Weniger reicht auch

10.000 Schritte pro Tag müssen es nicht sein, um seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun: 4.000 Schritte pro Tag reichen auch, ein `Etwas-mehr an Bewegung´ ist `bereits gesundheitlich wirksam´. Diese Erkenntnis entstammt einer Studie. Du meine Güte, das hätte ich ihnen auch sagen können, denke ich, aber auch: Welch eine unglückliche Meldung! Es ist erschreckend genug, dass etwas mehr Bewegung heutzutage schon als Investition in die eigene Gesundheit gilt – und empfohlen werden muss. Selbstverständlich sollte das sein und normal, hier bei uns im gesundheitsbewussten Deutschland. Aber, nein, da wird der körperverliebte, aber bequeme Mensch noch beruhigt, sich nicht mit 10.000 Schritten täglich abzuplagen: Das würde auch viel zu lange dauern, steht da, nämlich 80 bis 150 Minuten, die seien im Alltag kaum zu schaffen.

Ich sehe es ja selbst: Der Parkplatz vor dem Supermarkt steht voller Autos; viele davon kommen aus der Siedlung um die Ecke und gehören jungen bis mittelalten Menschen. Und, nein, nicht jeder der Fahrer tätigt hier seinen wöchentlichen Großeinkauf.

Wir gehen sie heute nicht mehr, diese 4.000 Schritte am Tag, und schon gar nicht die vorher `gültigen´ 10.000. Wir haben Wasch- und Spülmaschinen, Rasen- und Saugroboter, in manchen Berufen eine 35-Stunden-Woche. Trotzdem nutzen wir die dadurch eingesparte Zeit nicht dafür, um unserem Körper etwas Gutes zu tun. Stattdessen eilen wir mit dem Auto durch die Gegend – und sitzen dann vielleicht länger im Sessel oder was weiß ich denn. In Zukunft ohne schlechtes Gefühl, denn wir wissen: Weniger (Bewegung) reicht auch.

Bewegung

Bewegung tut mir gut, vor allem draußen. Wenn es daran mangelt, merke ich es sofort. Körper und Seele leiden darunter: Ich werde müde oder unruhig, gleichzeitig staut sich Frust an. Großzügig lasse ich meine Familie daran teilhaben – mein Mann bezeichnet mich in solchen Fällen als angriffslustig.

Was tun? Spazieren gehen ist wunderbar, eine Runde laufen wirkt noch besser. Wie gut, dass der wunderbare Schnee so schnell wieder getaut ist und die Feldmark mir wieder offen steht!

Nicht viel, sondern gezielt

Ein Freund von mir hatte im Herbst einen Bandscheibenvorfall. „Dagmar, ich habe einfach zu wenig Muskeln“, sagte er am Telefon (er hatte plötzlich viel Zeit zum Telefonieren), „ich habe nur gar keine Lust, meine Muskeln zu stärken. Es ist schade, dass Tennisspielen nicht ausreicht; ich mache nicht gern Gymnastik.“

Ich kann ihn verstehen: Auch ich mache nicht gern Gymnastik. Anstatt Tennis zu spielen laufe ich, aber leider ist das allein für einen ausgewogenen Muskelaufbau im Rücken- und Rumpfbereich ähnlich wenig hilfreich wie Tennis. Auch meine regelmäßigen Pilates-Einheiten retten mich nicht: Seit einigen Monaten habe ich – trotz aller Bewegung – Probleme mit dem Ischias-Nerv und zusätzlich einen sehr verspannten Rücken.

Ich befürchte, dass es mit unserem Alter zu tun hat: Wir bewegen uns fast noch so gern und viel wie früher, aber unser Körper ist anspruchsvoller geworden. Einseitige Bewegungsmuster gleicht er nicht mehr aus, sondern reagiert mit Überlastung oder Unterentwicklung – beides äußert sich in Schmerzen, die wir früher nicht hatten.

Seit dieser Woche gehe ich zur Physiotherapie. Nach der ersten Sitzung hatte ich drei Tage lang Druckschmerzen im Rücken – Physiotherapeuten haben starke Fingermuskeln. Ihre Lockerungshilfen kommentierte die Physiotherapeutin mit der dahingeworfenen Bemerkung, es könne dauern, die Verspannungen zu lösen, die ich mir jahrelang antrainiert hätte. Es war nicht vorwurfsvoll gemeint. Sie benannte nur, was ich nicht hören will: dass mein normales Bewegungspensum nicht nur gut tut. Offenbar werden trotz regelmäßiger sportlicher Bewegung bestimmte Muskelgruppen vernachlässigt; der Gesamtapparat „Körper“ versteift. Was früher funktioniert und ausgereicht hat, ist heute zu wenig.

Es gibt kein Patentrezept, aber es gibt ein Zauberwort: Mit zunehmendem Alter muss man gezielt etwas für die Beweglichkeit und die Muskulatur tun. Leider bedeutet das: Es reicht nicht, dass man sich einfach so und viel bewegt, sondern gezielt. Vielleicht sogar in Form von Gymnastik?