Will ich mir alles leisten, was ich mir leisten kann?

Es ist klar, dass man sich möglichst leisten können sollte, was man sich leisten können möchte: Mehr Konsens gibt es darüber aber nicht – und auch der wackelt. Bei mir selbst kollidieren Wollen und Können bisweilen miteinander. Zum einen meinetwegen, zum anderen wegen der Kinder, die zu Hause lernen sollten, dass das Leben etwas kostet. Wären wir mit nur einem Kind großzügiger – wie unser Ältester uns manchmal vorwirft, wenn es um die Familiengröße geht?

Heutzutage können wir uns in der Regel eher mehr leisten, als wir brauchen. Dieses Problem hatten meine Großmütter in der Intensität nicht. Dabei definiert jeder „brauchen“ ganz individuell. Es ist schon schwierig genug, für sich selbst eine gute Lösung/Vorgehensweise zu finden; noch schwieriger wird es aber, wenn die Kinder das als Maßstab heranziehen, was gesellschaftlicher Standard zu sein scheint: „Jeder hat einen Flachbildschirm, nur ihr lebt im letzten Jahrhundert ganz ohne Fernseher oder wenigstens großen Monitor“, so unsere Kinder, wenn das gemeinsame Filmschauen uns eng beieinander vor dem Laptop sitzen lässt. „Wir könnten ruhig öfter mal Pizza bestellen“, ist auch ein beliebter Satz – vornehmlich am Wochenende. Oder neuerdings: „Als erstes Auto mit 18 hätte ich gern einen AMG.“

Mich bringen derartige Äußerungen leicht zum Verstummen. Es gibt im Hinblick auf Kinder keine Pauschallösung für großzügiges Verhalten. Nicht alle Ausgaben muss ich zum Aufhänger für erzieherische Gespräche machen. Das elterliche Vorbild ist sicher beredter. Dennoch: Eine gewisse Begrenzung der finanziellen Zuwendungen halte ich für eine weise Entscheidung. Großzügig dagegen sind wir mit stundenlangem Vorlesen, Ideen für Betätigung an frischer Luft, Gesprächsangeboten, Familienzeiten in Form von gemeinsamen Mahlzeiten. Unsere Kinder sehen manchmal nur die Beschränkungen, weniger die Freigebigkeit. Ich hoffe, irgendwann verstehen sie uns – auch wenn sie dann frei entscheiden, was sie sich leisten wollen.

Was mir peinlich ist – und was nicht

In einem Gespräch über Peinlichkeiten erwähnten Freunde von mir Fehler, die ihnen unterlaufen, hauptsächlich mit ihrer Arbeit verbundene. Ich horchte ihn mich hinein und fand dort – bezogen auf meine Hausfrauen-Arbeit – nur ein leeres Feld: Es ist mir nicht peinlich, wenn durch meine „Fehler“ die Wäsche nicht rechtzeitig trocken wird, das Essen nicht so gut schmeckt, kein Klopapier mehr im Haus ist oder das Badezimmer nicht frisch geputzt ist. Es tut mir leid, ja, aber peinlich ist es mir nicht. Vielleicht liegt es daran, dass diese Fehler nur Menschen bemerken, die mich grundsätzlich sehr gern haben – meine Familie, und mir derartige „Fehler“ selten unterlaufen.

Es gibt bei mir noch eine andere Reaktion auf meine eigenen Unzulänglichkeiten: Wenn mir das Auto absäuft, ärgere ich mich – über das Auto. Wenn ich vergesse, die Mülltonne unseres Nachbarn rauszustellen, obwohl er mich darum gebeten hat, ist mir das unangenehm, ja. Und dann suche ich eine Lösung, biete meine eigene Mülltonne als Alternative an oder so.

Peinlich ist negativ besetzt. Meinen Kindern ist es peinlich, wenn ich auf der Straße laut lache. Ich frage mich: „Warum? Ist lachen schlimm? Ist es, wie ich lache? Ist es mein Alter? Lacht man mit knapp 50 nicht mehr (laut auf der Straße)?“ In der Brigitte gab es mal Sprüche wie „Mit 40 hat man (auf halbe Sachen) keine Lust mehr“. Ich würde hinzufügen: „Über 40 ist einem nicht mehr soviel peinlich“.

Ein paar Dinge gibt es aber doch: Meine charakterlichen Fehler sind mir peinlich. Ungeduldiges Aufbrausen gehört dazu, ungerechtfertigtes Beschuldigen meiner Kinder, das voreilige Be- oder gar Verurteilen von Menschen auch. Wenn mich die Not eines anderen nicht interessiert, wenn ich nur mit halbem Ohr zuhöre, wenn ich nur auf den Moment warte, in dem ich MEINE Meinung zu dem Thema loswerden kann – solche Dinge sind mir peinlich. Merkt ja kaum einer, könnte ich sagen. Stimmt. Ich merk`s. Und Gott auch.

Ach ja, Rechtschreibfehler, die sind mir auch peinlich. Sehr sogar.

Als Kundin nur bedingt geeignet

Ich kaufe mir selten etwas neu. Vieles kann man gebraucht erwerben, ich habe schon ziemlich viel Zeugs, und mir fallen Entscheidungen grundsätzlich nicht so leicht. Die nahezu grenzenlose Auswahl an Konsum-Artikeln in unserer Kleinstadt, in ganz Deutschland und – durchs Internet – weltweit überfordert mich eher, als dass sie mich zum Zuschlagen motiviert.

Ich erinnere mich noch an den Kauf unseres Küchentisches – aus Holz. Der hatte mit damals vier kleinen Kindern relativ schnell die ersten Macken. Das stört mich nicht, wir wohnen hier. Es ist leichter für mich, mit Gebrauchsspuren zu leben, als einen neuartigen Status quo aufrecht zu erhalten. Mit dieser Einstellung fällt es schwer, viel Geld für neue Dinge auszugeben. Außerdem widerstrebt es mir, Dinge wegzuwerfen, die ihren Zweck erfüllen.

Dabei beobachte ich in mir einen gewissen Widerstreit von Gefühl und Verstand, was den Konsum betrifft: Technische Geräte stellen nur bedingt eine Versuchung für mich dar – deren Halbwertzeit ist mir zu kurz. Nur ein zweites Objektiv für meine Kamera könnte ich gut gebrauchen. Geht aber auch schon seit Jahren ohne. Andere Dinge haben durchaus einen Reiz für mich, vor allem schöne, zweckmäßige Klamotten. Nach einer gewissen Anzahl Jahren in einem sich wenig verändernden Outfit käme mir das eine oder andere neue Teil gerade recht. Wenn aber für den emotional motivierten Spontankauf Muße oder Gelegenheit fehlen, hat der Verstand Zeit zur Argumentation: „Brauchst du das wirklich? Du weißt doch, dass der Zauber des Neuen schnell verfliegt. Du hast genug.“

Manchmal frage ich mich, inwieweit mein Konsumverhalten meinen Lebensumständen geschuldet ist: Hätte ich mehr Geld oder Zeit und ersetzte ich regelmäßiger Altes durch Neues – wäre ich dann den Versuchungen des Konsums zugeneigter? Auch die Nähe zu einer Shopping Mall und modebewusstere Freundinnen wären sicher meinem eigenen Einkaufsverhalten zuträglicher. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier: Ich habe mir die Lust auf etwas Neues abgewöhnt wie den gedankenlosen Einsatz von Zucker. Vielleicht reicht meine jetzige Lebensphase aus, mich des Konsums an sich überdrüssig zu machen. Als Kundin bin ich derzeit nur für Edeka und Co. geeignet.

Verbindlichkeit adé

Das Dahinschwinden von Werten und Zwängen, die für meine Eltern noch Standard waren, erfüllt mich nicht nur mit Freude und Erleichterung, sondern auch mit leiser Wehmut und lautem Bedauern. Schön ist, dass ich nicht bis zur Selbstaufgabe pünktlich sein muss, um in meinem Freundeskreis noch eingeladen zu werden. Schön ist auch, dass man auf Anfragen mit einem klaren „Nein“ antworten kann: Ich muss Erwartungen nicht erfüllen, um als vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Unsere Kinder dürfen auch mal nicht zum Training gehen; in der Regel tun sie das aber doch, sind sie verbindlich.

Es ist nämlich ausgesprochen schade und äußerst unglücklich für die Charakterbildung, wenn man unangenehmen Terminen oder Personen fernbleibt und sich den Weg des geringsten Widerstandes als den einzig gehbaren und der eigenen Seele zumutbaren aneignet. Auf diesem werden so überlebensnotwendige Fähigkeiten wie Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz, Kreativität und Flexibilität nicht gelernt. Und wie wichtig erweisen diese sich im manchmal so langweiligen und unspektakulären Alltag!

Leugnen zwecklos

Mein Mann kommt mit einem der Briefe auf die Terrasse, die ich ihm normalerweise immer auf die Treppe lege: Alles, was offiziell oder nach Rechnung aussieht, landet auf seinem Schreibtisch. „Ich soll als Zeuge auftreten“, und schon weiß ich, welcher Art Schreiben er da in den Händen hält, grinsend, sein Blick wandert vom Brief zu mir und wieder zurück. „Was für ein Foto ist das denn?“, fragt unsere Tochter. Na, ein schlechtes – Qualität miserabel, Mutter unvorteilhaft getroffen, weil ernst (oder konzentriert), schwarz/weiß, ohne Charme.

„Ja, das kann ich bestätigen, dass du das bist, Dagmar“, lächelt mein Mann, „sind aber nur zehn Euro diesmal“. Zum Glück, ich war nicht soviel zu schnell wie damals, als ich in einer 30er Zone gedankenversunken 54 Stundenkilometer gefahren bin und 350 DM löhnen musste – und noch einiges mehr an Konsequenzen zu tragen hatte… Diesen Lapsus werde ich nie los.

Ob ich es wahrhaben will oder nicht: Ich sehe immer gleich schrecklich aus auf diesen Fotos vom Polizeioberkommissariat. Wenn ich mich unbeobachtet fühle – egal, ob ich es tatsächlich bin oder nicht -, sind Fotos von mir nur für die Papiertonne geeignet. Eindeutig ich, aber nicht schön…

Energiebilanz zweifelhaft

Manche Frauen scheinen unbegrenzt davon zu haben – Energie. Ich nicht. Was andere Leute schaffen, lässt mich schwindeln: Job, Kinder, Ehrenamt, Marathonläuferin als Hobby oder Ausgleich, abends noch einen Tanzkurs mit dem Ehemann, kulturinteressiert am Wochenende unterwegs, was Bücher angeht immer up to date, politisch nicht nur informiert, sondern mit einem klaren Standpunkt ausgestattet. In all diesen Bereichen fühle ich mich weniger ambitioniert, müder, wahrscheinlich auch weniger bereit, mich zu engagieren. Kann ich leider nicht auf mein fortgeschrittenes Alter schieben: Die Frauen, von denen ich spreche, sind in demselben.

Woran liegt das? Innerlich fühle ich mich jung, noch nicht fertig, noch lernend, unerfahren gar. Andererseits laufe ich nur noch fünf, keine zehn Kilometer mehr, putze mein Haus weniger regelmäßig von oben bis unten, lese manches Buch nicht zu Ende und die Zeitung so, dass ich hinterher eher ratlos bin als umfassend informiert. Und ich brauche viel Schlaf. Mehr als vor zehn oder fünfzehn Jahren, als der Nachtschlaf noch regelmäßiger unterbrochen war. Die Altersphase, in der man kaum noch Schlaf braucht, habe ich noch nicht erreicht. Verwandle ich mich in ein Murmeltier? Oder ist das normal?

Meine Erfahrung ist nicht deine Erfahrung

Erfahrungen kann man schlecht für jemand anderen machen: Ein Sohn ist zum Austausch in Irland. Zwischen der Spannung (der erste Flug, wie wird das wohl?) und Anspannung (unbekannte Gastfamilie, wie wird das mit der Sprache?) schwankte das Kind – je näher der Abflugtag anrückte, desto mehr. Weder das Schöne des ersten Fluges noch die Erfahrung, mit fremden Menschen umgehen zu müssen und nicht zu wissen, wie man mit „denen“ klarkommen wird, konnten wir ihm abnehmen. Dafür wird das Erlebte auch ganz SEINS sein. Nicht vermittelbar, nicht teilbar, seine Erfahrung, sein Erleben, sein Erinnerungsschatz irgendwann. So ist es mit allem – auch mit den weniger positiven Ereignissen des Lebens.

Zwar würde ich meinen Kindern gern manches ersparen, aber schlau ist das nicht. Dass Niederlagen und Fehler nicht das Schlechteste sein müssen beim Großwerden zum Beispiel, das kann man nicht theoretisch verstehen. Dass Horizonterweiterung immer mit dem Verlassen der Komfortzone verbunden ist und darum oft beängstigend, ungewohnt und anstrengend, ebenso. Auch die Kraft von Worten – in aufbauender und in verletzender Weise – begreifen sie am ehesten durch Ermutigung und leider eben auch verbale Attacken. Und so weiter und so fort.

Was sie aus Erfahrungen lernen und wie diese sie prägen und beeinflussen, das ist dann noch einmal eine ganz andere Frage. Ersparen kann ich sie ihnen nicht, mit ihnen darüber reden schon.

Mach ich, klar

Ich sage zwar: „Ich lebe“, doch fühlt es sich manchmal eher an wie: „Ich werde gelebt“. Ich reagiere an manchen Tagen mehr, als dass ich agiere. Da ruft gleich morgens jemand an, ob ich zwei Kinder hüten kann, weil das kleine Geschwisterbaby auf die Welt kommt. Mach ich, klar. Während die beiden Jungen hier frühstücken, meldet sich eine Freundin, ob ich abends für sie Taxi spielen könnte – Fuß kaputt und aber ein wichtiger Arzttermin auswärts. Mach ich, klar. Das Mittagessen kommt mir in die Quere – heute sind wirklich alle sieben zur gleichen Zeit mittags zu Hause. Mach ich, klar. Ich habe mich verplant und muss dringend noch was einkaufen. Mach ich, klar. Meine Tochter braucht nachmittags Motivation, ihren Kaninchen Löwenzahn zu pflücken – und Gemeinschaft ist die beste Motivation, also pflücken wir zusammen. Mach ich auch, klar.

Am Ende solcher Tage fühle ich mich fremdgesteuert. Das wäre sicher anders, wenn ich einen „richtigen“ Job hätte mit klar umrissenen Aufgaben und Terminen und Präsenz-Zeiten. Hab ich aber nicht. Mein Job ist Mutter und Hausfrau – und das kann man so verstehen und so verstehen, so leben und so leben. Bei „Mutter“ ist ganz viel „selbst Schuld“ dabei, ganz viel eigene Überzeugung, wie ich eine einmal übernommene Aufgabe wahrnehme und erfüllen will. Viel, was ich für richtig, wichtig und nötig halte. An manchen Tagen bin ich für alles mögliche zuständig – Allzweckwaffe Mama.

Von mir als „Hausfrau“ müssen die meisten Aufgaben nicht sofort erledigt werden. Es gibt kaum Termindruck. Anfragen an meine Zeit kann ich leichter mit „Mach ich, klar“, beantworten als berufstätige Frauen. Das ist schön, da ist viel Freiheit. Das sehen andere auch so. Allerdings komme ich mir bisweilen vor wie Verfügungsmasse, die je nach Bedarf einsetzbar ist – Allzweckwaffe Hausfrau. Mit diesen beiden Jobs ist es bisweilen schwierig, Tage nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Anstelle ausgereifter Pläne passe ich an, modifiziere, plane flexibel, richte das oder das noch ein… Auch dafür habe ich mich entschieden, als ich Hausfrau und Mutter geworden bin.

Fahrradtraining…

Es gibt gewisse Grundfertigkeiten im Leben. Das ist sicherlich familienbedingt ein etwas unterschiedlich gearteter Kanon. Für mich sind es Dinge wie sprechen, laufen, schwimmen, Rad fahren, selbständig essen, ehrlich sein, sich entschuldigen können.. Später kommen lesen, schreiben und rechnen dazu, vielleicht noch weitere Sprachen, Naturwissenschaften. Für manche ist die Schule zuständig, für manche die Eltern. (Und natürlich ist dieser Kanon nahezu unendlich erweiterbar – Essmanieren, eine Rolle vorwärts, Leistungsbereitschaft, gedankliche Beweglichkeit: Wir wollen unseren Kindern alles mögliche mit auf den Weg geben, was sie für das Leben ausstatten soll.)

Mittlerweile habe ich fast fünf Kinder durch die Grundschule begleitet und mich jahrelang mit am dort angebotenen Fahrradtraining beteiligt. Darauf verlassen haben wir uns nicht. Unsere Kinder fahren ohnehin viel Fahrrad, das fing im Kindergartenalter an und wurde lange von uns begleitet: Noch heute darf der Jüngste noch nicht überallhin allein hinfahren.

In zwei Wochen ist Fahrradprüfung, heute war das letzte Training. Löblich, dass die Schulen das machen und sich immer wieder Eltern finden, die kleine Schülergruppen begleiten, üben, erklären. Ich habe das immer gern gemacht – Radfahren liegt mir mehr als Basteln. Heute bin ich frustriert, denn: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Grundkompetenz Fahrradfahren kontinuierlich zurückentwickelt. Ich kann es nicht aufhalten, da können wir an der Schule noch so viele Fahrradtrainingstermine einrichten.

Es gibt kaum etwas, was man lernt, wenn man ein paar Mal darüber redet und ein paar Vormittage übt. Radfahren lernt man vor allem oder vielleicht sogar NUR durchs Radfahren. Punktuell hilft nicht, kontinuierlich muss es sein. Zwar wird man das Fahren an sich nicht so leicht wieder verlernen, wenn man es einmal kann; aber dem Straßenverkehr muss man sich regelmäßig aussetzen, sonst bleibt man unsicher, reaktionslahm und ein Verkehrshindernis. Ganz abgesehen davon, dass es gefährlich ist, wenn man als Radfahrer macht, was man will.

Ich gebe zu, dass ich nichts dafür kann, dass ich gern mit dem Rad unterwegs bin und unsere Kinder im Dabeisein lernen mussten, wie das geht. Aber auch wenn ich in unser Auto verliebt wäre oder die Bewegung scheute – ich würde mich um ihretwillen bemühen. So wie ich das Schwimmenlernen ausgelagert habe, weil ich selbst keine Wasserratte bin: Sie mussten alle solange zur DLRG, bis sie sicher schwimmen konnten – bis zum Silberabzeichen.

Wird der gemeinsame Kanon der Grundkompetenzen immer kleiner? Verschiebt er sich weg von manuellen Tätigkeiten hin zu digitalen? Statte ich unsere Kinder mit genau den Fertigkeiten aus, die heutzutage nicht mehr wichtig sind?

Altersgemäß

Letztens hatten wir Besuch. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern – drei und fünf Jahre alt. Als die Kleine zwischendrin fragte, wo mein Jüngster (neun Jahre) abgeblieben sei, sagte ich: „Der ist auf der Straße, geh mal gucken.“ Der Vater: „Die ist drei Jahre alt, bist du verrückt?“ Und mir wurde klar, was ich gemacht habe. Obwohl ich dem Kleinkindalter noch nicht so lange entwachsen bin, ist es Lichtjahre her für mich, dass ich unsere Kinder IMMER und ÜBERALLHIN begleiten musste. Natürlich ist ein solcher Auftrag – noch dazu in fremdem Wohnviertel – eine Komplettüberforderung für eine Dreijährige. Natürlich habe ich die Kleine an die Hand genommen und mit ihr zusammen nach MEINEM Kleinen gesucht.

Am Wochenende geht dieser Kleine für einen Tag auf ein Pfadfinderlager, abholen ist gegen neun. Abends. Finde ich viel zu spät. Die Verantwortlichen haben entweder keine oder ältere Kinder – klar. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich „zu spät“ ganz schnell in Richtung „noch ziemlich früh“. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr darüber aufrege – denn aus einem anderen als dem eigenen Erfahrungshorizont heraus zu beurteilen, zu entscheiden, das ist nicht so einfach.