Bei der Physio

Meine Physiotherapeutin versucht, einen verhärteten Muskel zu lockern; es ist sehr schmerzhaft. Ich zucke nicht nur zusammen, ich jammere. „Zur Ablenkung könnten wir Weihnachtslieder singen“, sagt sie. Ich schlage eins meiner Lieblingslieder vor: `Herbei, oh ihr Gläubigen´. Sie ist text-unsicher, summt aber mit. `Ich steh´ an deiner Krippen hier´ kennt sie nicht und lässt mich vorsingen. Als ich fertig bin, sagt sie, ich hätte eine schöne Stimme. DAS ist bisher noch niemandem aufgefallen – und ich weiß nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen soll. Es freut mich aber, dass sie beide Lieder mag.

Nach der Behandlung gehe ich an der Rezeption vorbei und verabschiede mich: „Schöne Weihnachtslieder haben Sie gesungen“, murmelt die Frau hinter dem Tresen. Hätte ich gewusst, dass mein Singen die halbe Praxis unterhält, wäre es mir nicht so leicht über die Lippen gekommen … Aber es hat geholfen: Von der Physiotherapie habe ich kaum etwas mitbekommen.

Lohnt sich (nicht?)

Mit dem Fahrrad verteile ich drei Weihnachtsbriefe in der Stadt – und spare mir das Porto. Bei einer älteren Dame stecke ich den Brief nicht in den Kasten, sondern besuche sie. Insgesamt bin ich zwei Stunden unterwegs und spare insgesamt 2,55€ an Porto. Der Stundenlohn ist eine Katastrophe, dennoch hat sich die Aktion gelohnt!

Mein Friseur

Beim Friseur (zum Beispiel) und beim Zahnarzt sind wir für eine gewisse Zeit mit jemandem zusammen, den wir kaum kennen. Wir wollen nicht, wir müssen es eine halbe Stunde miteinander aushalten; das fühlt sich manchmal etwas merkwürdig an. Daher versuchen wir, die Situation mit Small Talk zu entspannen.

Beim Zahnarzt redet normalerweise nur einer – es ist nicht der Patient. Zwar würde ich gern etwas sagen, lasse es aber: Mit offenem Mund sind verständliche Worte ein mühsames Unterfangen.

Beim Friseur kann ich ungehindert artikulieren; ich komme trotzdem nicht zu Wort … 

Selbstgespräche

„Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Partner voraus.“
Herbert George Wells.

Manchmal rede ich mit mir selbst: „Ich mach´ das jetzt so“, murmele ich vor mich hin – ganz neutral. „Das war nicht so schlau“ klingt schon etwas kritischer; noch schlimmer ist ein nachdrückliches: „Ich bin so blöd!“ Mit diesen Sätzen beurteile ich meine Unsicherheit sowie merkwürdige Verhaltensweisen – oft unbewusst und spontan. Solch verbalen Ohrfeigen kommen einfach so aus mir raus. Obwohl ich sie wahrscheinlich nicht vollkommen ernst meine, tut es mir gut, wenn mir jemand widerspricht, der zufällig in Hörweite steht. Denn das öffnet mir die Augen, wie ich mich eigentlich selbst wahrnehme – und das ist doch sehr interessant.

„Interessante Selbstgespräche setzen einen aufmerksamen Lauscher voraus.“
Dagmar Hecker

Mein Deal mit der Post (2)

Ich hatte meinen Söhnen jeweils ein Paket geschickt – eins nach Braunschweig, eins nach Sambia. Als beide nach über einer Woche nicht angekommen waren, schloss ich gedanklich einen Deal mit der Post: Wenn beide Pakete gleich lang brauchen würden (zum Beispiel zwei Wochen), wäre mir das Schneckentempo nach Braunschweig egal.

Eine weitere Woche später genießt der Sohn in Braunschweig bereits seit einigen Tagen meine Adventsgaben. Der Sohn in Sambia dagegen hat sein Paket noch nicht bekommen. Mit der Zustellnummer für das Päckchen schaue ich nach, wo es sich mittlerweile befindet – und lande buchstäblich auf dem Boden der Tatsachen: Es steht seit dem 3. Dezember in Frankfurt/Main und `wartet´ dort auf den Weitertransport. Das wird also noch eine Weile dauern.

Es nutzt nichts, sich zu grämen, also freue ich mich: dass man gedanklich keinen Deal mit der Post schließen kann – und die Pakete nicht gleich lang brauchen … 

Währenddessen und hinterher

Es ist tage- und nächtelang sehr kalt; die Luft ist klar, die Sonne scheint. Ich ziehe alles übereinander, friere doch und denke: Etwas wärmer wäre schön. Heute Morgen ist es etwas wärmer; die Luft hängt voll Feuchtigkeit, der Himmel ist bewölkt. Ich friere und denke: Kälter wars schöner.

Währenddessen ist´s selten perfekt – hinterher ist man immer schlauer.

Alles Mögliche

Jedes Ding hat eine Kehrseite, das Internet zum Beispiel: Es ist total praktisch, unter www… alles Mögliche in Sekundenschnelle nachschlagen zu können. Gleichzeitig beschäftigt uns alles Mögliche dann aber oft länger, als uns lieb ist. Die Informationen, die ich gut gebrauchen kann, sind eingebettet zwischen lauter unwichtigem Zeug. Es ist nicht so einfach, das eine vom anderen zu trennen – ohne sich dabei zu verklicken. Sozusagen.

Seit Bestehen hat sich das Internet wie ein Krake in der gesamten Welt ausgebreitet. Das liegt nicht daran, dass es keine Kehrseite hätte: im Gegenteil! Alles Mögliche blockiert unseren Geist sehr effizient – während wir unser wichtiges analoges Leben verpassen.

Jetzt nicht!

Zwei Wochen lang war ich für meine Verhältnisse ziemlich krank. Ich fuhr mit halber Kraft durch meine Tage, an Sport war nicht zu denken. Wie immer in solch einem Fall werde ich irgendwann ungeduldig und unausgeglichen: Mir fehlt die Bewegung. Sobald es also wieder geht, putze ich mich durch das Haus. Eine Freundin bescheinigt mir daraufhin, ich sei zu sehr davon getrieben, etwas ZU TUN. Vielleicht müsse ich lernen, einfach nur ZU SEIN.

Einerseits hat sie wahrscheinlich Recht: Es ist ungesund, mich darüber zu definieren, was ich leisten kann. Andererseits tut es meiner Seele gut, wenn ich etwas schaffe. Untätigkeit `schmeckt´ mir immer nur für eine sehr begrenzte Zeit. Die Frage ist, wann und wofür ich die Arbeit ruhen lasse. In der Bibel steht eine Geschichte dazu: Jesus besucht die Schwestern Marta und Maria. Marta verhält sich so gastfreundlich, wie es damals und dort üblich war; Maria setzt sich mit Jesus hin und hört ihm zu. Als Marta sich beklagt, Maria würde ihr nicht helfen, sagt Jesus: „Martha, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“ (Lukas 10, 41+42)

Man kann immer arbeiten, aber nicht immer mit Jesus zusammensitzen. Maria nutzt die besondere Gelegenheit, die sich bietet; Marta will stattdessen der Pflicht genügen und kümmert sich um den Alltag. Dass es andererseits nicht per se schlecht ist, eine beflissene Hausfrau zu sein, steht jedoch auch in der Bibel: „Es sind wohl viele tüchtige Frauen, du aber übertriffst sie alle.“ (Sprüche 10, 29)

Ob ich eine pflichteifrige Marta bin oder aber eine tüchtige Frau – der Unterschied liegt darin, was ich damit bezwecke. Wer aber kennt schon sein Herz? Putze ich mein Haus, weil es mir Spaß macht, weil es nötig ist, weil ich mich freue, überhaupt etwas tun zu können … oder um damit zu glänzen? (Ich denke, ich weiß warum.)

Die anfangs erwähnte Freundin meint, Jesus sei als innerer Antreiber geeigneter als Marta. Dazu wäre es gut, mit Jesus über `meine Marta´ zu reden. Grundsätzlich stimme ich ihr zu; aber jetzt, wo ich gerade wieder krauchen kann – passt mir das nicht!

Anderer Fokus

Ein Freund meines Mannes hat spät Kinder bekommen; das älteste ist acht Jahre, das Jüngste drei Monate alt. Als er noch Single (und kinderlos) war, fielen mir bei ihm unter anderem zwei Eigenschaften auf: Aufgrund einer chronischen Darmerkrankung aß er bewusst langsam und kaute sehr intensiv. Zum anderen erzählte er äußerst ausführlich – die Telefonate zwischen ihm und meinem Mann dauerten oft zwei Stunden. Seit acht Jahren ist beides vorbei. Er isst schneller und fasst sich am Telefon kürzer – oft unvermittelt, weil die Kinder seine Aufmerksamkeit brauchen.

Mich wundert das nicht; ich glaube, dass nichts unser Leben so eindrücklich verändert wie Kinder. Manches, was uns als Kinderlosen wichtig war, gehört für Eltern der Vergangenheit an: Nur die uns besonders wichtigen Dinge pflegen wir auch in einem von Kindern dominierten Alltag. Das fühlt sich manchmal wie ein Verlust an – einerseits.

Andererseits können wir das Leben auch so betrachten wie die junge Frau, mit der ich kürzlich telefonierte. Ihre vier kleinen Kinder sind seit Wochen abwechselnd krank: Magen-Darm, grippale Infekte. In unserem Gespräch war sie trotzdem vor allem dankbar: „Ich bin so froh, dass ich zu Hause sein kann. Früher habe ich die beiden Großen oft zu früh wieder in die Schule geschickt, um wieder arbeiten gehen zu können. Heute empfinde ich mein Zuhause-Sein als Privileg – und die Kinder können sich richtig auskurieren.“ Es ist nicht der Verlust der Arbeitsstelle und Selbstbestimmung, der ihr Denken dominiert. Stattdessen freut sie sich über den neuen Fokus, den ihr Leben durch die Kinder bekommen hat. Ich bin mir sicher, dass diese Anpassungsfähigkeit ihr auch an anderer Stelle helfen wird.

Vom Sport … 

Mich begeistern Leichtathleten: Ich schaue den Läufern gern zu, mag Weit- und Hochsprung; auch die Wurf- und Stoß-Disziplinen lassen mich staunen, was Menschen schaffen können. Am meisten bewundere ich die Sportler, die sich dem Mehrkampf verschrieben haben. Diese umfassende Sportlichkeit, diese Mischung aus Kraft und Ausdauer, aus Sprungtalent und Wurf-Technik … einfach wunderbar. Mehrkämpfer sind für mich die Athleten schlechthin – auch rein optisch. Ich bewundere ihre mentale Flexibilität: Zusätzlich zum sportlichen Vermögen brauchen sie die richtige Taktik und müssen sich ihre eigenen Reserven gut einteilen können.

Die Geschwindigkeit beim Tischtennis ist atemberaubend: Das Spiel mit dem kleinen Ball auf der Platte toppt sogar Badminton. Die Spieler müssen unfassbar schnell reagieren, umschalten und bei höchster körperlich Anstrengung fokussiert sein. Tischtennis sieht STRESSIG aus.

Beim Biathlon bin ich voller Bewunderung ob der Ruhe, die beim Schießen da sein muss – und da ist. Egal, ob die Skiläufer körperlich alles geben, um ihre Runde möglichst schnell zu beenden: Am Schießstand brauchen sie einen flachen Puls für eine ruhige Hand.

Radrennfahrer sind Kraftpakete und Mentalitätsmeister: Anders kann ich es mir nicht erklären, wie man so dicht und so schnell nebeneinander her fahren und nicht stürzen kann – ohne schreckliche Angst zu haben.

Die Liste ließe sich fortsetzen.

ALLE Leistungssportler leisten Erstaunliches. Manchen Sport mag ich lieber, manchen weniger. Egal ob solitär oder als ganze Mannschaft: JEDER trainiert planvoll, systematisch und ehrgeizig und ordnet dem Sport alles mögliche unter – Zeit, Kraft, berufliches Fortkommen, soziales Leben … Sie alle erfahren (und verdienen) Wertschätzung, Anteilnahme und Bewunderung. Leider ist der finanzielle Verdienst sehr unterschiedlich; irgendwie finde ich das ziemlich ungerecht.