Es ist Neujahr, ich besuche meine Eltern und gehe mit meiner Mutter spazieren. Die wenigen, die außer uns noch unterwegs sind, reagieren überrascht auf mein „Frohes Neues Jahr!“, lächeln aber und antworten freundlich. „Das ist hier nicht üblich“, raunt mir meine Mutter nach der dritten Begegnung zu. Ehrlich gesagt ist mir das egal; ich wünsche trotzdem jedem, den ich am 1. Januar treffe, ein gutes, frohes oder auch gesegnetes Neues Jahr.
Einen Tag später bin ich wieder zu Hause und gehe eine Runde laufen. Jeder, der mir begegnet, ruft mir (wohlgemerkt am 2. Januar!) ein „Frohes Neues Jahr“ zu – ob ich denjenigen vom Sehen kenne oder nicht, spielt keine Rolle. Bei uns ist das offensichtlich eher üblich.
Aber hat „üblich“ überhaupt mit dem Ort zu tun und nicht vielmehr mit den dort lebenden Menschen? Ich schätze, wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es auch heraus: Wird mein Gruß erwidert, werde ich damit weitermachen – und vielleicht andere anstecken. Ernte ich für mein „Frohes Neues Jahr“ hingegen öfter ein stumpfes Schweigen, gewöhne ich mir wahrscheinlich mein Grüßen wieder ab. Mein Umfeld färbt auf mich ab – und ich auf mein Umfeld. Was hier oder da üblich ist, hat auch ein wenig mit mir selbst zu tun.