Langfristig

Es ist August; ich habe Arzttermine gemacht – für nächsten Januar.

Zwei Freundinnen werden 50 und haben eingeladen – für Mai und Juni 2020.

Ich werde 50 und bin gefragt worden, wie ich denn dieses denkwürdige Datum begehen möchte – nächsten Sommer.

Die Planungen für ein Familientreffen in einem Jahr werfen schon jetzt ihre Schatten voraus – August 2020.

Könnte diese Planungswut die Ursache sein dafür, dass wir uns um Silvester immer ganz kurzfristig kümmern?

Waffenschein

In der Zeitung stand vor ein paar Tagen, die Niedersachsen würden aufrüsten und auch bundesweit gebe es einen Trend zur Bewaffnung. Es ging um Waffenscheine für alle möglichen – nicht scharfen – Waffen. Ein angenommener Grund für das verstärkte Beantragen von Waffenscheinen ist die von Menschen angestrebte Prophylaxe gegen mögliche Attacken, Terrorangriffe, Überfälle. Schreckschusspistolen sehen echten Schusswaffen wohl täuschend ähnlich, weshalb sie zur Abschreckung sehr gut geeignet sind. Aus nächster Nähe abgefeuert erschrecken sie den „Gegner“ zudem nicht nur, sondern können ihn auch verletzen.

Ich bin unsicher, ob ich mich nicht unsicher genug fühle – aber eine Bewaffnung kam mir bisher noch nicht in den Sinn. Vor allem auch, weil ich mich vor dem Gebrauch einer Schusswaffe ebenso sehr fürchte wie davor, mit einer solchen bedroht zu werden. Mich zu bewaffnen, das ist keine Sache, die ich einfach mal so mache. Wenn ich so ein Ding spontan in die Hand nehmen müsste, in einer Notsituation – ich würde wahrscheinlich auf ganzer Linie versagen. Mich intensiv damit auseinanderzusetzen und auf einen möglichen Waffengebrauch vorzubereiten – die Idee ist mir noch nicht gekommen. Ich lebe in einer Welt, in der eine Waffe nicht zu meinen Gebrauchsgegenständen gehört. Und ich werde mich gegen diese Art der Prophylaxe wehren, solange es geht.

Feiner Unterschied

Wir haben Stühle in der Küche,
die sind teilweise von IKEA
(drei Jahre alt, und wahrscheinlich sind sie nicht die letzten,
auf denen wir sitzen werden)
und teilweise von meiner Oma
(100 Jahre alt, und wahrscheinlich sind wir nicht die Letzten,
die auf ihnen sitzen werden).

Countdown verschoben

Noch zehn Wochen oder so, dann müssen wir ran. Es lässt sich nicht länger vermeiden. Eine unserer Töchter hat sich zum Tanzkurs angemeldet – inklusive Abschlussball MIT Eltern. Das kommt jetzt plötzlich: Gerade hatte ich gedacht, wir hätten noch die zwei Jahre Zeit, die der Älteste voraussichtlich bis zum Abitur mit dazugehörigem Abi-Ball braucht. (Dort könnte man sich vielleicht sogar drücken: Bei derartigen Veranstaltungen ist es ohnehin so wuselig und voll, dass entschlossenes Sitzenbleiben möglich wäre.)

Die Teilnahme an einem überschaubaren Tanzstunden-Abschlussball war bisher nicht vorgesehen, jetzt sind es nur noch zehn Wochen. Vor Schreck verschiebe ich alle nötige Vorbereitung auf später und denke: Dauert noch, darum kümmern wir uns später!

Was für ein Auto? Ein schwarzes!

Lieblingsthema meines jüngsten Sohnes: Automarken, Modell-Namen und zahlreiche aneinandergereihte Buchstaben wie S-, G- oder E-Klasse, GLE bei Mercedes, A1 bis A8, BMW X3 bis X5, mittlerweile gibt es von BMW auch noch irgendwas mit M oder 540 D und was weiß ich noch. Früher hießen die Fahrzeuge noch VW Jetta, Passat oder Golf, Renault Twingo, Citroen Picasso, 3er BMW und gut. Vielleicht noch Ente, Bulli oder Käfer – und in meinem Teil Deutschlands Trabant, Lada, Wartburg oder Skoda. Das war schnörkellos, und man kam ohne weitere (Buchstaben-)Zusätze aus. Die meisten damals gebräuchlichen Automarken konnte ich mir merken, aber die Buchstaben heutzutage werfe ich regelmäßig durcheinander. Nicht so unser Junior: Er erkennt den konkreten Autotyp im Vorbeifahren (mit allen Extra-Buchstaben); für mich muss die Modellbezeichnung deutlich sichtbar hinten drauf stehen. Wenn nicht? Unterscheide ich weiterhin nach Farben…

Pferde

Einer unserer Nachbarn ist in der Pferdebranche tätig. Zu einer jährlich stattfindenden Pferdeshow bekamen wir von ihm spontan ein paar Freikarten geschenkt – der Nachbar kennt die Leidenschaft einer meiner Töchter.

Abgesehen davon, dass es in den zwei Stunden wolkenverhangen war und unablässig nieselte, hatten wir einen tollen Nachmittag. Pferde vor Kutschen, Pferde mit Hunden, Pferde allein oder in Gruppen, würdevoll trabend oder mit donnernden Hufen an uns vorbei galoppierend – uns wurde ein abwechslungsreiches und beeindruckendes Programm geboten.

Ich bin nicht so pferdebegeistert wie meine Tochter, aber auch ich habe mich erfreut an dem sichtbar guten Zusammenspiel von Mensch und Tier, an den „edlen Rössern“ und der manchmal gedrosselten, manchmal losgelassenen Kraft dieser Geschöpfe – immer begleitet und gelenkt von Menschen, denen die Pferde wirklich am Herzen liegen. Wie viel Zeit steckt dahinter, wie viel Arbeit, wie viel Geduld und Hingabe!

Ein Gedanke durchzuckte mich: Das ist ein Kulturgut – wie Kunst, wie Malerei oder Musik. Denn es geht nicht um Nutztiere, um Fleisch, Leder oder Fell; es geht dabei um schöne Pferde, geeignet für die Zucht von schönen Pferden mit guten Anlagen – für Dressur oder Springreiten. Wie schön, in einem Land zu leben, dass sich so etwas leisten kann.

Unablässig

Unablässig, ununterbrochen, unentwegt, fortwährend, pausenlos, beständig, unausgesetzt, ohne Unterlass…

Diese Worte beschreiben das Redebedürfnis eines meiner Kinder sehr treffend. Jeder Gedanke wird artikuliert, jeder Anblick kommentiert, jede aufkommende Frage formuliert.

Es gibt Tage, an denen ich damit gut umgehen kann und mich sogar freue über das Mitteilungsbedürfnis, die Wissbegier und die Unmenge an Information, die in diesem jungen Hirn schon Platz hat. Es gibt andere Tage, an denen ich weniger auf Empfang stehe, als nötig wäre, um erfreut auf den ununterbrochenen Redestrom meines Kindes zu reagieren. Heute ist ein Tag, an dem ich unablässig üben kann, geduldig und freundlich zu bleiben.

Plötzlich

Es gibt Zeiten, da läuft alles – solange nichts Unvorhersehbares geschieht – gleichförmig und stetig. Ob besonders schnell oder langsam sei dahingestellt. Und dann gibt es Phasen, da nimmt das Leben irgendwie Fahrt auf: Plötzlich (???) fängt die Schule wieder an, es fehlen diverse Hefte und Blöcke. Für mehrere Kinder startet zeitgleich die neue Fußballsaison mit den dazugehörigen Fahrten. Und dann kommt der Jüngste auch noch auf die weiterführende Schule. Die „Einschulung“ ist feierlich. Diesmal geht keine Jogginghose zu seinem weißen Hemd. Leider hat er nicht eine ordentliche Hose in seiner Größe im Schrank, alle haben entweder Löcher oder Flicken. Schließlich finden wir doch eine; die ist zwar ein bisschen zu lang und hat einen kleinen Fleck, aber was soll`s. Heute gibt es keine Alternative. Morgen fahren wir Hosen kaufen!

Rente

Eine Freundin von mir freut sich auf ihre Rente. Nach ihrem Urlaub diesen Sommer dachte sie: „So könnte es jetzt weitergehen, ich wüsste auch als Rentnerin etwas anzufangen mit meiner Zeit.“ Leider – oder glücklicherweise – ist sie noch nicht so alt, aber eben auch noch nicht alt genug, als dass sie schon jetzt mit nennenswerten Rentenbezügen zu Hause bleiben könnte.

Eine andere Freundin ließ sich in dem Zusammenhang zu der Bemerkung hinreißen: „Für Mütter gibt es keine Rente.“ Ich dachte zunächst nur an die Arbeit und schüttelte im ersten Moment den Kopf, denn die Aufgabenfülle mit heranwachsenden Kindern wird für Mütter ja doch weniger. Andererseits stimmt es, dass die Berufung als Mutter nie ganz aufhört – und nicht klar ist, wie nennenswert die Bezüge sind, wenn man dann doch irgendwann „in Rente“ geht.

Von außen betrachtet

Während des Studiums hatte ich nebenbei einen Job im Garten- und Landschaftsbau, um finanziell ein bisschen flüssiger zu sein. Unter anderem brauchte ich eine wettertaugliche Jacke, weil ich ALLE Wege mit dem Rad zurücklegte, sechs Kilometer von der Uni entfernt auf dem Land lebte und es auch in den 90ern schon unvorhersehbar regnen (und in Bayern auch schneien) konnte.

Damals kamen gerade Doppeljacken in Mode: Außen Goretex, innen Fleece – zusammen oder einzeln tragbar, je nach Temperatur. Sehr praktisch. Die Teile waren unverschämt teuer, versprachen aber – von schlechter Witterung unbeeinträchtigt – gut durch die Lande zu kommen. Auch ich erwarb also vor 25 Jahren solch ein gutes Stück.

Mittlerweile lebt von der Jacke nur noch das Innenteil – Kategorie: „darf schmutzig werden“ – und hängt seit einigen Jahren auf Abruf im Keller. Heute hatte mein Ältester Bedarf – und passte ziemlich gut rein. Mein Sohn ist 20 Zentimeter größer als ich, erheblich breiter und hat entsprechend auch längere Arme. Das Herauskramen eines alten Fotos bestätigt: Die Jacke war schon immer zu groß; ich hab`s nur erst gemerkt, als ich sie von außen betrachtet habe.

Auch in anderen Fragen kann ein Perspektiv-Wechsel die Augen für sonst verborgene Tatsachen öffnen…