Schöne Worte!

Ich bin schlapp; so etwas lässt sich manchmal nicht schönreden. Oder doch? Aus dem Mund meines Sohnes klingt meine Schwäche fast wie ein Kompliment: „Mama, du bist auf dem Energielevel eines Wildunfalls.“

Wie schön!

Beim Essen reicht mir meine Tochter die Butter, ohne dass ich sie darum bitte. „Du bist sehr aufmerksam“, sage ich zu ihr, worauf sie prompt reagiert: „Habe ich von dir!“ Ich bin dreifach dankbar: dass meine Tochter so ist, wie sie ist, dass sie etwas Gutes von mir übernommen hat und dass sie das so klar artikuliert.

Er ist dann mal weg (2)

Nach dem ersten „Ich bin gut angekommen in Sambia“ galt für unseren Sohn eine freiwillige Kontaktsperre – er hielt sich nur bedingt daran. Mittlerweile meldet er sich in größer werdenden Abständen, den digitalen Medien sei Dank. Wir hören und sehen, dass es ihm gut geht und er begeistert über den Tellerrand seines bisherigen Lebens schaut. Aber obwohl wir in Ton und Bild mit ihm kommunizieren können: eine Leere bleibt. Wie gern würde ich ihn zwischendurch mal drücken; ich freue mich auf den nächsten Sommer … 

Modalverben: müssen – sollen – können – möchten – dürfen

Meine Töchter bearbeiten am Wochenende Aufgaben für die Schule, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Beide müssen recherchieren, strukturieren und am Ende Texte formulieren. Ich soll ihnen helfen.

Vom Thema habe ich zunächst wenig Ahnung – es geht bei beiden um Kunst im weitesten Sinne. Für meine Töchter ist zwar die Aufgabenstellung klar, aber auch sie müssen sich schlau lesen. Ich stelle fest, dass mein Alter (und mein größeres Allgemeinwissen) mich zu einem durchaus kompetenten Ansprechpartner machen. Grundsätzlich kann ich ihnen helfen.

Da sie mich vor allem für die klaren und verständlichen Formulierungen brauchen, hänge ich sofort an der Angel wie ein wehrloser Fisch: Sobald es um Texte geht, bin ich automatisch interessiert. Jetzt möchte ich ihnen helfen.

Zunächst halte ich mich zurück und lasse meine Töchter selbst machen. Schließlich soll das Ergebnis aus ihrer Feder kommen – sozusagen. Im Verlauf des Wochenendes bitten sie vermehrt um Korrektur beziehungsweise Hilfe bei der Wortwahl. Je näher der Sonntagabend rückt, umso mehr darf ich ihnen helfen.

Vom Meckern

Ist es wirklich typisch für uns Deutsche, viel zu meckern? Meckern andere Völker tatsächlich weniger? Und: Ist es besser, nicht laut zu meckern und aber hinter vorgehaltener Hand ständig sauer zu sein? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall existiert wie immer eine ausgewogene Mitte oder viele gute Ansätze. Nur treffen wir die mit undifferenzierter Schimpfe und Kritik höchst selten. Dieses generelle Gemeckere an allem und jedem ist tatsächlich wenig hilfreich – und übersieht oft den Balken im eigenen Auge. Welchen Balken? Genau!

Leider ist das verbale Miteinander auf der höchsten politischen Ebene unseres Landes inzwischen sehr aggressiv – und taugt nicht als Vorbild. Wenn wir Politiker zuhören, müssen wir uns nicht wundern müssen, dass Kritik per se als demütigend und die Person ablehnend empfunden wird. Dabei macht der Ton die Musik! Die Welt ist nicht schwarz-weiß, und zwischen meckern und loben liegen viele Grautöne: zum Beispiel konstruktive, ehrliche und den anderen wertschätzende Kritik. Aber die erfordert ein Mindestmaß an Respekt und die Bereitschaft, ausgewogen und differenziert miteinander zu kommunizieren. Meckern ist leichter.

Gute Nacht John Boy!

Ich besuche zwei Freundinnen; wir essen Zwiebelkuchen und trinken Federweißer. Anschließend radele ich am Abend wieder zurück nach Hause – und bin dort wieder nüchtern. Weil die beiden besorgt ob meiner einsamen Heimfahrt waren, schreibe ich ihnen, dass ich heil angekommen bin – und wünsche allseits eine gute Nacht. Eine von beiden antwortet: „Gute Nacht John Boy.“ Sofort denke ich an die Waltons und diese sanfte Fernseh-Serie, die heute wahrscheinlich keinen Zehnjährigen mehr vor dem Bildschirm halten würde. Und ich freue mich über Freundinnen, die durch eine simple Wort-Verknüpfung eine wohlige Erinnerung in mir auslösen.

Unterm Strich: Entschuldigung

Mit der Bahn fahre ich selten; es ist daher immer wieder ein kleines Abenteuer. Oft staune ich über die logistische Leistung, die hinter einer Bahnverbindung mit mehreren Anschluss-Zügen liegt. Derjenige, der die Fahrpläne macht, muss dafür alles Mögliche im Blick haben: Wie viele Leute wollen wann von wo nach wo? Wo treffen welche Linien aufeinander, wie verteilt man die Züge gleichmäßig auf die jeweiligen Bahnsteige, welche Umsteigezeiten sind zumutbar, wie lange wartet welcher Zug auf den nächsten? Welche Alternativ-Verbindungen kann jemand wählen, der eventuell seinen Anschlusszug verpasst? All das geschieht, bevor ich mich auf den Weg mache.

Am Reisetag selbst grenzt es an ein Wunder, dass Leute in der Zentrale eines Bahnhofes die Übersicht behalten. Es ist ein Full-time-Job, alles Nötige so zu kommunizieren, dass jeder Reisend Bescheid weiß. Entsprechend häufig sind Bahnhofsdurchsagen: Zwar versteht man meistens nur die Hälfte, weil durchfahrende Züge, laute Mitreisende oder die Lautsprecher-Geräusche von anderen Bahngleisen die Hörqualität beeinträchtigen. Dennoch ertönen regelmäßig und mehrfach Ansagen zum `baldigen´ oder auch `sofortigen´ Eintreffen eines bestimmten Zuges. Ist dieser zu spät, wird ein Grund angegeben: vorausfahrender anderer Zug, Gleisarbeiten, Änderungen im Fahrplan, Verzögerungen im Vorfeld … Abschließend entschuldigt sich der jeweilige Sprecher für die Unannehmlichkeiten, die den Reisenden dadurch entstehen. Dieser letzte Teil ist der einzige, der auf meiner letzten Bahnreise auch ins Englische übersetzt wurde. Nach jeder – ziemlich ausführlichen – deutschen Erklärung des auftretenden Problems kam: „We are sorry for any inconveniences.“ Ich musste jedesmal schmunzeln: Auf meiner Reise verursachten zwei von drei Zügen Unannehmlichkeiten – die Entschuldigungen häuften sich.

Ich stellte mir vor, ich spräche kein Deutsch. Glücklicherweise sind die Anzeigetafeln in Deutschland gut lesbar und – meist – auf dem aktuellen Stand. Denn von dem Gesagten bekäme ich nichts mit. Alles, was ich verstehen würde, wäre die fortwährende Entschuldigung für `any inconveniences´.

Wieso, weshalb, warum? 

Es ist schon stark, was manche Leute im Brustton der Überzeugung von sich geben. Ein BUND-Vertreter in unserer Gegend behauptete nachdrücklich, Rinder auf einer Weide habe er `schon öfters vor Hunger bölken gehört´. Ich staune über seine Sicherheit: Ich konnte nicht einmal bei meinen eigenen Kindern mit Sicherheit sagen, warum sie `bölken´. Sie taten das in jungen Jahren auch manchmal – und nicht immer war mir klar, warum. Hunger kam in Frage, ebenso wären Frust oder Wut als Ursache möglich gewesen. Die Kinder eines unserer Nachbarn schreien immerzu. Bei ihnen liegt es daran, dass sie einfach ausgesprochen laut kommunizieren – ausnahmslos und viel. Ihre Eltern scheint es nicht zu stören, sie mischen sich selten ein; und wenn doch, dann ebenso laut.

Die Rinder und Kühe meiner Freundin bölken auch, vor allem, wenn sie bullen oder rindern, also deckbereit sind. Man kann es nennen, wie man will. Sicher ist: Sie sind nicht hungrig – sie wollen Sex.

Nötig oder möglich

Ich erhalte eine Mail, in der ein Bekannter ein privates Treffen bestätigt. Er schreibt kurz und knapp, ohne Zusatzinformationen. Wieder einmal bekomme ich es schwarz auf weiß, dass die meisten meiner Gesprächspartner (zumindest schriftlich) deutlich sparsamer kommunizieren als ich.

Wer nur das Nötigste sagt, lässt alles Mögliche weg – es ist wahrscheinlich Ansichtssache, ob dann etwas fehlt.

Genial fällt auf?

`Mehr Schotter für dein Kies´ steht auf einem Werbeplakat, und ich zucke unwillkürlich zusammen: Natürlich spricht man das genau so. Aber ebenso natürlich ist es grammatikalisch verkehrt geschrieben – und DAS bereitet mir ein gewisses Unbehagen. Ich gebe zu, dass sich `Mehr Schotter für deinen Kies´ nicht so flüssig läse (und anhörte). Aber es gäbe eine geschmeidige Lösung: ein simples Apostroph an der richtigen Stelle.

Es kann sein, dass `Mehr Schotter für dein΄ Kies´ mir dann überhaupt nicht aufgefallen und im Kopf geblieben wäre. Insofern ist die vorhandene Version die gelungenere, was den Erinnerungseffekt angeht … Sollte die zuständige Werbe-Agentur das bedacht haben? Ich ziehe meinen Hut vor diesem genialen Schachzug, äh Slogan!

Weniger genial finde ich das Apostroph an der falschen Stelle, wie zum Beispiel bei `Ingrid΄s Pommesbude´ oder `Martina΄s Blumenlädchen´. Das ist einfach nur verkehrt. Ich hoffe, es fällt keinem auf – und bleibt nicht im Kopf.