Mein Orientierungssinn ist ganz ordentlich – finde ich. Aus Sicht meines Mannes sieht das anders aus. Er selbst hat wirklich eine bewundernswerte Gabe, sich an schon einmal aufgesuchte Orte zu erinnern oder in fremder Landschaft zu orientieren. „Hier waren wir schon mal“, sagt er dann, und ich staune: Ich weiß, dass es stimmen muss, mir aber kommt nichts bekannt vor. Gar nichts. Dieses Abspeichern von Gelände-Informationen geht mir total ab.
Im vergangenen Jahr besuchten wir Freunde in dem Ort, in dem ich vor über 20 Jahren eine Weile studiert und gelebt habe. Ich fand mich überhaupt nicht mehr zurecht, hatte keinen Plan, erkannte nichts. Durch unser Navigationsgerät kamen wir trotzdem an; und schon beim Losfahren am nächsten Tag brauchte mein Mann das Navi nicht mehr: „Da müssen wir lang, alles klar.“ Mich lassen solche Bemerkungen erschaudern. Wieso ist in seinem Hirn Platz für immer neue Verkehrswege und in meinem nicht einmal für altbekannte Pfade? Hat es etwas mit dem Mann-Frau-Unterschied zu tun? Gut möglich: Eine meiner Töchter fuhr heute mit einer Freundin in einen Secondhandshop, mit dem Fahrrad. Die Freundin kannte den Weg. Hinterher wollte ich wissen, wo der Laden ist. „Keine Ahnung, Mama, ich weiß nicht, wo wir langgefahren sind.“ Hätte mir auch passieren können…