Vom Meckern

Ist es wirklich typisch für uns Deutsche, viel zu meckern? Meckern andere Völker tatsächlich weniger? Und: Ist es besser, nicht laut zu meckern und aber hinter vorgehaltener Hand ständig sauer zu sein? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall existiert wie immer eine ausgewogene Mitte oder viele gute Ansätze. Nur treffen wir die mit undifferenzierter Schimpfe und Kritik höchst selten. Dieses generelle Gemeckere an allem und jedem ist tatsächlich wenig hilfreich – und übersieht oft den Balken im eigenen Auge. Welchen Balken? Genau!

Leider ist das verbale Miteinander auf der höchsten politischen Ebene unseres Landes inzwischen sehr aggressiv – und taugt nicht als Vorbild. Wenn wir Politiker zuhören, müssen wir uns nicht wundern müssen, dass Kritik per se als demütigend und die Person ablehnend empfunden wird. Dabei macht der Ton die Musik! Die Welt ist nicht schwarz-weiß, und zwischen meckern und loben liegen viele Grautöne: zum Beispiel konstruktive, ehrliche und den anderen wertschätzende Kritik. Aber die erfordert ein Mindestmaß an Respekt und die Bereitschaft, ausgewogen und differenziert miteinander zu kommunizieren. Meckern ist leichter.

Gute Nacht John Boy!

Ich besuche zwei Freundinnen; wir essen Zwiebelkuchen und trinken Federweißer. Anschließend radele ich am Abend wieder zurück nach Hause – und bin dort wieder nüchtern. Weil die beiden besorgt ob meiner einsamen Heimfahrt waren, schreibe ich ihnen, dass ich heil angekommen bin – und wünsche allseits eine gute Nacht. Eine von beiden antwortet: „Gute Nacht John Boy.“ Sofort denke ich an die Waltons und diese sanfte Fernseh-Serie, die heute wahrscheinlich keinen Zehnjährigen mehr vor dem Bildschirm halten würde. Und ich freue mich über Freundinnen, die durch eine simple Wort-Verknüpfung eine wohlige Erinnerung in mir auslösen.

Unterm Strich: Entschuldigung

Mit der Bahn fahre ich selten; es ist daher immer wieder ein kleines Abenteuer. Oft staune ich über die logistische Leistung, die hinter einer Bahnverbindung mit mehreren Anschluss-Zügen liegt. Derjenige, der die Fahrpläne macht, muss dafür alles Mögliche im Blick haben: Wie viele Leute wollen wann von wo nach wo? Wo treffen welche Linien aufeinander, wie verteilt man die Züge gleichmäßig auf die jeweiligen Bahnsteige, welche Umsteigezeiten sind zumutbar, wie lange wartet welcher Zug auf den nächsten? Welche Alternativ-Verbindungen kann jemand wählen, der eventuell seinen Anschlusszug verpasst? All das geschieht, bevor ich mich auf den Weg mache.

Am Reisetag selbst grenzt es an ein Wunder, dass Leute in der Zentrale eines Bahnhofes die Übersicht behalten. Es ist ein Full-time-Job, alles Nötige so zu kommunizieren, dass jeder Reisend Bescheid weiß. Entsprechend häufig sind Bahnhofsdurchsagen: Zwar versteht man meistens nur die Hälfte, weil durchfahrende Züge, laute Mitreisende oder die Lautsprecher-Geräusche von anderen Bahngleisen die Hörqualität beeinträchtigen. Dennoch ertönen regelmäßig und mehrfach Ansagen zum `baldigen´ oder auch `sofortigen´ Eintreffen eines bestimmten Zuges. Ist dieser zu spät, wird ein Grund angegeben: vorausfahrender anderer Zug, Gleisarbeiten, Änderungen im Fahrplan, Verzögerungen im Vorfeld … Abschließend entschuldigt sich der jeweilige Sprecher für die Unannehmlichkeiten, die den Reisenden dadurch entstehen. Dieser letzte Teil ist der einzige, der auf meiner letzten Bahnreise auch ins Englische übersetzt wurde. Nach jeder – ziemlich ausführlichen – deutschen Erklärung des auftretenden Problems kam: „We are sorry for any inconveniences.“ Ich musste jedesmal schmunzeln: Auf meiner Reise verursachten zwei von drei Zügen Unannehmlichkeiten – die Entschuldigungen häuften sich.

Ich stellte mir vor, ich spräche kein Deutsch. Glücklicherweise sind die Anzeigetafeln in Deutschland gut lesbar und – meist – auf dem aktuellen Stand. Denn von dem Gesagten bekäme ich nichts mit. Alles, was ich verstehen würde, wäre die fortwährende Entschuldigung für `any inconveniences´.

Wieso, weshalb, warum? 

Es ist schon stark, was manche Leute im Brustton der Überzeugung von sich geben. Ein BUND-Vertreter in unserer Gegend behauptete nachdrücklich, Rinder auf einer Weide habe er `schon öfters vor Hunger bölken gehört´. Ich staune über seine Sicherheit: Ich konnte nicht einmal bei meinen eigenen Kindern mit Sicherheit sagen, warum sie `bölken´. Sie taten das in jungen Jahren auch manchmal – und nicht immer war mir klar, warum. Hunger kam in Frage, ebenso wären Frust oder Wut als Ursache möglich gewesen. Die Kinder eines unserer Nachbarn schreien immerzu. Bei ihnen liegt es daran, dass sie einfach ausgesprochen laut kommunizieren – ausnahmslos und viel. Ihre Eltern scheint es nicht zu stören, sie mischen sich selten ein; und wenn doch, dann ebenso laut.

Die Rinder und Kühe meiner Freundin bölken auch, vor allem, wenn sie bullen oder rindern, also deckbereit sind. Man kann es nennen, wie man will. Sicher ist: Sie sind nicht hungrig – sie wollen Sex.

Nötig oder möglich

Ich erhalte eine Mail, in der ein Bekannter ein privates Treffen bestätigt. Er schreibt kurz und knapp, ohne Zusatzinformationen. Wieder einmal bekomme ich es schwarz auf weiß, dass die meisten meiner Gesprächspartner (zumindest schriftlich) deutlich sparsamer kommunizieren als ich.

Wer nur das Nötigste sagt, lässt alles Mögliche weg – es ist wahrscheinlich Ansichtssache, ob dann etwas fehlt.

Genial fällt auf?

`Mehr Schotter für dein Kies´ steht auf einem Werbeplakat, und ich zucke unwillkürlich zusammen: Natürlich spricht man das genau so. Aber ebenso natürlich ist es grammatikalisch verkehrt geschrieben – und DAS bereitet mir ein gewisses Unbehagen. Ich gebe zu, dass sich `Mehr Schotter für deinen Kies´ nicht so flüssig läse (und anhörte). Aber es gäbe eine geschmeidige Lösung: ein simples Apostroph an der richtigen Stelle.

Es kann sein, dass `Mehr Schotter für dein΄ Kies´ mir dann überhaupt nicht aufgefallen und im Kopf geblieben wäre. Insofern ist die vorhandene Version die gelungenere, was den Erinnerungseffekt angeht … Sollte die zuständige Werbe-Agentur das bedacht haben? Ich ziehe meinen Hut vor diesem genialen Schachzug, äh Slogan!

Weniger genial finde ich das Apostroph an der falschen Stelle, wie zum Beispiel bei `Ingrid΄s Pommesbude´ oder `Martina΄s Blumenlädchen´. Das ist einfach nur verkehrt. Ich hoffe, es fällt keinem auf – und bleibt nicht im Kopf.

Schwierig

80 Regierungs- und Medienvertreter fliegen gemeinsam nach Kanada und tragen keine Maske. Einige Leute kritisieren dieses Verhalten und finden, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Jeder andere deutsche Fluggast betritt in diesem Sommer nur maskiert ein Flugzeug. Eine Regierungssprecherin verteidigt die Aktion mit den Worten, für eine Regierungsmaschine gälten andere Regeln. In unserer Tageszeitung weist ein Journalist darauf hin, die Kritik daran käme `vor allem auch von rechts´. 

Andere Regeln hin oder her: Selbst wenn Flugzeuge der Regierung oder der Bundeswehr auf einer anderen Rechtsgrundlage starten dürfen (was diverse Juristen bezweifeln): Ist es weise, sich dann darauf auszuruhen? Geltendes Recht ist die eine Sache, der absolute Umgang damit eine andere. Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch angemessen – man darf auch mit 400 km/h über eine deutsche Autobahn fahren … Meines Erachtens ist es alles andere als schlau, im besten Fall naiv, aber wahrscheinlich eher selbstgerecht – und das gilt für die Autobahnfahrt ebenso wie für den Flug mit Sonderregeln. Es zeugt von einer großen Arroganz, ein solches Verhalten im Nachhinein wortreich zu rechtfertigen. Stattdessen angebracht wären bescheidene Formulierungen im Sinne von: `unangemessen´ und `tut uns leid´. Sie würden helfen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder herzustellen.

Zusätzlich bedenklich finde ich, dass eine Tageszeitung die sehr berechtigte Kritik an diesem Verhalten zwar erwähnt, aber umgehend in die rechte Ecke befördert. Je inflationärer man mit dem Begriff `rechts´ umgeht, umso weniger Schrecken verbreitet derselbe: Seit zweieinhalb Jahren gelten bei uns zunehmend diejenigen Menschen als `rechts´, die die Regierungslinie kritisch hinterfragen. Sie fühlen sich zu Recht missverstanden und zu Unrecht abgestempelt.

Außerdem ist die Frage des Rechts zwar wichtig, aber nicht der einzige Aspekt. Egal, ob die Rechtsgrundlage vorhanden ist für eine Maskenpflicht in Flugzeugen oder anderswo: Eine mindestens ebenso entscheidende Frage ist doch, ob wirklich noch medizinische Gründe dafür existieren. Allerdings befürchte ich, mich mit derartigen Überlegungen direkt für die rechte Ecke zu qualifizieren … 

Alles schwierig, ganz schwierig.

Ein Stift, ein Papier, eine Handschrift

Ich mag Handschriften. Zwei Freundinnen von mir schreiben nicht nur sehr leserlich und gleichmäßig, sondern für meinen Geschmack auch ausgesprochen schön. Dass sie sich noch dazu gut ausdrücken können, steigert das Lese-Vergnügen umso mehr.

Meine eigene Handschrift unterliegt starken Schwankungen. Ich weiß schon lange, dass das nicht nur an meiner eigenen Verfassung liegt, sondern eher am Schreibgerät: Das sauberste Schriftbild erzeuge ich mit einem Füller. Einige Kugelschreiber eignen sich ebenfalls, andere dagegen gar nicht; ein mittelharter Bleistift geht gut; Tintenroller sind (für mich) gänzlich ungeeignet. Dass aber das Papier eine ebenso wichtige Rolle spielt, habe ich erst kürzlich festgestellt. Normalerweise schreibe ich auf dem Kopierpapier, das wir für unsere Drucker benutzen – gern günstig, manchmal recycelt. Dieses Jahr bekam ich von meiner Mutter richtiges Briefpapier, inklusive Wasserzeichen. Seither sieht jede Briefseite schön aus, was hoffentlich bei den Empfängern gut ankommt. An der Güte des Inhalts hat sich nichts geändert – die hat eher mit meiner eigenen Verfassung zu tun …

Ergebnisoffen? Schief gelaufen!

In einer Fernseh-Sendung geht es ums Gendern. Viele Gesprächspartner sind dafür, wenige dagegen; zum Schluss können Schüler per Telefon ihre Meinung sagen. Das Urteil fällt deutlich aus: Die meisten Schüler halten Gendern für unnötig. Die Moderatorin reagiert hörbar erstaunt und meint, das Ergebnis sei ein `Aufruf, nächstes Jahr wieder eine solche Sendung zu machen´. Ihre Logik ist nicht meine – wundert mich aber auch nicht.

Natürlich wird diese Sendung kritisiert. Dabei fällt der leicht spöttische Kommentar: „Das war ja wohl nicht so vorgesehen. Was ist da wohl schief gelaufen, dass das `falsche Ergebnis´ herauskommen konnte?“ Wieso `schief gelaufen´?, frage ich mich. Es war eine öffentliche Sendung mit Live-Abstimmung. Das Resümee war eindeutig. Manchmal erlebt man eine Überraschung, wenn man ergebnisoffen diskutiert – und manchmal erfreulicherweise auch, wenn man es nicht ergebnisoffen tut.

Mmh …

„Mmh …, mmh …“, eine Frau im Supermarkt macht merkwürdige Geräusche. Sie scheint mit einem Baby in einer Babyschale zu kommunizieren, das ebenfalls mit „mmh …, mmh …“ antwortet. Vor allem die Frau `redet´ laut und viel – bleibt aber buchstäblich einsilbig. An der Kasse stehen die beiden hinter mir, ich muss ihnen zuhören. Nach einiger Zeit geht es mir gehörig auf den Keks; ein piepsiges „Na, mein Schatz“ der Mutter wäre mir lieber. Ich mische mich aus Respekt nicht ein, hoffe aber, der Wortschatz des Babys erweitert sich trotz dieser ungünstigen Startbedingungen.