Ein Lächeln im Supermarkt

Ich gehe meist vormittags einkaufen, wenn die Regale voll, die Flure leer und die Verkäufer noch frisch sind. Ab und zu verschlägt es mich aber doch zur Feierabendzeit in einen Supermarkt – und jedesmal fällt mir ein Unterschied auf: Zum einen sind mehr Leute unterwegs, die gestresst wirken, weil sie schon einen Arbeitstag in den Knochen haben. Zum anderen sind Verkäufer unterwegs, die abgearbeitet wirken, weil sie schon einen Arbeitstag in den Knochen haben – und vielleicht sogar einige weniger angenehme Begegnungen mit gestressten Kunden.

Gestern Abend um 17 Uhr traf ich auf eine solche Kassiererin. Sie sah unkonzentriert und gelangweilt aus und starrte sekundenlang ins Leere, sobald ihre ansonsten automatisierten Handgriffe durchs Bezahlen kurz unterbrochen wurden. Ihr Blick schien ausdruckslos und abgeschlafft, das Gesicht ernst und abwesend. Während ich noch in der Schlange wartete, gab es offenbar einen Blickwechsel mit ihrer Kollegin an der anderen Kasse. Ohne Worte stahl sich ein Lächeln in das Gesicht „meiner“ Kassiererin – die Veränderung war frappierend: Die Mundwinkel gingen minimal in die Höhe (es war „nur“ ein Lächeln, kein Lachen), die Augen öffneten sich ein wenig, die Wangen wurden straffer, Lachfalten tauchten auf. Das ganze Gesicht sah schön aus, weich, freundlich, entspannt, wach.

So hatte ich die Frau noch nie gesehen – so schön! Ich glaube nicht, dass ihr in diesem Moment bewusst war, dass sie jemand ansah und sich über ihr Lächeln freute. Es war auch schnell wieder vorbei. Aber ich hatte es gesehen und musste ebenfalls lächeln, doch das hat niemand bemerkt. Oder? Wer weiß.

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