„Doch, Kirche muss politisch sein“, betont ein Pastor im Gespräch mit mir. Ich hatte seine Aussage in Frage gestellt und ernte entschiedenen Widerspruch. Sofort frage ich mich, ob ich das anders sehen kann als er: Gibt es hier ein Richtig oder Falsch? Mein „Kirche muss nicht politisch sein“ kam spontan und aus dem Bauch heraus – dort haben viele meiner Überzeugungen ihren Ursprung. Die Diskussion geht noch ein kleines bisschen hin und her und erstreckt sich darauf, wer unsere gespaltene Gesellschaft heilen kann. „Jesus“, sage ich – und auch das kommt spontan und von irgendwo in mir drinnen. Zu fromm sei ihm das, doof und fromm, findet der Pastor, hat aber seinerseits keine andere Idee. Wir diskutieren, haben unterschiedliche Meinungen – und dann ist es auch gut.
Natürlich lässt mich so ein Gespräch nicht los. `Wie man das wohl sieht´, habe ich mich schließlich schon oft gefragt – als gäbe es in vielen Fragen nur eine einzige Wahrheit, nur eine einzige Sichtweise. Ich weiß nur selten von vornherein schon Bescheid oder ahne, was man zu einem bestimmten Thema so denkt. Es sei denn, mein Gegenüber beharrt auf seinem Standpunkt wie in dieser Situation. Alternativloses `So ist das!´ macht mich per se skeptisch. Und Jesus als Heiler ist für einen Pastor vielleicht zu fromm und doof, für mich aber genau richtig.
Später beim Laufen fällt mir die Frage ein, die uns vielleicht weitergeholfen hätte. Was nämlich heißt es, Kirche müsse politisch sein? Wenn man von Kirche überhaupt derart aktiv und personifiziert sprechen will, stimme ich zu, dass sie eine Position haben sollte. Aber ist das schon politisch? Politisch im Sinne von: den Staat beeinflussen, nach Macht innerhalb des Gemeinwesens streben und sich um Regierungsverantwortung bemühen wollen. Mit dieser Definition im Hinterkopf bleibe ich erst recht bei meinem ursprünglichen Nein. Aber das kann man anders sehen, keine Frage.
„Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird früh Witwe.“
Søren Kierkegaard