ein Mal in der Woche für alle zu kochen. Wir waren vier Erwachsene und vier Kinder; das Mittagessen musste einigermaßen pünktlich fertig sein, satt machen und möglichst schmecken. Ich habe alles gegeben, rumprobiert, mich vertan und so weiter. Es ist immer alle geworden und wir hatten viel Spaß beim gemeinsamen Essen – das war meine persönliche (Koch-)Schule.

So ist es nach wie vor. Ich probiere und tu, was ich kann; durch Kochbücher lasse ich mich inspirieren, was zueinander passt, und habe mittlerweile ein paar Mittagessen im Repertoire. An bestimmte Gerichte wage ich mich aber noch immer nicht heran. Senfeier zum Beispiel. Sie sollen einfach sein und lecker. Es scheitert daran, dass ich zu viel Respekt vor einer klassischen Mehlschwitze habe. Die habe ich noch nie gemacht. Bin ich trotzdem eine gute Köchin? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.

Warum ich nicht über das Essen meckere

Ich esse fast alles. Es gibt – natürlich – Ausnahmen: Innereien zum Beispiel, Nudelsalat mit Kochschinken, eine fleischlastige Diät und auch Meeresfrüchte gehören nicht zu meinen Favoriten. Abgesehen davon habe ich ein weites Herz oder auch einen anspruchslosen Gaumen, wenn es ums Essen geht. Verkochte Nudeln, im Winter hauptsächlich Kohlgerichte, zwei, drei Tage in Folge dasselbe Essen – überhaupt kein Problem. Ich beobachte allerdings eine relativ ausgeprägte Kultur des Meckerns über das Essen. Elternabende sind ein gutes Beispiel; aber auch wenn Leute sich über die Verpflegung in Jugendherbergen oder anderen Gemeinschaftsunterkünften austauschen, bin ich nicht selten verwundert.

Ich glaube, meine in meinen Augen genügsame Einstellung hat verschiedene Gründe, die allesamt in meiner Vergangenheit liegen. Aufgewachsen bin ich mit zentral angelieferter Schulspeisung und in einem Land, in dem saisonales Gemüse oft das einzige war, das es gab. Weiter ging´s vier Jahre lang in einer WG mit acht Leuten in der bayrischen Pampa – alle waren jung, alle hatten Hunger, alle haben rumprobiert. In meinem ersten Job auf einem Bauernhof wurde erwartet, dass ich einmal pro Woche alle beköstige, denn: jeder war mal dran. Dann kam meine eigene, in vieler Hinsicht noch immer wachsende Familie. Immer waren Mahlzeiten etwas Gemeinsames.

Seit vielen Jahren koche ich täglich selbst. Essen macht Arbeit, Essen macht satt, Essen stiftet Gemeinschaft. Meist schmeckt es. Essen darf auch besonders lecker sein, gar keine Frage. Aber: Das ist mir nicht am wichtigsten, das Zusammensein bedeutet mir mehr. Deshalb meckere ich nicht über das Essen, sondern höchstens über die muffeligen Mit-Esser …