Aus-gesprochen

Ich mache Feierabend und treffe vor dem Büro eine Bekannte. 20 Minuten und ein Gespräch später sehe ich vor der gegenüberliegenden Drogerie den ehemaligen Fußballtrainer meines Sohnes mit seinen Kindern. Wieder 20 Minuten später kommt seine Frau – und ich steige endlich aufs Rad. Auf dem Weg nach Hause überhole ich einen Lehrer meiner Tochter und begleite ihn bis vor sein Gartentor: weitere 20 Minuten, die ich in angeregtem Gespräch verbringe. Zu Hause rolle ich dadurch fast zeitgleich mit meiner Freundin auf den Hof; wir sind verabredet: zu Gespräch und Gebet. Nach zwei Stunden verabschieden wir uns – und mein Telefon klingelt. Ach, ja, ich will ja mit meiner Freundin in England telefonieren! Anderthalb Stunden später legen wir auf: Sie muss kochen. Während unseres Abendbrots berichte ich meinem Mann `aus aller Welt´. Danach bin ich leergeredet und beginne mit einem ausgiebigen Schweigen!

Unerwartet: mehr als eine Notiz

Im alten Kinderzimmer meines Sohnes suche ich eine Facharbeit von ihm. Zwischen allerhand Papier finde ich sie – und einen abgerissenen Notizzettel, auf dem er notiert hat, wofür die Kinder mir dankbar sind:

Schuhe kaufen,
kochen + Wäsche,
hinter uns herräumen,
Hausaufgaben und Schreibübungen,
zu Freunden gefahren,
immer hinter uns gestanden + motiviert,
geduldig gewesen,
Extras für uns gekauft (Guthaben, Klamotten),
getröstet

Ich suche eine Facharbeit und finde: viel mehr als das.

Wer weiß?

Im Eifer des Tagesgeschäfts nehmen wir uns oft nicht die Zeit, etwas Positives zu sagen: Abläufe müssen funktionieren; und es scheint oft wichtiger zu sein, das aus dem Weg zu räumen (und zu benennen), was nicht läuft. Und das, obwohl gerade dann ermutigende Worte allen gut täten.

Ich will verschwenderisch mit Lob umgehen, Menschen ermutigen und wertschätzen – selbst wenn ich nur sehr selten erfahre, was meine Worte bewirken. Wer weiß denn, ob sie nicht doch guttun? Die Alternative, nämlich gar nichts zu sagen, bewirkt auf jeden Fall: nichts. 

Aber!

Wir gehen spazieren. Mein Mann bedauert, dass etwas, das ihm wichtig ist, momentan nicht in sein Leben passt. Ich versuche, den Druck aus dem Kessel zu nehmen und ihn zu beruhigen: Ich würde sein Bedauern verstehen, das sei wirklich schade, es habe eben alles seine Zeit, im Moment bedeute nicht für immer … etc. Bevor ich das eine Wort aussprechen kann, dem all meine Gegenargumente folgen würden, unterbricht er mich: „Jetzt kommt´s gleich, das Lieblingstier meiner Frau – der A-Bär!“ Stimmt ja auch: Es gibt immer ein Aber.

Heiße Eisen

Manche Themen sind heikel, umstritten oder schwierig, zum Beispiel:
wenn Kollegen Mundgeruch haben oder ihr Parfüm uns nicht gefällt;
Vollzeit-Mütter in Deutschland, die eine Journalistin in einem Artikel (nicht ganz so liebevoll) `Daheimchen´ nennt;
ganztägige Kinderbetreuung für unter Dreijährige;
Zweifel an den Klima-Kipp-Punkten;
zwei oder mehr Geschlechter … 

`Heiße Eisen´ nennt man solche Themen – doch kürzlich erfuhr ich, dass junge Leute diese Redewendung nicht mehr kennen. Mein Sohn kann sich denken, was ich meine, aber auch für ihn ist ein `heißes Eisen´ kein so feststehender und sich selbst erklärender Begriff wie für mich.

Jetzt frage ich mich: Sollte ich derartige Redewendungen nicht mehr verwenden, weil junge Menschen nichts damit anfangen können? Oder ist es gerade gut, weiter von `heißen Eisen´ zu sprechen, damit der Begriff nicht ausstirbt? Schließlich gibt es noch immer genug heikle, umstrittene beziehungsweise schwierige Themen, vielleicht sogar mehr als jemals zu vor: genug Gelegenheit also, sie als das zu bezeichnen, was sie sind – heiße Eisen. 

Laut ist nicht alles

Wer gehört werden will, muss den Mund aufmachen – und lauter schreien als die anderen.

Wer aber möchte, dass man ihm zuhört, braucht andere Kompetenzen: Er muss kompromissfähig sein, andere respektieren und ihre Leistungen wertschätzen können – und die Größe haben, im richtigen Moment die Klappe zu halten.

Wortfindungsstörung …

Ich diskutiere mit meinem Mann, es geht hin und her, aber nicht voran. Ich merke: Er weicht einer klaren Antwort – und damit mir – aus. Mich ärgert das und ich sage: „Ich bin zwar nicht die hellste Torte auf der Kirsche …, nein, nicht die hellste Kirsche auf der Torte …, ach, Menno, nicht die hellste Kerze auf der Torte …“

So ein Mist, denke ich sofort, ich nehme mir einfach immer selbst den Wind aus den Segeln. Selbst wenn wir beide wissen, dass mein Mann sich windet und mich `hinhält´: So wird das nichts mit meinen Argumentationsketten.

Irgendwas mit -alisch am Ende!

Wir schauen eine Spiel-Zusammenfassung, Fußball. Nach einem Tor wird immer gejubelt, selten still. „Ich mag das nicht, wenn Männer sich in der Form freuen, so … matriarchalisch …, nein: patriarchalisch“, sage ich zu meinem Mann. Er schaut mich grinsend an: „Martialisch, ja“, er nickt, „aber ich weiß, was du meinst.“

Fragile Leichtigkeit

Ich starte mit allerlei guten Vorsätzen in die neue Arbeitswoche:
zuversichtliche Entschlossenheit, mein Bestes zu geben,
grundsätzliche Offenheit den Menschen gegenüber, mit denen ich es zu tun haben werde,
kreative Ideen für die Aufgaben, die vor mir liegen – ob ich sie schon kenne oder nicht.
Ich fühle mich so, als wäre in den nächsten Tagen buchstäblich alles möglich – und ich würde den Grundstein legen für eine großartige Zukunft.

Die ersten beiden Stunden geht alles gut: Ich bin fleißig, freundlich und einfallsreich. Dann ergibt sich ein unerquickliches Gespräch; ich bin teilweise Zeuge, teilweise selbst involviert. Viele meiner Vorschläge werden diskutiert, kritisiert und als eher ungeeignet bewertet – ohne konstruktive Alternative. 

Anschließend fällt es mir schwer, wieder in Gang zu kommen: Die schwungvolle Leichtigkeit des Morgens hat einen erheblichen Dämpfer erfahren; ich fühle mich ausgebremst. Ich hoffe, der Nachmittag reicht aus, mich für die nächsten Tage wieder neu zu motivieren – so, als wäre buchstäblich alles möglich. 

Nicht einfach, sondern hin und her

Wir versuchen, es zu vermeiden, aber manchmal tun wir es doch: etwas übers Internet kaufen. Meist behalten wir nicht alles, was wir bestellen, sondern machen eine Rücksendung fertig. Oft läuft das unkompliziert, manchmal nicht. Ich habe ich grundsätzlich nichts dagegen, wenn ich die Kosten für die Retoure selbst tragen muss: Die Hin- und Her-Schickerei ist weder nachhaltig noch optimal, sie darf extra kosten; extra kompliziert muss sie nicht sein.

Vor zweieinhalb Wochen startete ich einen solchen `Ich schicke etwas zurück und zahle selbst´-Prozess. Zunächst hörte ich nichts und wartete ab. Vor vier Tagen schilderte ich in einer Erinnerungsmail mein Problem und schloss mit der Frage, wie lange die Rückerstattung wohl noch dauern werde. Darauf erhielt ich sofort eine automatisch generierte Antwort: Mail erhalten, sie würden sich um mein Anliegen kümmern und demnächst melden. Heute, also vier Tage später, traf eine weitere Mail ein: Ob ich mit meinem Produkt zufrieden sei und vielleicht ein Foto (in Gebrauch) machen könne.

Ich bin einigermaßen verwirrt und denke: Nein, kann ich nicht, das Produkt ist nämlich schon seit zweieinhalb Wochen nicht mehr bei mir, sondern wahrscheinlich längst wieder bei Ihnen – weshalb ich gern mein Geld zurückbekäme. Leider nutzt es nichts, wenn ich das denke. Wahrscheinlich nutzt es auch nichts, wenn ich in einer zweiten Mail mein Anliegen und Problem noch einmal schildern werde. Ich tue es trotzdem. Sofort erhalte ich eine automatisch generierte Antwort: Mail erhalten, sie würden sich kümmern und demnächst …

Ich stecke fest in einer Hin- und Her-Mailschleife und weiß nicht, wie ich da wieder rauskomme!