Was man darf und was man muss

Auch ohne Studie weiß ich, dass zu viel digitale Medien uns nicht nur gut tun. Ich habe Kinder und erlebe bei ihnen und mir selbst, welche Sogwirkung von Bildschirmen ausgeht – und wie sich das auf sie und mich und unser familiäres Miteinander auswirkt: Verringerte Konzentrationsspanne, ein gewisses Aggressionspotential und vor allem weniger Kompetenz in Konfliktlösungen.

Daher begrenzen wir die Zeit, die unsere Kinder „digital unterwegs“ sind. Aus Sicht unserer Kinder ist das ärgerlich. Abgesehen vom privaten Bereich sind Mobiltelefone und Computer willkommene Hilfsmittel für Schulaufgaben. Egal, was digital gemacht werden kann: Sie hätten gern mehr davon, als sie dürfen.

Momentan ist unseren Kindern die Nutzung digitaler Medien sozusagen vorgeschrieben – deutlich umfangreicher, als wir normalerweise erlauben. Interessanterweise gehen ihnen die Treffen und das Lernen „nur digital“ mittlerweile eher auf die Nerven. Stattdessen sehen sie sich nach analogem Unterricht und echten Begegnungen. Egal, was digital gemacht werden muss: Sie hätten gern weniger davon, als sie müssen.

Weniger kann mehr sein

Derzeit wird das Lebenstempo gebremst und auf das Nötigste runtergefahren. Das ist herausfordernd – in negativer und positiver Hinsicht:

Wir dürfen vieles nicht machen, zum Beispiel uns in Gruppen treffen, organisiert Sport treiben oder uneingeschränkt bewegen. Dasselbe gilt für kulturelle Aktivitäten. Einige Menschen dürfen nicht arbeiten oder ihre Läden öffnen. Manches davon ist (nur) höchst bedauerlich, anderes für einige sogar existenziell bedrohlich.

Man kann die bestehenden Einschränkungen auch anders erleben: Wir müssen vieles nicht machen, zum Beispiel Chor, Sport, Kultur, Treffen mit Freunden. All das ist schön – keine Frage, aber wie viel davon ist wirklich gut? Inwiefern können wir die Reduzierung positiv bewerten und annehmen als hilfreiche Zäsur in dieser schnelllebigen Zeit?

Ich wünsche uns allen, dass wir diese Krise gesund durchstehen und möglichst viele Geschäfte und Gastronomie-Betriebe überleben. Für mich persönlich und für mein privates Leben erlebe ich den Ausnahmezustand jetzt aber auch als „schön entleert“. Wann auch immer er vorbei sein wird, möchte ich bewusst entscheiden, was wieder selbstverständlich meinen Alltag füllt. Weniger Aktion kann mehr Inhalt bedeuten.

Können reicht nicht

Unser jüngster Sohn ist elf Jahre alt. Unlängst verkündete er, sich eine PS4 kaufen zu wollen, das Geld habe er. Was er nicht hat, ist unsere Erlaubnis, sein Geld so zu investieren. Er findet das total blöd. Ich finde, es ist eine sehr greifbare Illustration des Unterschiedes zwischen Können und Dürfen.