Beim Frühstück freue ich mich darauf, dass ich zum ersten Mal zu einer Chorprobe gehen werde. „Du hast in Heidelberg schon mal in einem Chor gesungen“, widerspricht mir mein Mann. Ich schaue ihn ungläubig an, weiß aber, dass mein `Ich bin mir ganz sicher´ mich schon oft getrügt hat.
Mein Erinnerungsvermögen ist selektiv: Nicht nur alte Schulfreunde erwähnen bisweilen Situationen, die mir komplett neu sind, obwohl ich dabei war. Lange her, klar – aber auch für sie! Und gegen meinen Mann habe ich noch nie eine Wette gewonnen, selbst wenn ich mir `ganz sicher´ war, recht zu haben.
Dementsprechend ahne ich, dass seine Wahrheit auch diesmal die richtige ist. Im Chor habe ich also gesungen, damals in Heidelberg, aha. Offenbar habe ich in Heidelberg nicht nur mein Herz verloren, sondern auch Teile meines Gedächtnisses.
Zwei Stunden später fahre ich zur Chorprobe. Wir sind nur wenige, die an diesem Lied-Projekt teilnehmen wollen: Gloria in excelsis Deo, allen bekannt. Nach ein paar Atem- und Sprechübungen verteilen wir die Stimmen. Normalerweise bin ich mit dem Sopran gut bedient. Es fällt mir nicht leicht, die Stimme zu halten; sicherer fühle ich mich, wenn ich die Melodie singen darf, die ich kenne. Da es den anderen offenbar ebenso geht, lasse ich mich ein auf den Alt – ich denke, zum ersten Mal, aber sicher bin ich mir nicht …