Privatsache

Ich begegne immer wieder Menschen, die in der Stadt herumstehen – scheinbar ohne Zweck und Ziel. Und dann, plötzlich, vollkommen unvermittelt, fangen sie an zu reden, als wären sie mitten im Gespräch. Sie sind es auch, denn sie telefonieren (mit Knopf im Ohr). Was um sie herum passiert und wer ihnen zuhört: vollkommen egal.

Ich bin nicht interessiert an den Telefongesprächen wildfremder Personen – besonders wenn ich nur die Hälfte mitbekomme! `Hallo?´, denke ich, `Geht´s noch? Kannst du deine privaten Telefongespräche bitte etwas diskreter führen?´ Das wiederum interessiert diese Leute nicht. Also werde ich Zeuge, bin höflich und still und versuche, die Privatsachen anderer trotzdem nicht mitzubekommen. 

Wer den Schaden hat …

Gleich am Anfang meiner Laufrunde geht es durch ein kleines Wäldchen. Auch Spaziergänger mit Hund nutzen diesen kleinen Trampelpfad, um die Feldwege zu erreichen. Entsprechend halte ich hier besonders die Augen offen, um eventuellen Hunde-Hinterlassenschaften auszuweichen. Trotz meiner erhöhten Aufmerksamkeit stolperte ich gestern über eine Wurzel. Zwei weitere Schritte hielt ich mich noch aufrecht, danach war ein Sturz nicht mehr zu vermeiden. „Bloß nicht in die Hundesch…“, schoss es mir durch den Kopf, da lag ich schon – zum Glück in jeder Hinsicht unversehrt. Ich stand schnell wieder auf und schaute mich um: kein Zeuge weit und breit.

Heute erzählte ich meiner Tochter davon, die sofort in (vollkommen unangemessenes) schallendes Gelächter ausbrach – auch ohne Hundehaufen. Wer den Schaden hat …

Mal eben

Unsere Abschlussleiste in der Küche hat ihre besten Zeiten hinter sich; mein Mann kauft eine neue. Am Samstagnachmittag wollen wir sie anbauen – mal eben. Die nächsten zwei Stunden konfrontieren uns mit einem Sammelsurium an Unzulänglichkeit: eine mehr oder weniger stumpfe Säge, Schrauben, die nicht richtig greifen, die Akkuschrauber-Bits passen nicht 100-prozentig. Zudem liegt die Arbeitsplatte zum Teil nicht nah genug an der Wand (weil diese alt, krumm und schief ist). Glücklicherweise schneiden wir korrekt zurecht und planen auch die Eck- und Verbindungs-Blendstücke in unsere Berechnungen mit ein. Das Endergebnis sieht gut aus; die vielen stillen und lauten Seufzer vergessen wir bis zum nächsten Verschönerungsprojekt hoffentlich wieder. Im Moment ist ein Gedanke präsent: `Mal eben´ dauert meistens länger, als man vorher denkt und sich wünscht, und ein erfolgreicher Abschluss fällt einem nicht in den Schoß.

Tatsächlich ergebnisoffen

Das Ideal jeder Verhandlung, jedes Streits, ist, wenn wir tatsächlich bemüht sind, dass jeder der Beteiligten zu Wort kommt und jedermanns Sicht der Dinge gleichermaßen geschätzt wird. Tatsächlich erfordert es aber Größe und ist schwierig, vorher nicht zu wissen, wo wir enden – also ergebnisoffen zu diskutieren.

Das Normale bei jeder Verhandlung, jedem Streit, ist es, wenn wir sehr bemüht sind, unsere eigene Sicht der Dinge möglichst so überzeugend darzulegen, dass diese am meisten geschätzt wird. Tatsächlich fällt es uns nämlich leichter, vorher genau zu wissen, wo wir enden – also nicht ergebnisoffen zu diskutieren.

Sportlich?

Ich unterhalte mich mit einer schwangeren jungen Frau. Sie ist im vierten oder fünften Monat; schon jetzt hänge sie viel rum, sagt sie. Ich schlage ihr vor, doch Rad zu fahren – denn bei mir war das bis direkt zur Geburt das Fortbewegungsmittel meiner Wahl. „Oh, nein“, antwortet sie, „so sportlich bin ich nicht.“ Ich bin sprachlos: Sportlich? Rad fahren? Du musst nicht sportlich sein, um Rad fahren zu können, würde ich ihr am liebsten sagen, aber ich weiß nicht, ob das besonders verständnisvoll wäre.

Ich wüsste gar nicht, was ich täte ohne mein Rad. Es ist mir wichtiger und ich verbringe mehr Zeit damit als mit und in unserem Auto. Ich hoffe, das bleibt auch dann so, wenn ich für wirklichen Sport nicht mehr sportlich genug bin.

Noch immer und doch anders

Ich erinnere mich genau: Mit Anfang 20 war ich wahrscheinlich genauso `öko´ wie heute, definierte mich aber stärker über mein ökologisches Bewusstsein: Rad fahren, vegetarisch essen, auf Märkten und Höfen einkaufen, ein entsprechender Kleidungsstil, inklusive besonderer Sandalen – mit Korkfußbett und Leder-Riemen, teuer, aber ihr Geld wert. Sie passten zu mir: qualitativ hochwertig, langlebig, weniger schick als viel mehr ein Öko-Statement.

Im Laufe der letzten immerhin 30 Jahre ließ ich die Sohlen erneuern, ersetzte das ganze Paar (mehrmals), kaufte mir ein zweites (und später drittes). Ich blieb der Marke treu – nicht ohne Grund: Die Schuhe sind noch immer qualitativ hochwertig, langlebig und teuer, wahrscheinlich auch noch immer ihr Geld wert. Nur eins ist anders: Heutzutage gelten sie eher als schick, denn als Öko-Statement.

Wichtig

Wer ist wichtig für mich? Nicht derjenige, der sich darauf konzentriert, wichtig für mich zu sein, sondern derjenige, der sich auf das konzentriert, was mir wichtig ist.

Wohin?

Wir fahren mit dem Auto, das Navi ist eingeschaltet: allerdings nicht auf dem neuesten Stand. Ein neues Autobahnteilstück ist unserem Navi daher noch `unbekannt´: Laut Display fahren wir scheinbar direkt über nicht asphaltierte grüne Wiesen – obwohl wir tatsächlich auf einer nagelneu gebauten Autobahn unterwegs sind.

Ich halte es mit Churchill und `vertraue nur einem Navi, das ich selbst aktualisiert habe´ – oder eben doch lieber der guten alten Straßenkarte. Andere scheinen das Wohin komplett ihrem Navi zu überlassen, selbst wenn sie dadurch in einem Hafenbecken enden oder noch schlimmer …

Endlich

Wenn etwas eintrifft, worauf man lange gewartet hat, freut man sich und ist gleichzeitig erschöpft: Endlich ist die Anspannung vorbei. Das Neue, was kommt, kann zwar herausfordernd werden – ist aber trotzdem befriedigender als die Warterei vorher. Die Geburt am Ende einer Schwangerschaft ist ein wunderbares Beispiel dafür, eine Job-Zusage nach vielen erfolglosen Bewerbungen ein anderes.

Was mein Leben reicher macht …

… wenn wir aus freudigem Anlass spontan mit den drei noch zu Hause lebenden Kindern essen gehen und diese im Restaurant unisono sagen, dass es noch schöner wäre, wenn die beiden schon ausgezogenen großen Söhne auch dabei sein könnten.