In einem biografischen Buch über Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg lese ich davon, wie es deren Mutter nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler erging. Die Tat ihres Schwiegersohnes kam für diese Freifrau Anna von Lerchenfeld völlig überraschend – und machte sie von einem Tag auf den anderen zu einer `Verbrecherin´: Schon fünf Tage nach dem 20. Juli 1944 kommt sie ( aufgrund von Sippenhaft) ins Gefängnis, später ins KZ Ravensbrück und zuletzt in ein Straflager der SS in Matzkau. Dort stirbt sie im Februar 1945 an Typhus. Mit ihrer Tochter und den Enkeln kann sie nicht mehr sprechen; einen Prozess bekommt sie nicht.
In ihrem Buch `Wir müssen über Kevin reden´ beschreibt Lionel Shriver eine Mutter, deren Sohn bei einem Amoklauf mehrere Menschen erschossen hat. Sie kann die Tat ihres Sohnes weder verstehen noch gutheißen; sie ist ebenso entsetzt wie alle anderen – und doch sucht sie die Schuld an seinem Verhalten auch bei sich selbst. Bei allem Wunsch, sich von ihm als Mörder zu distanzieren: Am Ende weiß diese Mutter, dass sie ihren Sohn noch immer liebt.
In unserer Gegend wohnen viele Kurden. Die meisten, die ich kenne, sind in Deutschland geboren und komplett integriert. Hochzeiten oder ähnliche besondere Ereignisse feiern sie jedoch in einem deutlich größeren Rahmen, als bei uns üblich: 300 Gäste sind keine Seltenheit; alle gehören irgendwie zur Familie – und sind den Gastgebern zum Teil gänzlich unbekannt.
Die Sippe ist ein interessantes Phänomen …