Hirten und Schafe

Ein Pastor ist ein Hirte. Ich bin ein Schaf. Ich bin zwar nicht so herdenkompatibel wie ein Schaf und auch nicht ganz so ohne eigene Meinung, aber ich bleibe ein Schaf. Wenn ich Orientierung brauche, suche ich einen Hirten – und ich bin froh, wenn dann da ein Hirte ist, dem ich vertrauen kann. Mein eigener Pastor ist glücklicherweise so einer, aber es gibt noch andere Hirten in meinem Leben. Einige kenne ich nur aus Büchern, und sie begleiten mich schon lange. Warum sie in meinen Augen gute Hirten sind? Sie lieben Jesus und die Bibel, suchen dort nach Wegweisung – für sich selbst und die Schafe. Sie sind ehrlich, überlegt, klug und trotzdem bodenständig und praktisch:

„…ich erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann (eine sogenannte priesterliche Gestalt!), einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden – und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben, – dann wirft man sich Gott ganz in die Arme…“
Dietrich Bonhoeffer

„But if the Christian life means anything at all, it finally has to get into the worlds of what we do between waking and sleeping, into the realm of the routine, ordinary speech, habitual responses, casual reactions.“
Eugene H. Peterson

Meine beiden Hirten – der eine schon tot, gestorben, als er jünger war als ich heute (und so viel reifer), der andere weit weg in den Bergen von Montana. Beide inspirieren und ermutigen mich, sind manchmal Trost, oft Herausforderung für mich in meinem Alltag, in meinem Denken. Ihre Weisheiten sind für mich häufig einprägsamer als die eines Paulus – der immerhin ebenso erfrischende Briefe aus seiner Gefängniszelle geschrieben hat wie Dietrich Bonhoeffer. Liegt vielleicht daran, dass sie sich mehr mit den Gegebenheiten des Lebens heute herumschlagen mussten oder noch herumschlagen. Und weil sie die Bibel nicht nur in eine heutige Sprache übersetzen, sondern auch noch in meine heutigen Umstände.

Das ist wohl das, was ein guter Hirte macht, und da bin ich dann gern ein Schaf.

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