Schon wieder Corona

Eine Frau begegnet uns oft morgens auf dem Weg in die Stadt oder zur Schule. Sie radelt immer um dieselbe Zeit vom Bahnhof zu ihrer Arbeitsstelle bei uns im Stadtteil. Vor allem im Winter fällt ihre sehr leuchtstarke Fahrradlampe auf – daher heißt sie bei uns der „Scheinwerfer“. Nach Jahren fast täglicher Begegnung kennen wir uns vom Sehen und grüßen uns freundlich. Aus einem Gespräch – irgendwann – wissen wir, dass sie täglich von Hannover nach Celle pendelt.

Gestern trafen wir sie, als sie nach Feierabend zum Bahnhof radelte. Wir grüßten – wie immer – und sprachen sie an – ausnahmsweise: „Wo haben Sie das denn ergattert?“ In ihrem Fahrradkorb steckte DIE Corona-bedingte Mangelware schlechthin – eine XXL-Packung Toilettenpapier. Zugleich dachte ich: Diese Frage passt nicht zu diesem Land und in diese Zeit. Hier und heute gibt es normalerweise immer alles; die leeren Regale, das Hamstern, die Frage nach dem „Woher?“ – all das kenne ich von früher aus dem „Osten“. Unser „normal“ hat sich verändert, es ging ganz schnell; der Anlass ist mit bloßem Auge nicht zu sehen, die Auswirkungen sind unüberschaubar.

PS: Heute Morgen kurz vor acht klingelte es bei uns. Der „Scheinwerfer“ stand vor der Tür, in der Hand eine XXL-Packung Toilettenpapier: „Hier kommt die Notfallversorgung, limited edition“, sagte unsere alte Bekannte und flitzte zurück zu ihrem Fahrrad. Diese spontane, großzügige Freundlichkeit, dieses „für den anderen mitdenken“, das ist eine der erstaunlichen und nicht vorhersehbaren Auswirkungen des kleinen Corona-Virus. Es hat eben fast alles zwei Seiten – wie wunderbar!

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