Garten und so

Beim Gang `um den Pudding´ passieren wir einen Vorgarten nach dem anderen; sie unterscheiden sich signifikant. Spontan fallen uns Kategorien ein, jeweils mehrmals vertreten:

Profis am Werk – täglich
Tip-top in Ordnung und nahezu unkrautfrei
Liebevoll betüdelt, mit Mut zur Lücke
Bewusst pflegeleicht
Ganz passabel
Wir tun nur das Nötigste

Unser eigener befindet sich wohl nahe der Mitte. Ein Garten aber sticht heraus. Selbst in der beginnenden Dämmerung erahnen wir den Leitspruch dieser Hausbesitzer:

Ach, … , lass, es ist ein zu weites Feld …

Kirche und Politik

„Doch, Kirche muss politisch sein“, betont ein Pastor im Gespräch mit mir. Ich hatte seine Aussage in Frage gestellt und ernte entschiedenen Widerspruch. Sofort frage ich mich, ob ich das anders sehen kann als er: Gibt es hier ein Richtig oder Falsch? Mein „Kirche muss nicht politisch sein“ kam spontan und aus dem Bauch heraus – dort haben viele meiner Überzeugungen ihren Ursprung. Die Diskussion geht noch ein kleines bisschen hin und her und erstreckt sich darauf, wer unsere gespaltene Gesellschaft heilen kann. „Jesus“, sage ich – und auch das kommt spontan und von irgendwo in mir drinnen. Zu fromm sei ihm das, doof und fromm, findet der Pastor, hat aber seinerseits keine andere Idee. Wir diskutieren, haben unterschiedliche Meinungen – und dann ist es auch gut.

Natürlich lässt mich so ein Gespräch nicht los. `Wie man das wohl sieht´, habe ich mich schließlich schon oft gefragt – als gäbe es in vielen Fragen nur eine einzige Wahrheit, nur eine einzige Sichtweise. Ich weiß nur selten von vornherein schon Bescheid oder ahne, was man zu einem bestimmten Thema so denkt. Es sei denn, mein Gegenüber beharrt auf seinem Standpunkt wie in dieser Situation. Alternativloses `So ist das!´ macht mich per se skeptisch. Und Jesus als Heiler ist für einen Pastor vielleicht zu fromm und doof, für mich aber genau richtig.

Später beim Laufen fällt mir die Frage ein, die uns vielleicht weitergeholfen hätte. Was nämlich heißt es, Kirche müsse politisch sein? Wenn man von Kirche überhaupt derart aktiv und personifiziert sprechen will, stimme ich zu, dass sie eine Position haben sollte. Aber ist das schon politisch? Politisch im Sinne von: den Staat beeinflussen, nach Macht innerhalb des Gemeinwesens streben und sich um Regierungsverantwortung bemühen wollen. Mit dieser Definition im Hinterkopf bleibe ich erst recht bei meinem ursprünglichen Nein. Aber das kann man anders sehen, keine Frage.

„Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird früh Witwe.“
Søren Kierkegaard

Eine schöne Abwechslung

Eine meine Töchter ist in Afrika. Ich weiß, dass es heiß dort ist und sehr oft die Sonne scheint. Aber wenn wir mit ihr sprechen, geht es nicht um das Wetter; meist reden wir abends, nach Feierabend, dann ist es hier wie dort dunkel.

Heute meldet sie sich aus einem Kurzurlaub und schickt kurze Videos. Man hört nur Zikaden; die Landschaft ist menschenleer, die Luft klar, der Himmel tagsüber blauer als blau – und in der Abenddämmerung knall-orange. Und ich weiß, was mir im kalten November- und Dezember-grauen Norddeutschland fehlt: Ein bisschen Sonne wäre eine schöne Abwechslung.

Vegetarisch oder nicht?

In der Stadt sehe ich einen Transporter einer bekannten Lebensmittel-Marke mit dem Bild einer Wurst. Daneben steht: Vegetarische Fleischwurst. Das klingt komisch, denke ich und schaue nach. Laut Definition ist Wurst ein Produkt aus zerkleinertem Muskelfleisch, Speck und Gewürzen … so und so verarbeitet. Vegetarische Fleischwurst ist also ein Paradox.

Grundsätzlich finde ich es löblich, wenn man Vegetarier ist, um Tiere zu schonen – sozusagen. Als junge Studentin verzichtete ich auch ein paar Jahre auf Fleisch. Es fiel mir nicht schwer, aber nach ein paar Jahren hörte ich doch wieder auf; in Gemeinschaft ist es leichter, wenn alle alles essen.

Ich finde es inkonsequent, sich als Vegetarier einen Wurst-Ersatz zu suchen. Fast so, als würde man verzichten wollen, aber doch nicht so wirklich. Und anstatt dann ab und zu ein Steak zu essen oder Fleischwurst aufs Brot zu legen, muss eine Alternative her: kein totes Tier, aber etwas, was so aussieht und schmeckt und auch noch denselben Namen hat. Ich schränke mich ein, aber es darf mich nichts kosten – jedenfalls nicht das Geschmackserlebnis `totes Tier´. Vielleicht bin ich komisch, kann sein. Aber ich denke, man kann eben nicht alles haben wollen. 

Das erste Mal? Vielleicht!

Beim Frühstück freue ich mich darauf, dass ich zum ersten Mal zu einer Chorprobe gehen werde. „Du hast in Heidelberg schon mal in einem Chor gesungen“, widerspricht mir mein Mann. Ich schaue ihn ungläubig an, weiß aber, dass mein `Ich bin mir ganz sicher´ mich schon oft getrügt hat.

Mein Erinnerungsvermögen ist selektiv: Nicht nur alte Schulfreunde erwähnen bisweilen Situationen, die mir komplett neu sind, obwohl ich dabei war. Lange her, klar – aber auch für sie! Und gegen meinen Mann habe ich noch nie eine Wette gewonnen, selbst wenn ich mir `ganz sicher´ war, recht zu haben.

Dementsprechend ahne ich, dass seine Wahrheit auch diesmal die richtige ist. Im Chor habe ich also gesungen, damals in Heidelberg, aha. Offenbar habe ich in Heidelberg nicht nur mein Herz verloren, sondern auch Teile meines Gedächtnisses.

Zwei Stunden später fahre ich zur Chorprobe. Wir sind nur wenige, die an diesem Lied-Projekt teilnehmen wollen: Gloria in excelsis Deo, allen bekannt. Nach ein paar Atem- und Sprechübungen verteilen wir die Stimmen. Normalerweise bin ich mit dem Sopran gut bedient. Es fällt mir nicht leicht, die Stimme zu halten; sicherer fühle ich mich, wenn ich die Melodie singen darf, die ich kenne. Da es den anderen offenbar ebenso geht, lasse ich mich ein auf den Alt – ich denke, zum ersten Mal, aber sicher bin ich mir nicht … 

Nur Genießer fahren Fahrrad …

Ein Supermarkt hat gerade zwei Artikel im Angebot, die ich mag. Der von uns aus nächste liegt im Nachbarort, etwa vier oder fünf Kilometer entfernt. Allerdings ist die direkte Verbindung schon seit über einem Jahr gesperrt. Der offizielle Umweg ist weit – 30 Kilometer hin und zurück. Ein Schleichweg durch den Wald ist für Autos tabu; draußen ist es nieselig und kühl, langsam wird es dunkel.

Mein Kopf sagt, dass mir ein bisschen frische Luft guttun würde – und ich mich hinterher freuen werde, losgefahren zu sein. Also schnappe ich mir vorsorglich eine Regenhose und schwinge mich auf mein Rad. Schnell entwickelt sich der leichte Nieselriegen zu mehr, aber egal: Wie immer, wenn ich erstmal unterwegs bin, ist es in Ordnung. Auf dem Rückweg ist es stockfinster und die Strecke ohnehin menschenleer. Ich freue mich über mein zuverlässiges Rad, die wetterfesten Klamotten und dass wir am Rande der Stadt wohnen. Eine Fahrt durch Wald und Wiesen ist auch in der Dunkelheit schöner als dieselbe Tour durch die Stadt, inklusive Ampeln und Autolärm.

Als ich wieder zu Hause ankomme, ernte ich mitleidige Blicke, die gar nicht nötig sind. Manchmal nervt mich das Wetter, aber heute ist es irgendwie schön: Andere Leute gehen ins Fitness-Studio und schlucken Vitamine; ich fahre einfach bei Wind und Wetter mit dem Rad durch die Gegend.

Freude

„Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“
Galater 5, 22

Ich will eine weitere Predigt von Timothy Keller über die Frucht des Geistes hören, diesmal geht es um Freude. `Nebenbei´ möchte die Fußböden wischen und kochen. Daher versuche ich, mein Handy mit der Lautsprecher-Box zu verbinden, die in der Küche steht. Damit habe ich eine Weile zu tun, denn aus mir unerfindlichen Gründen FUNKTIONIERT das mal wieder NICHT. So geht es mir öfter; ich bitte dann eins der Kinder um Hilfe. Diese sind aber in der Schule, so dass ich allein klarkommen muss.

Es könnte an dem Handy meines Sohnes liegen, das vielleicht noch mit der Box verbunden ist. Ich bringe es nach oben in sein Zimmer, ohne zu wissen, ob das hilft. Als ich es wieder probiere, funktioniert es noch immer nicht. An- und Ausschalten von Box und Bluetooth zeigen erst nach mehrmaligen Versuchen Erfolg. Währenddessen könnte ich eine Sozialstudie am lebenden Objekt durchführen: Wie stabil ist das Gefühl der Freude, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll? Denn bis mir mein Vorhaben endlich gelingt, erlebe ich heftigen aufbrausenden Ärger. Er ist mir erschreckend vertraut – ich kenne mich schon ein bisschen – und vollkommen unverhältnismäßig. So schnell und intensiv, wie ich ihn erlebe, wird er wieder verschwinden. Dennoch frustriert er mich: nicht die beste Einstimmung auf eine Predigt über Freude – oder?

Freude können wir nicht selbst produzieren, sagt Timothy Keller, und ich denke: Ja, ich weiß. Sie ist komplett unabhängig von unseren Umständen, und wir können sie uns nur schenken lassen. Wie so vieles andere funktioniert das bei Gott über unsere Beziehung zu ihm. Eine seiner Eigenschaften ist Freude. Je näher ich ihm bin, je mehr Zeit ich mit ihm verbringe, je besser ich ihn kennenlerne – umso stärker wird sein Wesen auf mich abfärben. Ich bin schon sehr lange mit Gott unterwegs, aber noch immer weit entfernt von `vollkommener´ Freude, wie es an anderer Stelle heißt. Das ist schade, aber kein Grund, entmutigt zu sein. Wie sagt Dietrich Bonhoeffer es so schön: „Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“ Immer wieder!

Im Ernst?

„Wir haben Angst davor, im Alter zu verarmen“, lautet die Überschrift eines Artikels in einer Sonntagszeitung. Es ist ein realistisches Szenario: Altersarmut in Deutschland. Obwohl es mich (vielleicht noch) nicht betrifft, lese ich weiter – und bin erschüttert. Das Ehepaar, um das es geht, steht kurz vor der Rente. Beide verdienen gut bis sehr gut; sie rechnen mit einer gemeinsamen Rente von 4.000 Euro. Das Haus, in dem sie wohnen, ist abbezahlt und etwa 700.000 Euro wert, außerdem haben sie ein Vermögen von über 400.000 Euro in Aktien.

Ich kann die Überschrift nicht in Einklang bringen mit dem, was ich im Artikel selbst lese: Wo genau hat sich die drohende Altersarmut versteckt? Die Krux scheint in dem zu liegen, was sie monatlich benötigen, nämlich etwa 5.000 Euro – allein 3.000 davon für Haushalt, Essen und Essengehen, dazu kommen Reisen und Geschenke für Freunde …

Fast ist es mir peinlich, den Artikel zu Ende zu lesen; leider beschäftigt er mich hinterher noch über Gebühr.

Offenbar verstehe ich unter Verarmung etwas anderes als die beiden.
Zudem frage ich mich, wie zwei erwachsene, nicht pflegebedürftige Menschen monatlich so viel Geld ausgeben können.
Und wieso wollen die beiden unbedingt über ihre Verhältnisse leben, obwohl sie Angst vor Armut haben. Es wäre doch möglich, den Lebensstandard an das anzupassen, was geht: also zu verzichten – obwohl ich auch damit etwas anderes verbinde.

Wäre ich Chefredakteur, hätte ich den Artikel verhindert. Er ist eine verbale, aber nicht minder schmerzende Ohrfeige für all diejenigen, die wirklich Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen.

Vorräte: Geld ausgeben oder sparen

Wo ich aufwuchs, gab es alles, was wir brauchten – und die Extras eher erratisch: Bananen sind das typische Beispiel, aber auch Orangen oder Weintrauben waren Mangelware. Wurden doch welche angeboten, versuchte man, auf Vorrat zu kaufen. Der Preis war Nebensache.

Heutzutage gibt es noch immer alles, was wir brauchen – inklusive aller vorstellbaren Extras. Manchmal heißt es, man solle sich bevorraten: nämlich in großen Mengen kaufen, was gerade im Angebot ist. Der Preis ist die Hauptsache.