Aber!

Wir gehen spazieren. Mein Mann bedauert, dass etwas, das ihm wichtig ist, momentan nicht in sein Leben passt. Ich versuche, den Druck aus dem Kessel zu nehmen und ihn zu beruhigen: Ich würde sein Bedauern verstehen, das sei wirklich schade, es habe eben alles seine Zeit, im Moment bedeute nicht für immer … etc. Bevor ich das eine Wort aussprechen kann, dem all meine Gegenargumente folgen würden, unterbricht er mich: „Jetzt kommt´s gleich, das Lieblingstier meiner Frau – der A-Bär!“ Stimmt ja auch: Es gibt immer ein Aber.

Es gibt immer ein Aber?

Stimmt, habe ich gesagt, aber das war vielleicht ein bisschen vorschnell. Im Hebräischen gibt’s nämlich keins, die sagen einfach immerzu „und“. Das wirbelt mein Denken durcheinander und (nicht aber!) kann die Schwere aus manchen Sätzen nehmen. Ein „aber“ relativiert nicht nur, es schwächt ab: „Es war ein wunderbarer Tag, aber es hat geregnet.“ Also war der Tag wohl doch nicht ganz so wunderbar? Dagegen: „Es war ein wunderbarer Tag, und es hat geregnet“, heißt dann wohl, der Regen war Teil des wunderbaren Tages, er hat diesen nicht geschmälert.

Im Alltag bin ich sicherlich zu un-hebräisch für ein Leben ganz ohne „aber“ – und zu spontan, zu relativierend, zu vorsichtig. Wenn ich mir Zeit lasse, ganz sicher bin und mutig, kann ich´s ab und an weglassen.

Es gibt immer ein Aber!

Als junge Frau dachte ich – ganz intuitiv -, es gäbe immer ein Aber. Drei Jahrzehnte später weiß ich, dass diese Ahnung stimmt, weil man alles von verschiedenen Seiten, aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann. Es stellt sich jeder Sachverhalt anders dar, wenn man ihn durch eine andere Brille anschaut. Wie sagen die Indianer? „Du kannst jemand anderen erst kennen, wenn du eine Weile in seinen Mokassins gelaufen bist.“

Ein Nachteil ist, dass sich dadurch alles endlos zerreden lässt und daraus folgend – niemand hört mehr richtig zu. Plus: Mutig geäußerte Meinungen und Überzeugungen werden immer seltener.

Als mittelalte Frau frage ich mich noch dazu, warum das so ist, warum es immer ein Aber gibt. Wollen wir tolerant und liebevoll sein? Geht es uns in erster Linie darum, den anderen zu verstehen und so stehen zu lassen, wie er denkt und argumentiert? Vielleicht haben wir auch nur ganz viel Angst, bei einer „Falschaussage“ erwischt zu werden und relativieren deshalb alles und immerzu. Wie sagte schon mein hoch verehrter Dietrich Bonhoeffer: „Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“

Also lasse ich manche meiner Gedanken einfach so stehen, auch wenn sie ein Thema dann eben nicht erschöpfend abhandeln, sondern (relativ) einseitig und subjektiv. Ich habe vielleicht nicht recht, aber ich liege auch nicht ganz falsch.