Laut ist nicht alles

Wer gehört werden will, muss den Mund aufmachen – und lauter schreien als die anderen.

Wer aber möchte, dass man ihm zuhört, braucht andere Kompetenzen: Er muss kompromissfähig sein, andere respektieren und ihre Leistungen wertschätzen können – und die Größe haben, im richtigen Moment die Klappe zu halten.

Radio-beschallt

Im Büro läuft das Radio DIE GANZE ZEIT. Die meisten Lieder sind nicht mein Geschmack; jede Stunde kommen dieselben Nachrichten und dazwischen irgendwelche Hörer-Umfragen. Ich fühle mich durch das Mehr an Information nicht schlauer, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Reiz-überflutet. Heute konnte ich zumindest leiser drehen. Dennoch ist schon der Rückweg auf dem Rad eine spürbare Wohltat; selbst der Verkehrslärm perlt angenehm an mir runter. Nachmittags lasse ich dann nur noch (nicht-Transistor-gefilterte) echte Lebensgeräusche an mein Ohr: Vogelzwitschern im Wald, Küchenkrach, Kindersorgen oder -freuden – alles, nur kein Radio.

Im Frieden

Mein Sohn trägt eine Zahnspange – wie so viele andere Kinder in seinem Alter; normalerweise geht er allein zum Kieferorthopäden. Diesmal gehe ich mit, um etwas mit dem Arzt zu besprechen, das sich am Telefon nicht klären ließ. Das Gespräch dauert nicht lange; während ich warte, dass mein Sohn fertig wird, beobachte ich das Hin und Her von Arzthelferinnen und Patienten. Was hier passiert, denke ich, ist nicht lebensnotwendig, aber `nice to have´ – ein Zeichen für den Frieden, in dem wir leben dürfen: in einer Arztpraxis sitzen und sehen, wie Jugendliche sich die schiefen Zähne geraderücken lassen.

Wortfindungsstörung …

Ich diskutiere mit meinem Mann, es geht hin und her, aber nicht voran. Ich merke: Er weicht einer klaren Antwort – und damit mir – aus. Mich ärgert das und ich sage: „Ich bin zwar nicht die hellste Torte auf der Kirsche …, nein, nicht die hellste Kirsche auf der Torte …, ach, Menno, nicht die hellste Kerze auf der Torte …“

So ein Mist, denke ich sofort, ich nehme mir einfach immer selbst den Wind aus den Segeln. Selbst wenn wir beide wissen, dass mein Mann sich windet und mich `hinhält´: So wird das nichts mit meinen Argumentationsketten.

Aufwand und Nutzen

Ein Sohn mäht eine dreiviertel Stunde lang den Rasen – und gleich wirkt der Garten aufgeräumt und gepflegt.

Mein Mann putzt eine Stunde lang die Fenster in der unteren Etage – und sofort durchflutet strahlendes Sonnenlicht unsere Räume.

Eine Tochter kocht anderthalb Stunden – und serviert uns anschließend ein leckeres Abendessen, das für zwei Mahlzeiten reichen wird.

Die andere Tochter lernt jeden Tag einige Stunden – kurzfristig fürs Abi und langfristig (hoffentlich) für ein ordentliches Allgemeinwissen.

Ich jäte zwei Stunden Unkraut in unserem Garten – und hinterher sieht man: nichts.

Fern und nah zugleich

Vor drei Wochen schrieb ich eine Mail an meine Freundin in Australien – was bei uns so los ist und wie es mir damit geht. Weil ihr Computer `on the blink´ (= kaputt) war, kommt ihre Antwort zwar erst heute, aber ebenso ausführlich.

Wir wohnen auf verschiedenen Kontinenten; sie lebt einfacher und mehr mit der Natur verbunden als ich und achtet viel stärker auf ihren ökologischen Fußabdruck. Andererseits ähneln sich unsere Erfahrungswelten: Wir sind im selben Alter, haben Kinder, arbeiten (neuerdings) beide Teilzeit und sind ansonsten mit Haus und Hof sowohl gut beschäftigt als auch sehr zufrieden. Entsprechend kann sie meine Gedanken nachvollziehen und ich ihre; ich freue mich über ihren ausführlichen Bericht. Am Ende schreibt sie: “Please take care of yourself amidst all the good things you do. Thank you for keeping in touch Dagmar.“ (Pass auf dich auf inmitten all der guten Dinge, die du machst. Danke, dass du dich gemeldet hast.) Wir sind innerlich verbunden, auch wenn äußerlich 17.000 Kilometer zwischen uns liegen.

Beim Gebet genommen

Ich wünsche mir einen kreativen Schreibauftrag. Am Morgen, auf der Fahrt ins Büro, bete ich, dass Gott mir einen schenkt. Als ich am Nachmittag wieder da bin, finde ich eine Mail: Ob ich mir vorstellen könne, ein kleines Handbuch-Projekt mit Textarbeiten zu unterstützen, fragt mich ein Freund, für den ich schon öfter gearbeitet habe. Das ging schnell; hatte ich meinen Wunsch so ernst gemeint? Obwohl ich begeistert bin von Gottes prompter Antwort, frage ich mich gleichzeitig etwas unsicher, wie ich diesen Auftrag wohl zeitlich schaffen werde. Nach einer Schreckminute entspanne ich mich, denn auch dafür hatte ich gebetet: dass die gewünschte Extra-Aufgabe nicht zu viel für mich ist. Gott hat das erste Gebet erhört, er wird auch das zweite ernst nehmen.

Feierabend

Manche Tage fangen langsam an, nehmen Fahrt auf und sind dann ganz plötzlich schon fast wieder vorbei. In die wenigen Stunden am Abend passt nicht ansatzweise, was ich alles noch gern machen würde – also gehe ich stattdessen eine Runde mit meinem Mann vor die Tür. Es nieselt ein bisschen, ist durch die Zeitumstellung aber noch hell. Ein riesiger doppelter Regenbogen strahlt uns entgegen und erinnert uns daran, dass Gottes Güte kein Ende hat: egal, ob wir `alles´ schaffen oder nicht. Ich verschiebe meine Vorhaben auf morgen und genieße einen stillen Feierabend.

Irgendwas mit -alisch am Ende!

Wir schauen eine Spiel-Zusammenfassung, Fußball. Nach einem Tor wird immer gejubelt, selten still. „Ich mag das nicht, wenn Männer sich in der Form freuen, so … matriarchalisch …, nein: patriarchalisch“, sage ich zu meinem Mann. Er schaut mich grinsend an: „Martialisch, ja“, er nickt, „aber ich weiß, was du meinst.“

Zu kühl?

Am langen Osterwochenende genieße ich die freien Tage besonders und nehme mir zunächst nichts vor. Es ist Ende März; der Winter ist kalendarisch und auch sonst vorbei, aber das Wetter ist unberechenbar. Mit einer dicken Jacke wäre es zwar auszuhalten draußen, aber ich entscheide: Für Gartenarbeit ist es glücklicherweise noch zu kühl. Stattdessen schreibe ich Briefe, gehe laufen, backe einen Kuchen, bin still und genieße die Strukturlosigkeit eines (auch Familien-)freien Samstags.

Der Sonntag füllt sich von allein: Ausnahmsweise frühstücken wir wie in alten Zeiten zu siebt – besser könnte der Tag nicht anfangen – und gehen in den Gottesdienst. Den Tages-Ausklang bildet das erste Grillen für dieses Jahr. Dafür ist es zwar fast noch zu kühl, aber wir entscheiden: Mit einer dicken Jacke ist es auszuhalten auf der Terrasse.

Wo ein Wille ist, hat das Wetter gar nichts zu sagen!