Reingewachsen

„Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen.
Prediger 1, 2-4

Mir haben bestimmte Verse aus dem Buch Prediger schon immer gefallen: Die „Alles hat seine Zeit“-Sätze aus dem dritten Kapitel zum Beispiel stimmen und passen zu Lebenssituationen im allgemeinen. Die vorab zitierten Verse über die Sinn- und Bedeutungslosigkeit des Einzelnen – sie sprechen mich erst seit einigen Jahren an: Ich bin angekommen in dem Alter, in dem die im Prediger formulierten Gedanken und Erfahrungen auch meine eigenen sind.

Es ist nicht so, dass ich mich selbst nicht mehr so wichtig nehme. Aber die Vergänglichkeit des Seins hier auf der Erde, die alles Streben nach Bedeutung zumindest ein wenig relativiert, die ist mir heute deutlich stärker bewusst als früher. Mit Todessehnsucht oder einer Resignation am Leben an sich hat das nichts zu tun. Die Grenzen meiner eigenen Bedeutsamkeit entlasten und befreien mich eher, als dass sie mich frustrieren.

Ich muss weniger und darf mehr: Ich muss es niemandem beweisen; ich muss nicht mehr so viel Rücksicht nehmen und bin weniger besorgt wegen der Konsequenzen; ich muss auch nicht mehr jugendlich ambitioniert sein. Ich darf schon aus einem Vorrat an Erfahrungen schöpfen und weiß mehr als früher, was ich kann und will. Ich erlaube mir leichter, Dinge zu tun oder zu lassen; ich darf ganz ich sein – auch mit meinen Schwächen und meiner Unfähigkeit, Großartiges zu vollbringen.

Vielleicht bin ich auch nur reingewachsen in die Perspektive der Lebensmitte …

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