Im Garten – geht doch

Mein Mann hat zwei Kletterhortensien gekauft, inklusive der zu ihnen passenden Blumenerde: „Wenn du magst, kannst du sie einpflanzen; das Wetter passt ja.“ Das klingt nach einem ersten Garteneinsatz im Frühling – eine Idee, die mich selten begeistert. Denn NACH dem Winter und direkt vor Ort ist viel zu tun, was IM Winter und aus sicherer Terrassenentfernung nicht zu sehen ist: Das Unkraut sprießt offenbar schon geraume Zeit; abgestorbene Pflanzenreste verschwinden doch nicht von allein (altes Laub auch nicht) und auch der Rasen befindet sich schon wieder in der Wachstumsphase. Buchstäblich überall sind potentielle Ecken, an denen ich mich stundenlang abarbeiten könnte, ohne dass hinterher viel zu sehen wäre.

Angesichts von Wind und Nieselregen hatte ich daher heute Morgen wenig Lust auf Garten, wusste aber, dass gerade feuchte Kälte genau richtig ist fürs Pflanzen. `In einer halben Stunde bist du fertig´, überredete ich mich selbst, `Hortensien einbuddeln und gut.´ Ich wechselte in mein Gartenoutfit und ging an die Arbeit. 20 Minuten später waren die Kletterhortensien versorgt. Danach verteilte ich die ausgegrabene Erde anderswo im Garten, versetzte ein paar Narzissen (damit sie besser zu sehen sind) und entfernte, was mir an Unkraut in den Blick kam. Anderthalb Stunden später hatte ich mehr erledigt als geplant (aber weniger als möglich) und ein super Gefühl im Bauch: Mein erster Garteneinsatz war überschaubar und vom Vorher-Nachher-Effekt her wahrscheinlich ein größerer Erfolg als jeder, der dieses Jahr noch folgen wird.

Hochintelligent

„Sie sind beide hochintelligent …“, sagt eine Freundin über zwei Eheleute, die sich eine Art Rosenkrieg liefern. Hochintelligent– das Wort hallt in mir nach. Es ist nicht das erste, das mir zu den beiden eingefallen wäre. Was ist eigentlich damit gemeint, wenn jemand hochintelligent ist? Bin ich gekränkt, weil mich sicherlich niemand als hochintelligent bezeichnen würde? Und: Würde ich das überhaupt gern sein wollen – hochintelligent?

Für mich kommt es auf den Kontext an: Wenn ich jemanden mag, weil er liebenswert ist und warmherzig, empathisch, bescheiden und lebenstauglich – dann klingt hochintelligent nach einer weiteren positiven Eigenschaft, wie ein Bonus sozusagen. Verhält sich dagegen jemand arrogant, dominant, vielleicht sogar manipulativ, dann passt `hochintelligent´ gut hinein in die Reihe der seelenlosen Fakten, die menschliche Nähe sehr schwer machen. Intellekt ist eben nur ein Aspekt des Menschseins – und auf keinen Fall der entscheidendste.

Einkaufswagen-Offenbarung

Mit ein paar Frauen rede ich über Erlebnisse im Supermarkt. Was geht uns durch den Kopf, wenn wir sehen, was andere Leute aufs Kassenband legen: „ … vor allem Junk Food … ganz schön viel Alkohol … reicht nur für einen Junggesellen … welch seltsame Mischung aus Süßkram und Bio-Tomaten …“ Bis wir selbst dran sind mit dem Bezahlen, checken wir – wie unbewusst und (nicht) wertend auch immer – die Einkaufsgewohnheiten anderer.

Meine eigenen Einkäufe geben wohl ebenso Anlass zur Spekulation; es hilft nichts: Was ich einkaufe, verbrauchen fünf Leute, die täglich kochen, gern Obst und Gemüse essen, in Maßen schlickern … und einiges mehr.

Zeige mir deinen Einkaufswagen – und ich sage dir, wer du bist.

Nur ein kurzer Schreck?

Ich gehe auf einem kombinierten Geh-/Radweg, von hinten kommen Radfahrer. Um ihnen Platz zu machen, laufe ich ganz links. Plötzlich ertönt dicht neben meinem Ohr ein lauter Schrei; ich zucke zusammen. Drei Teenager radeln sehr nah und feixend an mir vorbei. Ich schaue ihnen hinterher und entspanne mich nur langsam wieder.

Natürlich ist mir nichts passiert, die jungen Menschen wollten mich nur erschrecken – es ist ihnen gelungen. Ich empfinde ihr Verhalten als rücksichtslos und ein bisschen feige. Ich konnte ihre Gesichter nicht sehen und frage mich: Würden sie mit ihrer Mutter auch so umgehen? Warum machen Jugendliche so etwas, soll das cool oder mutig sein? Mein Schreck war nur kurz, aber ich denke noch eine Weile darüber nach.

Laufenten und mehr

Seit einigen Monaten wohnen auf einem Grundstück bei uns in der Siedlung Hühner und Laufenten. Vor allem die Laufenten mag ich: Ihr aufrechter Gang ist einfach drollig – sie wirken permanent neugierig. Außerdem erinnern mich die Tiere an meine Studenten-WG im Umland von Freising. Unsere Laufenten damals waren vor allem für die Schneckenbekämpfung in unserem Gemüsegarten zuständig – mit mäßigem Erfolg. Sie waren absolut verfressen, machten jede Menge Dreck und entwischten immer mal wieder zu den Nachbarn … All das ist 30 Jahre her und währte nur einen Sommer. Aber wenn ich heute an den Laufenten hier vorbeilaufe, sind mir meine wunderbaren Studien-Jahre in Bayern wieder sehr präsent.

Gast-Augen?

Ich erwarte Gäste zum Frühstück. Bevor sie kommen, schaue ich mit vermeintlichen `Gast-Augen´ und bemerke vor allem das, was ich sonst kaum wahrnehme: die schluderlich abgestellten Schuhpaare im Flur, das nicht geputzte Küchenfenster, die Arbeitsplatte, auf der sich alles Mögliche tummelt. Also räume ich auf, bevor ich das Frühstück vorbereite.

Meine Gäste freuen sich über den reich gedeckten Tisch – und bemerken vor allem das, was ich als Gast ebenso wahrnehmen würde: Sie wundern sich über die ordentlich abgestellten Schuhpaare im Flur und registrieren weder das nicht geputzte Fenster noch die Dinge, die sich auf der Arbeitsplatte tummeln. Stattdessen sind sie dankbar, dass ich eingeladen hatte: „Schön war´s bei dir – schön, sich mal wieder zu treffen und zu reden.“

Oh, je!

Ein Nachbar pflastert seinen Hof; die fertigen Flächen sehen wunderbar aus. Da er gerade eine Augenentzündung hat, fällt es ihm schwerer als sonst: Die Steine hätten `oben´ und `unten´, sagt er. Ich sehe keinen Unterschied. „Da muss man aber sehr genau hinschauen“, beruhige ich ihn. Er nickt und meint, seine Frau würde genau das tun. Wie wär´s mit einer Sonnenbrille für seine Frau? Das sei keine gute Idee, sagt er kopfschüttelnd, lieber mache er es so, wie sie es will: „Happy wife – happy life!“ Spontan lächele ich – und frage mich im selben Moment, inwiefern es meinem Mann genauso geht wie meinem Nachbarn … 

Mit dem Rad?

Klimaschützer wollen alles Mögliche verändern: Heizungen, Auto-Antriebe, den öffentlichen Nahverkehr. Dazu fordern sie, dass von Staats wegen stärker vorgeschrieben wird, wie der Einzelne sich verhalten sollte. Grundsätzlich bin ich für Klimaschutz, aber staatlich verordnete Auflagen sehe ich eher skeptisch. Stattdessen wünschte ich mir, dass individuelles Pro-Klima-Verhalten belohnt und gefördert wird – nicht nur teure Investitionen in Solaranlagen und erneuerbare Energien. 

Nehmen wir die Mobilität. Der öffentliche Nahverkehr auf dem Land oder in Kleinstädten ist weniger gut ausgebaut als in der Großstadt. Entsprechend fahren bei uns und im Umland einige Leute mit dem Rad und viele mit dem Auto. Es ist teuer, Buslinien einzurichten, mit denen kaum einer fährt. Günstiger ist offensichtlich die Einführung von Fahrradstraßen: Sie sollen den Umstieg aufs Rad attraktiver machen. Das ist gut gedacht – reicht aber nicht aus. Denn das Problem liegt meiner Meinung nach woanders: Wichtiger wäre es, Radfahrer und ihre Bedürfnisse überall und überhaupt zu beachten: Ein überraschender Wetterumschwung sorgte am vergangenen Samstagmorgen für verschneite Straßen sowie Rad- und Gehwege. Das Räumfahrzeug schob den Schnee von der Straße – wie immer – auf den daneben liegenden Radweg. Logischerweise fahren dann nur noch diejenigen Rad, die das ohnehin tun: weil sie kein Auto haben oder dieses aus Überzeugung stehenlassen. Für die anderen braucht´s bei schlechtem Wetter mehr als ein paar Fahrradstraßen …

Vorübergehend

Frederick Buechner empfand Wehmut, als seine Töchter zum College gingen – wie bei jedem Abschied. Aber er wusste, sie würden noch oft als Familie zusammenkommen. Erst im Nachhinein realisierte er, dass dieser Abschied anders war. Von da an würden die Mädchen ihre Eltern weiter besuchen, aber nie wieder bei ihnen zu Hause sein. Das bisherige Miteinander war endgültig vorüber.

Bei uns ging vor anderthalb Jahren der Älteste zum Studium und vor sechs Monaten der zweite Sohn ins Ausland. Im Gegensatz zu Buechner wusste ich im Moment des Abschieds jedesmal: Wir sind noch immer Familie – aber das `Vorbei´ hat schon begonnen.

Im Sommer wollen wir zu sechst zum Flughafen fahren und den Rückkehrer abholen. Nach einem Jahr sind wir dann (mal wieder) zu siebt unterwegs. Wir freuen uns sehr darauf, auch weil klar ist, dass dieser Zustand nur vorübergehend sein wird – und kostbar.