Ein Gespräch

Ein Gespräch ist per Definition, wenn Menschen miteinander kommunizieren. Im Idealfall reden alle Beteiligten ähnlich viel; im Normalfall trifft das aber nicht zu. „Vielen Dank für das schöne Gespräch!“ sagte kürzlich eine Frau zu meinem Mann – nur dass dieser nach eigener Einschätzung kaum zu Wort kam. Er ist einer von den Stilleren: Sein Redeanteil liegt meist bei unter 30 Prozent. Verglichen mit ihm sind die meisten anderen Vielredner – eine Klasse für sich, nicht homogen:
Einige von ihnen reden zwar viel, aber interessant und inspirierend. Außerdem beziehen sie ihr Gegenüber bei aller Rederei mit ein und beleben das `Gespräch´. Ohne sie gäbe es manche unangenehmen Schweige-Momente.
Andere Leute wiederum reden viel, verlieren sich aber im Detail und gelten schlimmstenfalls als Langweiler. Sie hören nur sich selbst: Was die anderen zu sagen haben, prallt buchstäblich auf taube Ohren.
In der dritten Gruppen der Vielredner sind Piraten: Sie kapern jeden Redebeitrag ihres Gegenübers und nutzen ihn als Aufhänger, um zu sagen, was ihnen selbst wichtig ist. Bei uns gilt dieses Vorgehen als die `feindliche Übernahme eines Gesprächsstranges´. Dagegen sind die meisten anderen nahezu chancenlos. Ob trotzdem Kommunikation stattfindet, hängt ganz davon ab, wie man `Gespräch´ definiert.

Erst reden, dann denken

Wir kommunizieren unterschiedlich und können dies äußerst vielfältig tun: persönlich reden, am Telefon oder einander schreiben – per Brief, Mail, WhatsApp, SMS etc. Und dann gibt´s da noch die Sprachnachricht. Diese ist für den Absender sicher super praktisch – man nimmt sie so `nebenbei´ auf, muss nicht tippen und kann an das Anliegen einen Haken machen. Mir als Empfänger allerdings sind Sprachnachrichten meist zu lang. Sechs bis zehn Minütchen, das klingt kurz, fühlt sich aber lang an: Ohne den anderen zu sehen, höre ich nur zu; Denkpausen machen mich ungeduldig. Vis-à-vis ist `erst reden, dann denken´ schon anstrengend genug. Aber manchmal geht es im persönlichen Gespräch nicht anders. Für eine Sprachnachricht jedoch gilt unbedingt `erst denken, dann reden´; alles andere ist für den Zuhörer einfach nur anstrengend und nervig. Finde ich. 

Besonders nicht interessiert

„Wie war Australien?“, fragt er mich. „Wunderbar“, sage ich, „ich war so richtig weg von meinem Alltag und konnte einmal richtig abschalten.“ Meine kurze Sprechpause nutzt er, um mir von seinen Urlauben zu erzählen, wie und wobei er richtig abschalten kann (beim Wandern), ab wann er sich wieder nach seiner gewohnten Umgebung sehnt (spätestens nach zehn Tagen) und dass man zweijährige Kinder unterwegs oft tragen muss … Die Krönung bildet ein längerer Bericht über eine unvergessliche Wohnwagen-Reise auf die Lofoten in den 90er Jahren. Unsere halbe Stunde ist um; ich fahre nach Hause. Der Mensch ist nett freundlich; ich kann ihm gut zuhören. Aber so dermaßen offensichtlich nicht interessiert zu sein am Ergehen anderer – wahrscheinlich, ohne es selbst zu merken: Das ist schon besonders.

Am Telefon

Es war, ist und wird mir ein Rätsel bleiben, wieso Menschen in der Öffentlichkeit telefonieren – und dann auch noch im Lautsprecher-Modus. Die trauen sich was, denke ich, denen ist nicht viel peinlich. Ich habe schon Gespräche mitgehört über Themen, die mich wirklich nichts angehen und mich nicht interessieren: „… wie der mich behandelt hat …“, „… der Kostenvoranschlag muss dann noch einmal überarbeitet werden und geht neu raus …“. Ich kann dann nicht in Ruhe über meine eigenen Themen nachdenken oder einfach nur still sein. Stattdessen muss ich zuhören – ungefragt. Dabei will ich das alles gar nicht wissen! Manchmal bin ich deshalb drauf und dran, mich aktiv in das Gesagte einzumischen und (ebenso ungefragt) meine Meinung zu sagen. Vielleicht käme das Telefongespräch dadurch spontan zu einem vorzeitigen Ende? Zwar telefonieren diese Menschen in der Öffentlichkeit, aber dass die Öffentlichkeit sich daran beteiligt, ist ihnen wahrscheinlich doch nicht recht. Bisher konnte ich mich beherrschen: Ich trau mich einfach nicht, es wäre mir peinlich. 

Vom Schweigen

„Wenn du nicht auf das hörst, was Menschen zu sagen haben, wirst du irgendwann von Menschen umgeben sein, die nichts zu sagen haben.“ Dieser schlaue Satz ist nicht von mir, kam mir aber heute in den Sinn. Denn ich war mit jemandem unterwegs, der sehr viel (oder zu viel) zu sagen hatte. Nicht nur, dass mir das Zuhören zunehmend schwer fiel; mir verging auch die Lust, mich selbst zu äußern. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ein bisschen gemeinsam zu schweigen.

Wie sagt mein Mann gern und oft zutreffend: Nicht jeder hat die Gabe der wenigen Worte … 

Alter Ego

I am not at home, but as far away as I could possibly be – down under again. Talking to my friends here in Australia is easy because we connect as we did 31 years ago. On the second day our conversation touches the concept of `alter ego´. What does this even mean in German, I ask myself, let alone in English. I struggle a little, but still we have this kind of philosophical discussion. How our inner self, our true personality (or our inseparable friend as the English dictionary puts it) sometimes gets buried underneath the person we have to be: on duty, functioning, (overly) polite, and also not able or willing to reveal everything about us towards anybody we get together with … and so on and so forth.

Our talk lasts half an hour or longer, all the while my host makes a cake, her daughter going in and out the garden, and also her mother putting her book away and contributing to our conversation. After a while we assume that to be away from our normal everyday life can help to find our alter ego and to engage with our inner personality. For the whole time I enjoy myself a lot: probably because part of my alter ego is this philosophical person – a quality in me which appears while I am not at home but as far away as I could possibly be.

It will be interesting what other qualities will resurface while I´m here.

Deutsche Sprache, schwere Sprache

„Bitte kein Fahrrad vor dem Geschäft stellen“, lese ich auf einem selbst geschriebenen Schild in der Innenstadt. Das, denke ich, vor das Geschäft stellen, muss es heißen. Oder aber kein Rad vor dem Geschäft ab– oder hinstellen – und sich selbst bitte gern anstellen oder auch in dem Geschäft vorstellen.

Ich kann jeden Nicht-Muttersprachler verstehen, der hier durcheinanderkommt.

Vorsicht mit Worten

In mehreren Zeitungsartikeln, die sich mit der vergangenen Corona-Zeit befassen, lese ich von Impfgegnern. Jedesmal klingt es abfällig wie ein Schimpfwort – und steckt Menschen pauschal in eine Schublade. Impfgegnern traut man zu, Alu-Hut-Träger, rechtsradikaler Demonstrant und/oder Corona-Leugner zu sein, gern auch demokratiefeindlich. Sehr wahrscheinlich ist nichts davon wahr, aber das Szenario im Kopf ist eindeutig negativ konnotiert. Dabei wissen wir nicht erst heute: Die mit Impfgegner Titulierten haben weder die Pandemie verlängert noch andere gefährdet und auch keine Umsturzpläne geschmiedet. Schlimmstenfalls erhöhten sie ihr eigenes Ansteckungsrisiko – freiwillig und völlig legitim. Jegliches unfreundliche Kategorisieren war und ist also fehl am Platz.

Im Zusammenhang mit Corona ist das Wort Impfgegner außerdem undifferenziert: Diejenigen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen ließen, sind keineswegs alle Gegner des Impfens allgemein. Die Zahl der tatsächlichen Impfgegner, die Impfungen grundsätzlich ablehnen, ist verschwindend gering. Und auch diese bewegen sich in den meisten Fällen auf legalem Boden. Den Begriff Impfgegner hinsichtlich der Pandemie noch immer zu bemühen ist mindestens unglücklich – vielleicht sogar missbräuchlich. Schwarz auf weiß macht es nicht besser.

Begrenzte Medienkompetenz

Mir begegnet eine Schulklasse auf dem Weg irgendwohin; ich schätze, es ist eine fünfte oder sechste Klasse. Das Schüler-Feld ist weit auseinander gezogen: Sie gehen in Gruppen zu zweien oder dreien, wenige sind allein. Die meisten von ihnen starren dabei auf ihr Handy, gesprochen wird kaum. Das können die Eltern doch nicht wollen, denke ich. Es fällt eindeutig nicht unter die oft zitierte Medienkompetenz. Diese ist nämlich nicht dadurch erreichbar, dass Kinder immer mehr und immer früher digitale Geräte benutzen. Kompetent ist jemand, der das tatsächliche Miteinander ebenso souverän beherrscht wie das über Funk. Nicht viel Übung macht hier den Meister, sondern stattdessen Einsicht und Selbstdisziplin. Kinder brauchen dafür Hilfe in Form von Grenzen, wie zum Beispiel Handy-freien Orten oder Zeiten. Als Nebeneffekt entwickeln sie dann Kreativität und Gelassenheit – und können sich an der realen Welt erfreuen, auch wenn in der Hosentasche die digitale lockt.

Jammern auf hohem Niveau

Zwei Frauen im Supermarkt unterhalten sich: „Rate mal, wie viel wir zurückerstattet bekommen haben“, höre ich, „1.000 Euro dafür, weil wir darauf hinwiesen, dass die Zimmer nicht genauso aussahen wie auf den Bildern im Prospekt.“ Wer fragt, gewinnt; wer sich beschwert, wird belohnt – ein typisches Beispiel für Jammern auf hohem Niveau.