Einstellungssache

Murrend putzen – oder mit einem Lied auf den Lippen.
Kritisch die Mängel aufzeigen – oder Unterstützung anbieten und anerkennen, was gelungen ist.
Genervt zum x-ten Mal dieselbe Frage beantworten – oder geduldig bleiben und für den anderen nach Eselsbrücken suchen.
Bei jedem Schluck des zu dünn geratenen Kaffees die Miene verziehen – oder lächelnd eine Tasse mittrinken.
Loben und innerlich platzen vor Neid – oder sich ehrlich mitfreuen, wenn jemand etwas gut gemacht hat.

Womit ich konfrontiert bin, ist manchmal nicht zu ändern; was ich daraus mache, ist eine Frage der Einstellung – und macht den Unterschied.

Reden und reden lassen … 

Kommunikation ist keine leichte Sache; das Missverständnis ist der Normalfall. Andererseits geht es auch nicht ohne. Wir können keine Gedanken lesen und müssen deshalb weiter reden, zuhören und vor allem: Verständnis haben wollen. Zwischendurch zu lachen wirkt Wunder – ich habe es selbst probiert!

„Na gut!“ oder „Nein danke!“

Mein Sohn hat abends kein Training. Unvorsichtigerweise beklagt er sich darüber in meiner Gegenwart. „Du kannst mit mir laufen gehen“, lade ich ihn ein, „danach fühlst du dich frisch.“ Er verdreht die Augen und sucht nach einer guten Ausrede. Als er keine findet, lässt er sich auf mein Angebot ein. Wie schön – für uns beide. Dennoch bin ich mir sicher, dass er mein Angebot beim nächsten Mal ausschlagen wird: Eine einzige Runde macht noch keinen Läufer.

Klar und deutlich

Jemand reagiert genervt auf meine Fragen (warum auch immer); ich ziehe mich zurück und weiche aus. Die Kommunikation ist gestört und wird kompliziert – ich bin befangen und scheine immer den falschen Zeitpunkt zu erwischen. Mit der Zeit werde ich unsicher und ärgere mich: So funktioniert das Miteinander nur mittelmäßig. Ich sollte ein klärendes Gespräch suchen, obwohl mir derartige Unterhaltungen nicht leichtfallen. Wie sag ich´s nur, denke ich – und was genau? Früher als gedacht, ergibt sich die Gelegenheit; ich ergreife sie (aufgeregt, aber entschlossen) und spreche an und aus, was mir Mühe macht. Es wirkt wie ein Gewitter, nur weniger erratisch: währenddessen überwältigend und durcheinander wirbelnd, danach ist die Luft zwischen uns wieder klar und sauber. Wie wunderbar! Ich will mir das merken – es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

Aus-gesprochen

Ich mache Feierabend und treffe vor dem Büro eine Bekannte. 20 Minuten und ein Gespräch später sehe ich vor der gegenüberliegenden Drogerie den ehemaligen Fußballtrainer meines Sohnes mit seinen Kindern. Wieder 20 Minuten später kommt seine Frau – und ich steige endlich aufs Rad. Auf dem Weg nach Hause überhole ich einen Lehrer meiner Tochter und begleite ihn bis vor sein Gartentor: weitere 20 Minuten, die ich in angeregtem Gespräch verbringe. Zu Hause rolle ich dadurch fast zeitgleich mit meiner Freundin auf den Hof; wir sind verabredet: zu Gespräch und Gebet. Nach zwei Stunden verabschieden wir uns – und mein Telefon klingelt. Ach, ja, ich will ja mit meiner Freundin in England telefonieren! Anderthalb Stunden später legen wir auf: Sie muss kochen. Während unseres Abendbrots berichte ich meinem Mann `aus aller Welt´. Danach bin ich leergeredet und beginne mit einem ausgiebigen Schweigen!

Unerwartet: mehr als eine Notiz

Im alten Kinderzimmer meines Sohnes suche ich eine Facharbeit von ihm. Zwischen allerhand Papier finde ich sie – und einen abgerissenen Notizzettel, auf dem er notiert hat, wofür die Kinder mir dankbar sind:

Schuhe kaufen,
kochen + Wäsche,
hinter uns herräumen,
Hausaufgaben und Schreibübungen,
zu Freunden gefahren,
immer hinter uns gestanden + motiviert,
geduldig gewesen,
Extras für uns gekauft (Guthaben, Klamotten),
getröstet

Ich suche eine Facharbeit und finde: viel mehr als das.

Wer weiß?

Im Eifer des Tagesgeschäfts nehmen wir uns oft nicht die Zeit, etwas Positives zu sagen: Abläufe müssen funktionieren; und es scheint oft wichtiger zu sein, das aus dem Weg zu räumen (und zu benennen), was nicht läuft. Und das, obwohl gerade dann ermutigende Worte allen gut täten.

Ich will verschwenderisch mit Lob umgehen, Menschen ermutigen und wertschätzen – selbst wenn ich nur sehr selten erfahre, was meine Worte bewirken. Wer weiß denn, ob sie nicht doch guttun? Die Alternative, nämlich gar nichts zu sagen, bewirkt auf jeden Fall: nichts. 

Aber!

Wir gehen spazieren. Mein Mann bedauert, dass etwas, das ihm wichtig ist, momentan nicht in sein Leben passt. Ich versuche, den Druck aus dem Kessel zu nehmen und ihn zu beruhigen: Ich würde sein Bedauern verstehen, das sei wirklich schade, es habe eben alles seine Zeit, im Moment bedeute nicht für immer … etc. Bevor ich das eine Wort aussprechen kann, dem all meine Gegenargumente folgen würden, unterbricht er mich: „Jetzt kommt´s gleich, das Lieblingstier meiner Frau – der A-Bär!“ Stimmt ja auch: Es gibt immer ein Aber.

Heiße Eisen

Manche Themen sind heikel, umstritten oder schwierig, zum Beispiel:
wenn Kollegen Mundgeruch haben oder ihr Parfüm uns nicht gefällt;
Vollzeit-Mütter in Deutschland, die eine Journalistin in einem Artikel (nicht ganz so liebevoll) `Daheimchen´ nennt;
ganztägige Kinderbetreuung für unter Dreijährige;
Zweifel an den Klima-Kipp-Punkten;
zwei oder mehr Geschlechter … 

`Heiße Eisen´ nennt man solche Themen – doch kürzlich erfuhr ich, dass junge Leute diese Redewendung nicht mehr kennen. Mein Sohn kann sich denken, was ich meine, aber auch für ihn ist ein `heißes Eisen´ kein so feststehender und sich selbst erklärender Begriff wie für mich.

Jetzt frage ich mich: Sollte ich derartige Redewendungen nicht mehr verwenden, weil junge Menschen nichts damit anfangen können? Oder ist es gerade gut, weiter von `heißen Eisen´ zu sprechen, damit der Begriff nicht ausstirbt? Schließlich gibt es noch immer genug heikle, umstrittene beziehungsweise schwierige Themen, vielleicht sogar mehr als jemals zu vor: genug Gelegenheit also, sie als das zu bezeichnen, was sie sind – heiße Eisen. 

Laut ist nicht alles

Wer gehört werden will, muss den Mund aufmachen – und lauter schreien als die anderen.

Wer aber möchte, dass man ihm zuhört, braucht andere Kompetenzen: Er muss kompromissfähig sein, andere respektieren und ihre Leistungen wertschätzen können – und die Größe haben, im richtigen Moment die Klappe zu halten.